Boris Johnson will Brexit-Deal nachverhandeln
London – Der Favorit für das Amt des britischen Premierministers, Boris Johnson, will das Brexit-Abkommen mit Brüssel nachverhandeln und setzt auf die Kooperation der Europäischen Union. Der zwischen Regierungschefin Theresa May und der EU vereinbarte Deal sei «tot», sagte Johnson in einem BBC-Interview. Noch vor dem am 31. Oktober geplanten EU-Austritt sei es möglich, das Abkommen nachzubessern – Änderungen daran lehnt Brüssel allerdings strikt ab.
Erneut betonte Johnson, er wolle keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland einrichten. Das hänge aber nicht nur von Grossbritannien ab. In anderen Interviews warb er am Dienstag für «Enthusiasmus». Er habe noch nie eine solche gedrückte Stimmung bei einer Regierung gesehen, sagte der frühere Aussenminister und Ex-Bürgermeister von London im Talkradio.
Kritik an Interviews
Die Interviews stiessen auf starke Kritik etwa bei Arbeitsministerin Amber Rudd. Sie forderte von Johnson, endlich Klartext bei seinen Brexit-Plänen zu reden. «Enthusiasmus und Optimismus reichen nicht», sagte Rudd dem Sender BBC. Sie unterstützt den Gegenkandidaten Jeremy Hunt im Rennen um den Posten des Premierministers. Mays Nachfolger wird der Tory-Partei zufolge am 23. Juli bekanntgegeben.
Fragen nach seinem Privatleben wollte Johnson nicht beantworten. Er war zuvor wegen eines Polizeieinsatzes vor seiner Wohnung in die Schlagzeilen geraten. Johnson soll sich lautstark mit seiner Freundin gestritten haben. Nachbarn hatten die Polizei alarmiert. Ein im Internet kursierendes Bild, das Johnson in vertrauter Pose mit seiner Freundin in einem Garten zeigt, hielten Kritiker für eine PR-Kampagne. Den Urheber des Fotos wollte Johnson nicht nennen.
Ein Bruchteil der Wahlberechtigten bestimmt den nächsten Premier
Im Rennen um Mays Nachfolge als Tory- und damit auch Regierungschef stellen sich Johnson und Hunt auf insgesamt 16 Regionalkonferenzen den Tories vor. Die etwa 160’000 Mitglieder der Konservativen Partei können sich dann per Briefwahl entscheiden, wen sie an der Spitze sehen wollten. Johnson galt bislang als klarer Favorit. Viele trauen ihm zu, enttäuschte Brexit-Wähler zurückzugewinnen, die sich von der Konservativen Partei abgewendet haben.
Das Datum für den EU-Austritt musste bereits zwei Mal verschoben werden, weil sich im Parlament keine Mehrheit für das von May mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen fand. Da Grossbritannien nun am 31. Oktober die Staatengemeinschaft verlassen will, bleibt Mays Nachfolger nicht viel Zeit: Das britische Unterhaus geht Ende Juli in die Ferien – und kommt erst am 3. September wieder zusammen. (awp/mc/ps)