London – Erfolg für die Brexit-Gegner: Die britische Regierung darf nicht ohne die Zustimmung des Parlaments den Austritt des Landes aus der Europäischen Union erklären. Erst danach könne Premierministerin Theresa May die Erklärung für die Scheidung von der EU einreichen, entschied das höchste britische Gericht am Dienstag in London. Die Regierung war enttäuscht vom Urteil, will aber an ihrem Brexit-Zeitplan festhalten. Der Richterspruch stellt nicht das Referendum zum EU-Austritt selbst infrage.
«Das britische Volk hat dafür gestimmt, die EU zu verlassen, und die Regierung wird das umsetzen», sagte ein Regierungssprecher. Die Austrittserklärung werde wie geplant Ende März nach Brüssel geschickt. «Das heutige Urteil ändert nichts daran.» Oppositionsführer Jeremy Corbyn (Labour) kündigte an, die geplante EU-Austrittserklärung der britischen Regierung nicht zu blockieren. «Labour respektiert den Ausgang des Referendums», sagte Corbyn.
Die elf Richter bestätigten in dem Berufungsverfahren ein früheres Urteil mit einer Mehrheit von acht zu drei Stimmen. Der Vorsitzende Richter des Supreme Courts, David Neuberger, betonte, bei dem Urteil gehe es um rein rechtliche Aspekte.
Die Regionalparlamente von Schottland, Wales und Nordirland bekamen hingegen kein Mitspracherecht bei der Austrittserklärung. Schottland und Nordirland hatten sich beim Referendum im vergangenen Sommer mehrheitlich für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen.
Die Initiatorin des Prozesses, die Investmentmanagerin Gina Miller, zeigte sich nach dem Urteil erleichtert: «Kein Premierminister, keine Regierung kann erwarten, nicht hinterfragt oder herausgefordert zu werden.»
Miller hatte bereits vor dem High Court um die Parlamentsrechte gekämpft; dort gaben ihr die Richter im vergangenen November recht. Danach war die Stimmung im Land teils aufgeheizt. Eine Zeitung nannte die Richter «Feinde des Volkes», Miller wurde bedroht. Die Regierung legte Berufung beim Supreme Court ein, der jetzt entschied.
Die Regierung hatte ein solches Urteil befürchtet: Der von May gesteckte Zeitrahmen ist ohnehin eng – nun kommt die Abstimmung im Parlament hinzu. Zum anderen wird befürchtet, dass die Parlamentarier den geplanten Brexit verwässern und eine stärkere EU-Nähe einfordern könnten. Die Parlamentarier gelten als überwiegend EU-freundlich.
«Harter Brexit»
May hatte vor einer Woche in einer Grundsatzrede einen «harten Brexit» angekündigt. Sie will Grossbritannien nicht nur aus der EU, sondern auch aus dem europäischen Binnenmarkt führen.
Nach Medienberichten plant die Regierung jetzt, ein möglichst knapp formuliertes Gesetz ins Parlament einzubringen. Brexit-Minister David Davis wollte noch am Dienstag das weitere Vorgehen vorstellen.
Die Briten hatten sich am 23. Juni 2016 in einem historischen Referendum für einen Austritt Grossbritanniens aus der EU entschieden. Das Ergebnis der Volksabstimmung hat aber keine Rechtskraft.
Zahlreiche Brexit-Befürworter sind der Ansicht, dass Grossbritannien zu viel Geld an die Europäische Union zahlen muss. Migranten aus der EU werden für Wohnungsnot, Engpässe im Gesundheitssystem und Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich gemacht.
Die Regierung verfügt über eine Mehrheit im Parlament. Die Weigerung Mays, Details aus der Strategie der Regierung zu veröffentlichen, stiess aber zum Teil auf Widerstand in den eigenen Reihen.
Nach dem Austritt Grossbritanniens hätte die EU noch 27 Mitglieder. «Brexit» ist ein Kunstwort aus den Begriffen «Britain» (Grossbritannien) und «Exit» (Ausgang). (awp/mc/upd/püs)