BlackRock Marktausblick: China-Stimulus bewegt die Börsen
Von Ann-Katrin Petersen, Leiterin Kapitalmarktstrategie Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock
Die Kapitalmärkte bewegen sich nach wie vor in einem Spannungsfeld zwischen Wachstumssorgen einerseits und Zinssenkungshoffnungen andererseits.
Börsen: Im Spannungsfeld zwischen Wachstumssorgen und Zinshoffnungen
Für die Europäische Zentralbank (EZB) erachten Marktteilnehmer derzeit bereits im Oktober die nächste Leitzinssenkung für möglich, beeinflusst durch schwächere Konjunkturbarometer wie die Euroraum-Einkaufsmanagerindizes und den deutschen Ifo. Für die US-Notenbank Fed haben die Märkte begonnen, für die November-Sitzung einen zweiten grossen Zinsschritt von 50 Basispunkten einzupreisen. Das sinkende US-Konsumentenvertrauen spielt eine Rolle, ungeachtet der anhaltend robusten Arbeitsmarktsituation und Auftragseingänge in der Industrie (Datenquelle: LSEG, 27.09.2024).
Daneben bleibt Geopolitik ein schwelender Unsicherheitsfaktor – die Nachrichten vom Wochenende verdeutlichten die mögliche Gefahr eines grösseren regionalen Nahost-Konflikts unter Beteiligung des Iran.
In den letzten Handelstagen dominierte an den Börsen, nach der kernigen Zinswende der Fed, jedoch die Debatte über erhebliche geld- und fiskalpolitische Stimulusmassnahmen in China und sorgte weltweit für neue Allzeithochs.
In Erwartung der offiziell angekündigten Konjunkturimpulse verzeichneten chinesische Onshore-Aktien letzte Woche ihren grössten Wochengewinn seit 2008 – der Leitindexes CSI 300(1) kletterte um fast 16%. Die in Hongkong notierten H-Aktien stiegen um 14%, der grösste Wochenanstieg seit 13 Jahren. US-Aktien und der deutsche DAX(2) erreichten neue Rekordhöhen (Datenquelle: LSEG,27.09.2024).
Wachstumsimpuls: Überraschender China-Stimulus ein Hoffnungsschimmer für den Aktienmarkt
Könnte sich nach langer Zeit endlich ein Hoffnungsschimmer für die chinesischen Aktienmärkte abzeichnen?
In unserer taktischen Allokation haben wir US- und Industrieländeraktien gegenüber China bevorzugt, selbst als die Bewertungen chinesischer Aktien attraktives Terrain erreichten. Denn die politische Unterstützung der Wirtschaft gestaltete sich als lückenhaft.
Nun haben die wirtschaftspolitischen Lenker ein ganzes Massnahmenbündel angekündigt, um die Konjunktur anzukurbeln. So wurden zu Wochenbeginn unter anderem die Mindestreservesätze im Bankensektor reduziert, und die Zinsen auf bestehende Hypotheken gesenkt, um die Konsumenten zu entlasten. Fallende Immobilienpreise waren ein wesentlicher Faktor für Chinas schleppendes Wachstum und Deflation. Am Donnerstag wurden dann den grössten chinesischen Staatsbanken erstmals seit 2008 grosse Kapitalspritzen in Aussicht gestellt – und das Politbüro kündigte überraschend eine deutliche Ausweitung der Staatsausgaben an.
Das politische Signal aus der Politbürositzung deutet darauf hin, dass möglicherweise grosse fiskalische Anreize auf dem Weg sind. Das ändert nichts an den langfristigen, strukturellen Herausforderungen des Landes.
Wir sehen allerdings Spielraum, chinesische Aktien kurzfristig leicht überzugewichten, da sie – trotz des Anstiegs der letzten Woche – gegenüber Industrieländern einen nahezu rekordhohen Bewertungsabschlag aufweisen und ein Katalysator Anleger zum Wiedereinstieg veranlassen könnte.
Wir bleiben flexibel und behalten uns Anpassungen vor – etwa wenn die Einzelheiten des Stimulusprogramms enttäuschen oder eine Verschärfung der Handelsbeschränkungen wahrscheinlich erscheint.
Zu den strukturellen Herausforderungen zählen die Notwendigkeit, die verschuldete Wirtschaft zu reformieren, eine alternde Bevölkerung, und Risiken durch geopolitischen und wirtschaftlichen Wettbewerb. Wir glauben nicht, dass die jüngsten politischen Ankündigungen diese Herausforderungen angehen werden.
Zinswende light: Euroraum-Inflation und US-Arbeitsmarkt diese Woche im Fokus
Im Euroraum ist der Verbraucherpreisindex (Di) die wichtigste Datenveröffentlichung vor der nächsten EZB-Sitzung am 17. Oktober. Inflationszahlen aus Frankreich und Spanien fielen schwächer als erwartet aus. Für den gesamten Währungsraum dürften unter anderem niedrigere Energiepreise im Jahresvergleich zu einer sich abkühlenden Teuerung beitragen. Die Gesamtinflationsrate wird vom Konsens bei knapp 1,9% veranschlagt, nach 2,2% im August (Datenquelle: Bloomberg, 27.09.2024). Jedoch wird die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel weiterhin hartnäckig über dem 2%-Notenbankziel liegen (Bloomberg-Konsens: 2,7%, nach 2,8% im August).
Anleger werden in den kommenden Tagen die Wortmeldungen einer Reihe von EZB-Notenbankern auf Hinweise abklopfen, ob die EZB bereit ist, das Lockerungstempo von vierteljährlichen auf aufeinanderfolgende Zinssenkungen zu beschleunigen.
In den USA stehen aus Anlegersicht die Arbeitsmarktdaten für September (Fr) im Mittelpunkt, neben dem ISM-Index(3) (Mi, Do). Die US-Wirtschaft schafft dank des Zuwanderungsschubs immer noch in gesundem Tempo Arbeitsplätze – auch wenn sich dieses Tempo in den letzten Monaten verlangsamt hat.
Nach wie vor glauben nicht, dass Rezessionsängste aufgrund verlangsamter Beschäftigungszuwächse gerechtfertigt sind. Sobald sich die Einwanderung normalisiert, wird die Wirtschaft wegen der alternden Erwerbsbevölkerung nicht mehr so schnell Arbeitsplätze schaffen können, ohne die Inflation anzuheizen. Das schränkt den Zinssenkungsspielraum der Fed ein.
1 Der CSI 300 steht für „China Securities Index 300“ und bildet die Kursentwicklung der grössten Chinesischen Festlandbörsen, also Shanghai und Shenzhen, ab.
2 DAX = Aktienindex mit den 40 grössten börsennotierten Unternehmen in Deutschland.
3 Der ISM Index ist ein Wirtschaftsindikator der USA und basiert auf Umfragen unter US-amerikanischen Einkaufsverantwortlichen und zeigt die wirtschaftliche Stimmung im Land an.