Buchtipp: Frank Riedel – Die Schuld der Ökonomen

Buchtipp: Frank Riedel – Die Schuld der Ökonomen

Frank Riedel, Wirtschaftsmathematiker und Buchautor. (Bild: Universität Bielefeld)

Berlin – Europäische Banken sind gesetzlich verpflichtet, bei ihren Geschäften strenge Regeln zur Risikoabwägung zu befolgen. Doch tatsächlich haben genau diese Regeln erst dazu geführt, dass die Finanzmärkte heiss liefen. Frank Riedel, Professor für Finanzmathema­tik, erklärt, wie es passieren konnte, dass eine einfa­che Risikoformel ein Auslöser für den Riesencrash werden konnte. Durch eine fehlerhafte Konstruktion beschwor sie genau die Risiken herauf, die sie ei­gentlich disziplinieren sollte. Kombiniert mit Markt­macht und falsch regulierten Märkten entwickelte eine in Banken alltäglich eingesetzte Formel die Kraft einer Atombombe.

Viele Finanzwissenschaftler sind sich schon lange bewusst, dass die Instrumente, die in der Praxis ein­gesetzt werden, untauglich sind. Wirtschaftsstuden­ten lernen schon im ersten Semester, dass so kom­plexe Gebilde wie Deutschland oder gar Europa nicht in Modelle oder Formeln gepresst werden können. Deshalb wird alles reduziert: Statt mit 40 Millionen verschiedenen Haushalten rechnen Wirtschaftsfor­schungsinstitute exemplarisch mit einem, statt zwei Millionen Unternehmen gibt es nur noch eins und der Staat ist sowieso nicht relevant. Wer ein kom­plexes System so vereinfacht, darf sich nicht wun­dern, dass die Prognosen falsch sind und dass Krisen nicht vorhergesagt werden können.

Wirtschaftswissenschaft ohne Mathematik ist blind
Riedel fordert eine vorsichtigere Ökonometrie, die keine trügerische Genauigkeit vorgaukelt, wo es sie nicht gibt. Denn Wirtschaftswissenschaft ohne Mathematik ist blind, Mathematik ohne Wirtschaftswissenschaft ist gefährlich. Auf die Akteure gewendet heisst das: Die Makroökonomen dürfen die Finanz­markttheorie aus Angst vor der mathematischen Komplexität nicht länger ignorieren. Umgekehrt brau­chen die Finanzingenieure in den Banken eine bessere ökonomische Bildung und müssen die gesell­schaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Handlungen berücksichtigen. Wir müssen die Konsequenz ziehen und endlich wirtschaftliche Urteilskraft und mathematischen Verstand zusam­men bringen. Die wissenschaftliche Politikberatung muss entlang dieser Linien neu geordnet werden.

Wie praktische Konsequenzen aussehen könnten, zeigt Riedel anhand mehrerer konkreter Vorschläge. Er entwickelt eine intelligente Bankensteuer, die nur die gesellschaftlich unerwünschte Spekulation be­straft, ohne die wirtschaftlich sinnvolle Kreditvergabe zu erschweren. Und er schlägt ein innovatives und provokantes Modell vor, mit dem der Bankensektor seine Milliarden-Schuld aus der Finanzkrise wieder auslösen kann. (Ullstein/mc/ps)

Informationen
Frank Riedel – Die Schuld der Ökonomen
Erscheinungsdatum 13. September 2013
ISBN 9783430201568
Econ Verlag

Der Autor
Prof. Dr. Frank Riedel, geboren 1968, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Mathematik und Wirt­schaftswissenschaften. Am Center for Mathematical Economics an der Uni Bielefeld bildet er ma­thematisch versierte, urteilskräftige Wirtschaftswissenschaftler aus. Zu den Schwerpunkten seiner Forschungs-und Lehrtätigkeit an seiner Heimat-Uni wie bei verschiedenen Gastprofessuren etwa an der amerikanischen Elite-Universität Princeton sowie der Sorbonne zählen mathematische Theorien der Aktienmärkte und die dynamische Kontrolle von Risiken auf den Finanzmärkten.
Aufgewachsen in Gütersloh, studierte Riedel zunächst Mathematik und Philosophie an der Albert­Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Dissertation erhielt den „Humboldt Preis“ für ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeiten, auch die Habilitation erfolgte an der Berliner Humboldt-Uni. 2003 folgte das Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungs Gesellschaft (DFG). Bevor Frank Rie­del als Direktor des Center for Mathematical Economics an die Universität Bielefeld wechselte, forschte er in Stanford und Berkeley und lehrte an der Universität Bonn. Kürzlich ist ihm eine be­sondere Ehre zuteil geworden: Als erster Deutscher wurde der Bielefelder in das nationale Aus­wahlgremium für die Besetzung von Professuren an französischen Hochschulen gewählt.

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