Aus der Reihe: Steigende Aktienkurse im saisonal herausfordernden Monat Mai
Die Märkte waren im Mai bisher freundlich gestimmt, unterstützt durch solide Unternehmensgewinne und etwas niedrigere Anleiherenditen. US-Aktien, gemessen am S&P 500[1], stiegen letzte Woche auf neue Höchststände in diesem Jahr, während europäische Aktien ebenfalls Zugewinne verzeichneten und der DAX[2] auf ein neues Rekordhoch kletterte (Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024).
Das Sprichwort „Sell in May and go away“ oder auf deutsch, „Verkaufe im Mai und verabschiede dich.“ trifft in diesem Jahr bislang nicht zu. Eine wichtige Lektion der vergangenen Wochen, nachdem die US-Inflation überraschend gestiegen war und die Zinserwartungen gedämpft hatte: Aktien können sich trotz höherer Zinsen und sportlichen Bewertungen behaupten, wenn die Unternehmen weiterhin solide Gewinne erzielen.
An den Terminmärkten werden jetzt aktuell wieder fast zwei Zinssenkungen der Zentralbank der Vereinigten Staaten (Fed) für dieses Jahr erwartet, ab September. Entsprechend hatte der US-Dollar jüngst gegenüber dem Euro an Wert verloren und zwischenzeitlich sogar über der 1,08-Marke notiert. Die Anleiherenditen gingen in den USA und im Euroraum leicht zurück auf knapp 4,5% bzw. 2,5% (Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024). Doch obwohl zumindest wieder etwas Zinssenkungsoptimismus aufgekommen ist, dürfte es bei einer Zinswende „light“ bleiben. Mit strukturell höheren Zinssätzen ist zu rechnen.
Ob die Stärke des US-Aktienmarkts aufrechterhalten werden kann, hängt daher weiterhin massgeblich von den Unternehmensgewinnen ab. Die Berichtssaison für das erste Quartal neigt sich dem Ende zu, sowohl in den USA als auch in Europa, wo schon mehr als 80% der Unternehmen ihre Ergebnisse präsentiert haben. Dabei zeigt sich weiterhin ein günstigerer Gewinntrend in den USA, als im Euroraum. Während die US-Gewinne im Vergleich zum Vorjahr um etwa 5% stiegen und sich auch auf Branchenebene verbreitern, fielen sie in Europa um rund 8%. Ausserdem übertrafen mehr US-Unternehmen die Erwartungen als europäische (78% vs. 58%;Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024).
Wesentlicher Taktgeber: US-Inflationszahlen stellen Kapitalmärkte auf die Probe
Während die bereits fortgeschrittene Berichtssaison als Taktgeber allmählich nachlässt, rücken die US-Inflationsdaten für April (Mittwoch) in den Mittelpunkt. Die Preisdaten liefern Hinweise, ob bis zum Jahresende tatsächlich zwei Zinssenkungen realistisch sind, und könnten die Kapitalmärkte entsprechend auf die Probe stellen.
Nachdem die US-Inflation im Verlauf des letzten Jahres deutlich nachgelassen hatte, gab es im ersten Quartal keine Fortschritte mehr in Richtung des Notenbankziels von 2% – ein Realitätscheck für die Fed und die Märkte gleichermassen.
Das Augenmerk richtet sich vor allem auf die Teuerung im Dienstleistungssektor ohne Lebensmittel, Energie und Wohnen. Diese sog, „Supercore“-Inflation[3] ist entscheidend dafür, wo sich die Inflation letztendlich einpendelt. Auch die Entwicklung der Kerngüter bleibt interessant angesichts ihrer holprigen Normalisierung nach der Pandemie. Sollte der Inflationsdruck anhalten, dürfte der Markt seine Zinssenkungserwartungen anpassen und der US-Dollar fester notieren.
Kein Spielverderber: Treiber der japanischen Börsenrally bleiben trotz Yen-Schwäche intakt
Die Zwölfmonatsrenditen des japanischen Aktienmarkts, gemessen am MSCI Japan, liegen in US-Dollar gerechnet bei nahezu 14% (Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024). Wir gehen nicht davon aus, dass der jüngste Abwertung der japanischen Währung – der Yen markiert den tiefsten Stand seit 34 Jahren gegenüber dem Dollar – diese Dynamik nachhaltig beeinträchtigen wird.
Hintergrund für die Schwäche des Yen ist letztendlich die Kluft zwischen den Leitzinsen der Bank of Japan (BoJ) und der Fed. Der Abstand zwischen den Renditen von zehnjährigen US-Staatsanleihen und ihren japanischen Äquivalenten ist auf den höchsten Wert seit zwei Jahrzehnten angestiegen (Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024). Der Yen könnte sich wieder erholen, sobald die Fed die Zinsen senkt und die BoJ ihre ultra-lockere Geldpolitik im Negativzinsbereich allmählich normalisiert.
Davon abgesehen bleiben die fundamentalen Treiber der japanischen Börsenrally unseres Erachtens gültig. Japans Wachstumsperspektiven sind aufwärtsgerichtet. Die Rückkehr der Inflation in Japan ermöglicht es den Unternehmen, die Preise zu erhöhen und ihre Nettogewinnmargen zu verbessern. Gleichzeitig können höhere Löhne den Konsum ankurbeln. Selbstverständlich wirkt sich ein schwacher Yen dabei unterschiedlich auf japanische Unternehmen aus. Hersteller mit höheren importierten Inputkosten könnten geringere Gewinne verzeichnen. Allerdings werden die Exporteure, die mehr als die Hälfte der Marktkapitalisierung des japanischen TOPIX-Index [4]ausmachen (Quelle: LSEG Datastream, 10.05.2024), von den günstigeren Preisen ihrer Produkte für ausländische Käufer profitieren. Nicht zuletzt zeigen aktionärsfreundliche Unternehmensreformen Wirkung. Immer mehr Unternehmen werden in die Liste der Tokioter Börse aufgenommen, die Massnahmen zur Verbesserung ihrer Unternehmensführung ergreifen. Schliesslich könnten Regierungsinitiativen, um mehr inländische Sparer zum Investieren zu ermutigen, die Zuflüsse in japanische Aktien steigern.
Diese Veränderungen vollziehen sich im Laufe der Zeit. Darüber hinaus erwarten wir, dass Megakräfte – grosse strukturelle Veränderungen – langfristige Chancen in Japan schaffen. Beispielsweise altert die Bevölkerung Japans bekanntermassen seit vielen Jahren. Dies hat zu verstärkten Anstrengungen geführt, Automatisierung einzusetzen, um die Produktivität zu erhöhen.
Fazit: Wir gehen davon aus, dass eine abweichende Geldpolitik derzeit die Abwertung des Yen massgeblich beeinflusst, aber wir glauben nicht, dass der Druck anhält. Angesichts der Unternehmensreformen und sich aus strukturellen Veränderungen ergebenden Chancen halten wir an der Übergewichtung japanischer Aktien fest. (BlackRock/mc/ps)
[1] Der S&P 500 ist ein Aktienindex, der 500 der grössten börsennotierten Unternehmen in den USA repräsentiert.
[2] Der DAX ist ein Aktienindex, der 40 der grössten und umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland repräsentiert.
[3] Die «Supercore»-Inflation misst Preisänderungen ohne schwankungsanfällige Bereiche wie Energie und Lebensmittel.
[4] Der TOPIX – Aktienmarktindex, auch bekannt als Tokyo Stock Price Index ist ein wichtiger Index in Japan