BlackRock Marktausblick: Fed – In die Ecke geboxt
Von Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock
Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Finanzmärkte, als am 3. Mai Fed-Chairman Jerome Powell überraschend deutlich ankündigte, die amerikanische Notenbank sei nach dem an jenem Tag vollzogenen Zinsschritt aller Voraussicht nach mit ihren Zinsanhebungen fertig. Die Fed Funds Target Rate, der US-Leitzins, war nun in zehn aufeinander folgenden Sitzungen seit März des Vorjahres um volle fünf Prozentpunkte erhöht worden, was diesen Zinszyklus zum steilsten seit 1980 macht. Die weitere geldpolitische Straffung, die angesichts der nach wie vor zu hohen Inflation nötig sein würde, könne, so Powell, nun von den Finanzmärkten selbst erledigt werden. Und wenn sich ein Notenbanker derart klar positioniert, den Märkten also Entwarnung in Bezug auf weitere Zinsschritte gibt, dann ist mit grosser Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sich sein Institut auch daran halten wird. Denn so hatte es die über ein gutes Jahrzehnt antrainierte Logik der Forward Guidance stets verlässlich suggeriert: Was die Zentralbank ankündigt, das tut sie auch.
Zur Gewöhnung an das neue Investmentumfeld, in dem wir uns vermutlich befinden, gehört aber auch, dass die Zeiten der Forward Guidance vorbei sind. Was sich auch gut begründen lässt, denn wenn in einer von Angebotsknappheiten dominierten Makrowelt die Zentralbanken weniger Einfluss auf die Steuerung von Inflation haben und letztere damit volatiler wird, kann es sein, dass man öfter mal seine noch vor kurzem gefassten Vorsätze über den Haufen werfen muss. Genau so dürfte es der Fed über die vergangenen Monate ergangen sein. Hatten der Mai-Beschluss und Powells anschliessende Presseerklärung stark unter dem Eindruck der Regionalbankenkrise in den USA gestanden und sah es zu diesem Zeitpunkt noch sehr nach einer unvermeidbaren Eintrübung der Finanzierungsbedingungen aus, so hellte sich in den darauffolgenden Monaten der Konjunkturhimmel doch deutlich auf. Vor allem die Payrolls, der US-Arbeitsmarktbericht, warteten mit einem positiven Datensatz nach dem anderen auf. Anhaltend niedrige Arbeitslosigkeit und hoher Lohndruck schienen die Fed Monat für Monat widerlegen zu wollen, und so schwärmten die FOMC-Mitglieder aus und bereiteten Märkte und Öffentlichkeit darauf vor, dass trotz Powells Äusserungen im Mai weitere Zinsschritte eher wahrscheinlich seien.
Der Inflationswert für Juni, welcher mit nur noch 3,0% ein schnelles Absinken der Preisdynamik Richtung 2%-Ziel suggeriert, hätte der Notenbank nun den Wind aus den Segeln nehmen können. Gegenüber dem Vorjahreswert, der noch bei 9,1% gelegen hatte, ist die Inflation also geradezu in sich zusammengefallen. Und auch unter der Motorhaube zeigt sich der Preisauftrieb deutlich gebremst. So sind etwa die um Wohnkosten bereinigten Dienstleistungspreise, gern auch ‚Super Core Inflation‘ genannt, um nur noch 0,1% im Monatsvergleich gestiegen. Zwar dürfte der Rückgang der gesamten CPI-Zahl im Juli aufgrund von Basiseffekten gebremst ausfallen, aber dass die Inflation auf dem Rückweg ist, dürfte dennoch unübersehbar bleiben. Trotz alledem hat der Markt für die Fed Funds Futures vermutlich recht, wenn er mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90% einen 25 Basispunkte-Schritt für den morgigen Mittwoch einpreist. Denn die Fed kann nun nicht mehr zurück. Sie hat sich innerhalb weniger Monate einmal gedreht. Ein weiteres Mal könnte ihrer Glaubwürdigkeit schaden. Daher wird wohl morgen der US-Leitzins auf 5,25-5,0% steigen, auch wenn vermutlich nicht einmal die Fed selbst dies für notwendig hält.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie stark sich die bisher ins Werk gesetzte Straffung nun wirklich auf die US-Wirtschaft auswirkt. Bisher sind Bremsspuren beim Konsum, der für über zwei Drittel der aggregierten Nachfrage steht, überschaubar. Und mit jedem Quartal, das nach dem Überschreiten des neutralen Zinses ins Land geht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Volkswirtschaft eine Rezession doch wird vermeiden können. Zwar sind die Wirkungsverzögerungen geldpolitischer Straffung lang und variabel, aber inzwischen spricht einiges dafür, dass die Realwirtschaft die Schocktherapie der Fed besser verkraftet als viele befürchtet hatten. Zu beobachten sind weiterhin die wahrscheinlichsten Einfallstore für mögliche negative Auswirkungen höherer Zinsen. Das sind die Immobilienmärkte, allen voran die Gewerbeimmobilien, sowie die Konsumentenkredite. Für endgültige Entwarnung ist und bleibt es zu früh.
EZB mit Beinfreiheit, Bank of Japan in Warteposition
Einen Tag nach der Fed dürfte auch die EZB den nächsten Schritt um 25 Basispunkte gehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es der letzte ist, könnte geringer sein als in den USA. Zwar ist auch in Europa die Inflationsdynamik rückläufig. So stark wie in den USA ist die Gesamtinflation aber bisher nicht gefallen. Ausserdem hat die EZB später angefangen, die Zinsen zu erhöhen. Das Leitzinsniveau dürfte überhaupt erst seit Anfang 2023 restriktiv sein. Die spannende Frage bei der Pressekonferenz könnte somit sein, ob die Notenbank im September eine Pause einlegt. Einiges spricht dafür. Ganz in Wartestellung bleibt dagegen die Bank of Japan. Zwar gilt als ausgemacht, dass sich die Bank unter dem neuen Gouverneur Kazuo Ueda früher oder später von der Politik der Zinskurvensteuerung verabschieden wird. Allerdings müsse dafür, so Ueda kürzlich, die Aussicht bestehen, dass sich auf Sicht der nächsten 18 Monate der Inflationsausblick bei 2% stabilisiere. Beim BoJ-Treffen am Freitag dürften also die Inflationsprognosen der Notenbankvolkswirte im Mittelpunkt stehen.
Mit diesem Marktausblick verabschieden wir uns in die Sommerpause. Am 29. August sind wir wieder für Sie da. Bis dahin wünschen wir Ihnen allen erholsame Ferien und einen schönen Sommer. (BlackRock/mc/ps)