Von Ann-Katrin Petersen, Chief Investment Strategist bei BlackRock
Rekordträchtig: „Alles“-Rallye an den Kapitalmärkten
Eine weitere rekordträchtige Börsenwoche liegt hinter uns. Die in der Tendenz „dovishe“ Botschaft im Gepäck der tagenden Zentralbanker gepaart mit konstruktive(re)n Wachstumseinschätzungen sorgte für eine „Alles“-Rallye. Der S&P 500 erlebte seine bislang beste Woche des Jahres und kletterte am Mittwochabend erstmals über 5200 Punkte, der japanische Nikkei 225 stieg am Donnerstag erstmals über 40.800 Punkte, und der deutsche Leitindex Dax baute seinen Höchststand auf über 18.200 Punkte aus. Daneben schlossen auch Anleihekurse, Goldnotierungen, Schwellenländermärkte die vergangene Handelswoche im grünen Bereich ab (Quelle: LSEG, 22.03.2024).
Geschichtsträchtig: BoJ wagt nach 17 Jahren Zinserhöhung, SNB als erste G10-Notenbank mit Zinssenkung
Als erste der G10-Notenbanken* und entgegen der Konsenserwartungen senkte die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins. Bedenken im Hinblick auf die verhaltene binnenwirtschaftliche Inflation spielten eine Rolle. Die Bank of England (BoE) hielt zwar Kurs, bestach jedoch mit eher taubenhaften Aussagen. Die US-Notenbank Fed signalisierte in ihren frisch aktualisierten Median-Prognosen unverändert drei Zinssenkungen später in diesem Jahr, d.h. insgesamt 75 Basispunkte ((wenn auch nur haarscharf – 9 von 19 Notenbankern erwarten bis Jahresende zwei oder weniger Senkungen), obwohl die Notenbanker sowohl ihre Wachstums- als auch ihre Inflationsprognosen für dieses Jahr anhoben (Quelle: LSEG, 22.03.2024).
Zu guter Letzt hob die Bank of Japan (BoJ) erstmals seit 2007 – nach wohlgemerkt 17 Jahren – den Leitzins an und legt damit erwartungsgemäss ihre Negativzinspolitik („NIRP“) ad acta. Das zuletzt stärkere Lohnwachstum hat die Zuversicht der BoJ gestärkt, dass sich die Inflation auf absehbare Zeit „nachhaltig und stabil“ nahe des Preisstabilitätsziels von 2%, einpendeln könnte. Gouverneur Ueda stellte diese Kursänderung jedoch nicht als den Beginn einer konzertierten Straffungspolitik, sondern einer graduellen geldpolitischen Normalisierung dar. Freilich bleibt auch der japanische Realzins mit der Leitzinserhöhung weiterhin negativ. Zudem entschieden die japanischen Notenbanker, ebenfalls im Einklang mit den Markterwartungen, die Zinskurvenkontrolle („Yield Curve Control“) aufzugeben, wenngleich weiter „ungefähr im gleichen Umfang“ wie bisher Staatsanleihen gekauft werden sollen (derzeit etwa 6 Billionen JPY pro Monat). Darüber hinaus werden die unkonventionellen Käufe von Aktien- und Immobilienfonds eingestellt. Der Erwerb von Commercial Paper und Unternehmensanleihen soll schrittweise reduziert werden (Quelle: BoJ, 19.03.2024).
Eine allmähliche geldpolitische Normalisierung in Japan, ohne den jüngsten binnenwirtschaftlichen Inflationsanstieg zu gefährden, verknüpft mit fortgesetzten Corporate Governance-Reformen japanischer Unternehmen sollte sich unseres Erachtens fortgesetzt günstig auf den japanischen Aktienmarkt auswirken.
Positionierung: Risikofreude mit Augenmerk
In dieser Woche richtet sich in Japan der Fokus auf die Erzeugerpreisdaten (Di). Sie dürften den Ausstieg der BoJ aus den Negativzinsen unterstützen. Im Euroraum wird mit einer sich aufhellenden Wirtschaftsstimmung (Mi) gerechnet. Die Anzeichen einer schrittweisen Konjunkturerholung im Euroraum verdichten sich. In den USA steht der Deflator für den privaten Konsum (Fr), das bevorzugte Inflationsmass der Fed, im Mittelpunkt. Es bleibt bei unserer Einschätzung, dass die Teuerung in diesem Jahr durchaus wieder in die Nähe der 2%-Zielmarke der Fed fallen kann. Der anhaltende Lohndruck in einem angespannten US-Arbeitsmarkt dürfte die Inflation allerdings über 2024 hinaus auf eine Achterbahnfahrt schicken. Der Zinssenkungsspielraum bleibt daher begrenzt. Auch die Fed scheint sich langsam auf ein Umfeld höherer Zinsen für längere Zeit einzustellen – ganz im Gegensatz zu dem Bild, das sie noch im Dezember 2023 zeichnete, als in den Wirtschaftsprojektionen die US-Inflation „makellos“ in Richtung 2% zurückkehrte, ohne dass das Wachstum darunter litt (Quelle: Fed, 20.03.2024). Unseres Erachtens unterschätzen die Märkte die in der vergangenen Woche vorgenommene Anhebung des langfristig erwarteten Leitzinses durch die Fed-Oberen.
Zu Beginn des zweiten Quartals halten wir für die kommenden sechs bis zwölf Monate an einer konstruktiven taktischen Positionierung fest. Die Zinsentscheide und Kommunikation der Zentralbanken in der vergangenen Woche, allen voran der BoJ und Fed, haben den Kapitalmärkten Anlass gegeben, zuversichtlich zu bleiben. Die Inflation fällt zwar in den USA und Europa schwankungsreich aus, geht aber auf absehbare Zeit voraussichtlich zurück und ebnet den Weg für Zinssenkungen auch jenseits der Schweiz. Solange darüber hinaus die Unternehmensgewinne nicht nur geliefert werden, sondern die Erwartungen der Analysten übertreffen, solange der Optimismus rund um die MegaForce Künstliche Intelligenz weltweit anhält, solange die Wachstumsannahmen für die US-Wirtschaft robust ausfallen und sich eine Konjunkturbelebung im Euroraum abzeichnet, kann die Aktienmärkte aktuell dem Anschein nach wenig aus der Bahn werfen.
Gleichzeitig ist an den globalen Börsen in Teilbereichen bereits viel Zuversicht vorweggenommen, das US-Wachstum wird (auch) durch eine lockere Fiskalpolitik unterstützt. Trotzdem schwellen allerhand geopolitische Risiken. Daher bleibt Augenmerk angebracht.
Wir erhöhen unsere taktische Übergewichtung japanischer Aktien und behalten die Übergewichtung von US-Aktien bei – bereiten uns aber auf einen Kurswechsel vor, falls die wieder ansteigende US-Inflation die Stimmung eintrüben sollte. (BlackRock/mc/ps)