Standen in der letzten Woche noch die US-Geldpolitik und die Marktreaktion auf einen deutlich früheren „Lift-off“ der Fed im Mittelpunkt des Interesses, schiebt sich nun wieder die Fiskalpolitik auf die Agenda. Dies hat zu tun mit Äusserungen von Präsident Joe Biden, ein Deal bezüglich eines substanziellen Ausgabenpaketes sei in greifbare Nähe gerückt.
„Deal“ ist hier wohl wirklich das richtige Wort, denn vermutlich ist hinter den Washingtoner Kulissen ein ziemlich wildes Geschacher über die Bühne gegangen, um die Zustimmung einer ausreichenden Zahl republikanischer Senatoren zu einem Infrastrukturprogramm zu erkaufen, das Biden und seine Leute als politischen Erfolg verkaufen können. So hat das jetzt angekündigte Paket einen Umfang von 579 Mrd. US-Dollar, wobei mit 312 Mrd. US-Dollar der Schwerpunkt auf der Transportinfrastruktur liegt, während Bereiche wie die Energie-, Klimaschutz- und Breitbandinfrastruktur mit respektive 73, 68 und 65 Mrd. US-Dollar deutlich zurückhaltender bedacht werden sollen und die Wasserversorgung mit 60 Mrd. US-Dollar noch etwas weiter zurücksteht. Auch fällt auf, dass der nun vorgelegte Plan nur einen Bruchteil des ursprünglich in Billionenhöhe erwarteten Ausgabenpaketes darstellt, was die Biden-Administration damit erklärt, dass es sich lediglich um den Teil eines über acht Jahre angelegten 1,2 Billionen-US-Dollar-Programmes handele. So ist die Tatsache an sich, dass es tatsächlich bezüglich des Infrastrukturpaketes eine Einigung geben könnte, die bedeutendere Nachricht als die geplanten Details des Programms selbst.
Sollte es Joe Biden wirklich gelungen sein, 11 republikanische Senatoren für seinen Gesetzentwurf zu gewinnen, würde dies den Demokraten helfen, die kritische Hürde von 60 Sitzen im Senat zu überspringen. Diese Hürde ist es, welche wegen der sogenannten Filibuster-Regelung regelmässig dafür sorgt, dass Reformvorhaben in endlosen Debatten zerrieben werden und oft einen stillen Tod sterben. Schafft es also eine Vorlage, die Zustimmung von über 60 Senatoren zu garantieren, gilt der Entwurf als „Filibuster-proof“ und damit parteiübergreifend akzeptiert, woraufhin typischerweise beide politischen Lager versuchen, sich als Sieger darzustellen. Im gegenwärtigen politischen Klima Washingtons, das von rigoroser Verweigerung der Republikaner um Senatsgruppenchef Mitch McConnell geprägt wird, wäre eine derart erfolgreiche Gesetzesvorlage ein grosser Erfolg des Präsidenten. Seine über drei Jahrzehnte Erfahrung als Strippenzieher im Senat würden sich gerade zu einem Zeitpunkt auszahlen, an dem sich mit Blick auf die Midterm-Wahlen des Herbstes 2022 das Zeitfenster zu schliessen beginnt, in dem Biden mit so etwas wie Entgegenkommen seiner politischen Gegner rechnen kann.
Aber auch bezüglich der konkreten Auswirkungen, die ein derartiges Infrastrukturprogramm bewirken könnte, wäre es ein wichtiger Baustein mit Blick auf Bidens Ziel, die Gräben in der amerikanischen Gesellschaft zu schliessen. Denn umfangreiche Sanierungsmassnahmen an Amerikas verschlissener Infrastruktur, vor allem in den Regionen zwischen den Küsten, würde vielen kleinen US-Unternehmen und Gewerbetreibenden helfen, sowie potentiell Hunderttausende Arbeitnehmer ohne Universitätsabschluss in Beschäftigung bringen. Übernimmt erst einmal die Wahlkampfregie mit Blick auf die Midterms (und dann am Horizont auch schon die Präsidentschaftswahl 2024) das Zepter, dürfte es mit derartigen überparteilichen Einigungen in Washington – und damit spürbaren Verbesserungen für die Menschen im Land – vorbei sein.
US-Unternehmen profitieren und brauchen keine Angst vor der Steuerkeule zu haben
Ein wichtiges Entgegenkommen der Biden-Administration beim Infrastruktur-Deal war offenbar der Verzicht auf eine unmittelbare Gegenfinanzierung durch die im Wahlkampf angekündigten Steuererhöhungen. So hat Biden bereits angedeutet, sich auch mit einer Anhebung des Unternehmenssteuersatzes von 21% auf 25% statt wie geplant 28% zufriedenzugeben, und auch dies erst auf Sicht. Zunächst sollen die Zusatzausgaben über ein Schliessen der Steuerlücke finanziert werden, ausstehende Steuerschulden von Unternehmen also rigoroser eingetrieben werden. Es bleibt abzuwarten, wie effektiv dies in der Generierung staatlicher Mehreinnahmen dann tatsächlich ausfällt. Aus heutiger Sicht lässt sich jedenfalls feststellen, dass der angekündigte Deal gut für US-Unternehmen wäre, vor allem kleinere, die typischerweise einen höheren Teil ihrer Umsätze im Heimatland erwirtschaften als internationale Grosskonzerne. Und sollte dann irgendwann doch die Steuerschraube angezogen werden, könnten es auch eher letztere sein, deren Steuerlast steigt. Denn am Ziel einen globalen Minimalsteuer von 21% möchte die Biden-Administration festhalten. (BlackRock/mc/ps)