London – Der britische Brexit-Minister Stephen Barclay hat die Europäische Union aufgerufen, endlich Änderungen am Abkommen zum EU-Austritt seines Landes zuzulassen. Die «politischen Realitäten» hätten sich seit den Europawahlen im vergangenen Mai geändert, schrieb Barclay in der «Mail on Sunday». Mehr als die Hälfte der Abgeordneten sei neu ins EU-Parlament gezogen. Daher sollte die Europäische Union nun ihrem für die Brexit-Verhandlungen zuständigen Chefunterhändler Michel Barnier erlauben, den mit der früheren Premierministerin Theresa May ausgehandelten Deal zu ändern.
Das lehnt Brüssel aber strikt ab. Denkbar sei nur, die geplante politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen zwischen der Staatengemeinschaft und Grossbritannien zu ergänzen, heisst es dort.
Brexit am 31. Oktober notfalls auch ohne Deal
Mays Nachfolger Boris Johnson will Grossbritannien am 31. Oktober aus der EU führen – notfalls auch ohne Deal. Das dürfte die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche hart treffen. Dies gilt auch für viele Schulen, wie der «Guardian» aus einem vertraulichen Papier des Bildungsministeriums zitierte. Die Folgen eines No Deals reichten von Kürzungen beim Schulessen bis zum Ausfall des Unterrichts. Schlimmstenfalls müssten Schulen in einigen Grenzregionen vorübergehend geschlossen werden. Der Zeitung liegt nach eigenen Angaben ein vertrauliches Dokument des Bildungsministeriums vor.
Unterdessen kündigte Johnson eine zusätzliche einmalige Finanzspritze in Höhe von 1,8 Milliarden Britischen Pfund (knapp zwei Milliarden Euro) für Krankenhäuser an. Davon sollen die Kliniken unter anderem neue Geräte kaufen. Er wolle sein Wahlversprechen halten und den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) mehr unterstützen, schrieb Johnson in der «Sunday Times». Die oppositionelle Labour-Partei kritisierte umgehend, dass solche Finanzspritzen die jahrelangen Kürzungen nicht wettmachen könnten. Der NHS gilt als marode und völlig überlastet.
Druck aus USA wegen geplanter Digitalsteuer
US-Präsident Donald Trump will Berichten zufolge ein Handelsabkommen mit Grossbritannien nach dem Brexit nur abschliessen, wenn London seine geplante Digitalsteuer für Tech-Giganten stoppt. Gespräche dazu liefen bereits auf verschiedenen Ebenen, berichtete am Samstag die britische Zeitung «The Telegraph» ohne klare Quelle.
Die neue Steuer würde vor allem US-Internetkonzerne wie Google und Facebook treffen. Sie soll ab April 2020 eingeführt werden. Der frühere Finanzminister Philip Hammond hatte sie noch angekündigt.
Das Handelsministerium teilte dazu am Samstag in London mit: «Der Premierminister und der Präsident haben wiederholt ihre Zusage bekundet, ein ehrgeiziges Freihandelsabkommen zwischen Grossbritannien und den USA zu schaffen und die Verhandlungen so bald wie möglich nach dem Austritt aus der EU aufzunehmen, zuletzt in ihrer Telefonkonferenz in der vergangenen Woche.» Mit einer Arbeitsgruppe für Handel und Investitionen sei bereits der Grundstein dafür gelegt worden, heisst es weiter. «Wir bereiten uns nun darauf vor, die Verhandlungen so bald wie möglich aufzunehmen.»
Frankreich hatte jüngst eine Digitalsteuer eingeführt, nachdem eine Lösung auf europäischer Ebene gescheitert war. Die Steuer zielt auch auf grosse, international tätige Internet-Konzerne wie Google, Amazon, Facebook und Apple ab. Viele der betroffenen Unternehmen haben ihren Firmensitz in den USA. Trump bezeichnete die Entscheidung als Dummheit und droht Frankreich mit Gegenmassnahmen. (awp/mc/ps)