BlackRock: Kommentar von Ann-Katrin Petersen zum EZB-Entscheid
Im Euroraum liegt der Frühling in der Luft, und die EZB-Tauben könnten sich bald auch in die Lüfte erheben.
- Im Euroraum liegt der Frühling in der Luft, und die EZB-Tauben könnten es bald auch sein. Wie erwartet beliess die Zentralbank alle Leitzinsen unverändert. Doch Präsidentin Lagarde bemerkte, die EZB habe „gerade begonnen“, über eine weniger straffe Zinspolitik zu diskutieren, und ebnete den Weg für eine mögliche erste Zinssenkung im Juni – sofern die Daten dafür ausreichend Konfidenz böten. Das scheint die jüngste Neubewertung der Märkte zu bestätigen, der zufolge der erwartete Zeitpunkt der ersten Zinssenkung von April auf Juni geschoben wurde.
- Die EZB wird im Jahr 2024 die Zinswende einläuten, aber der frühe Vogel fängt in diesem Fall nicht den Wurm: Sie wartet geduldig auf weitere Beweise zu ihren drei Kriterien für die Inflationsaussichten – und vor allem darauf, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt – bevor sie ihren Inflationskampf als vollendet ansieht.
- Die aktualisierten makroökonomischen Projektionen der EZB zeigten Abwärtskorrekturen des Wirtschaftswachstums in der kürzeren Frist und insbesondere der Inflation – wobei sich die Kerninflation im Jahr 2025 nahe dem Zielwert einpendelt. Da der Energieschock nachlässt und vergangene Zinserhöhungen der EZB die Konjunktur stärker bremsen als diejenigen der Fed die US-Konjunktur, gehen wir davon aus, dass die Gesamtinflation im Jahresverlauf 2024 in Richtung des Inflationsziel der EZB von 2% sinken oder sogar vorübergehend darunter fallen wird.
- Aber dies ist unseres Erachtens jedoch keine Rückkehr zu der Welt, wie wir sie vor Ausbruch der Pandemie kannten, als die Inflation im Euroraum grösstenteils unter der 2%-Preisstabilitätsmarke verharrte. Angesichts des immer noch angespannten Arbeitsmarkts und der gedämpften Produktivität könnte der binnenwirtschaftliche Kostendruck die Inflation nahe oder leicht über 2% halten, wie aus den aktualisierten EZB-Projektionen hervorgeht. Infolgedessen werden die Zinsen wahrscheinlich strukturell höher sein als vor der Pandemie.
- Es ist unwahrscheinlich, dass die heutige Entscheidung die Anleihenmärkte kalt erwischt, die in den letzten Wochen Zinssenkungen der EZB im Frühjahr ausgepreist hatten. Das bedeutete, dass die Hürde für Madame Lagarde niedriger lag, einen weniger falkenhaften Ton anzuschlagen als die Märkte. Wir erwarten eine anhaltende Volatilität und halten an unserer taktisch neutralen Haltung gegenüber Staatsanleihen des Euroraums fest.