Bern – Nach schweren Erdbeben in der Schweiz sollen alle Hauseigentümer einen Beitrag zur Schadendeckung leisten. Der Bundesrat möchte im Notfall einen Betrag von bis zu 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme erheben können. Das wären derzeit insgesamt rund 22 Milliarden Franken.
Die Landesregierung schickte am Freitag einen entsprechenden Vorschlag für eine Verfassungsänderung in die Vernehmlassung. Der Bundesrat kam einer Forderung aus dem Parlament nach.
Der Bund will damit Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer verpflichten können, Schäden an Häusern nach Erdbeben solidarisch zu finanzieren. Von einem schweren Beben betroffene Hausbesitzer sollen so rasch entschädigt werden. Mit der rechtlichen Regelung der Finanzierung will der Bund einen schnellen Wiederaufbau ermöglichen.
Schwere Erdbeben gehören laut dem Bundesrat zu den seltenen, aber grössten Risiken, denen die Schweiz ausgesetzt ist. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit und den Ergebnissen der neueren Forschung hält der Bundesrat in seinem Bericht zur Vorlage fest, dass praktisch auf dem gesamten besiedelten Gebiet der Schweiz ein relevantes Erdbebenrisiko bestehe.
Nur 15 Prozent der Gebäude versichert
Modellrechnungen des Schweizerischen Erdbebendienstes ergaben, dass bei einer Wiederholung des katastrophalen Basler Bebens im Jahre 1356 mit einer Magnitude von 6,6 in der Schweiz mit etwa 3000 Toten und Gebäudeschäden im Umfang von ungefähr 45 Milliarden Franken zu rechnen wäre. Die grössten finanziellen Verluste wegen Schäden wären demnach in den Kantonen Bern, Wallis, Zürich, Waadt und Basel-Stadt zu erwarten.
In der Schweiz existiert derzeit keine bundesweite obligatorische Erdbebenversicherung. Aktuell sind rund 15 Prozent der Gebäude gegen Erdbebenschäden versichert.
Die private Eigenvorsorge habe bislang nicht zu einer flächendeckenden Absicherung vor Erdbebenrisiken geführt, konstatierte auch der Bundesrat. Bei einem starken Erdbeben würde deshalb die Gefahr von Existenzverlusten vieler Betroffenen bestehen, und ein Wiederaufbau würde sich erheblich verzögern.
Nach Ansicht des Bundesrats und auch des Parlaments soll die Finanzierung von Schäden an privaten Gebäuden in der Verantwortung der Hausbesitzer liegen und nicht der öffentlichen Hand. «Diese wäre im Fall eines schweren Erdbebens ohnehin bereits mit grossen finanziellen Lasten konfrontiert», argumentierte die Regierung.
Versicherungsidee mehrfach gescheitert
Die Idee für eine schweizweite Versicherungslösung gegen Erdbeben scheiterte mehrfach. 2021 hatte das Parlament den Bundesrat verpflichtet, Grundlagen für die Finanzierung von Gebäudeschäden im Fall eines Erdbebens mittels einer Eventualverpflichtung zu schaffen.
Im Parlament lehnte eine Minderheit den Vorschlag dazu ab mit dem Argument, dass es schon heute für alle Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern möglich sei, eine Erdbebenversicherung abzuschliessen. Die Verantwortung solle bei den Privaten bleiben. Der Bundesrat hatte dazu ebenfalls grundsätzliche Bedenken. Eine obligatorische Erdbebenversicherung sei seit 25 Jahren nicht mehrheitsfähig, hiess es.
Der Bundesrat sieht mehrere Vorteile in dem nun propagierten System. Im Gegensatz zu einer Versicherungslösung würden keine Prämienzahlungen anfallen, teilte er mit. Zahlen müssten die Hausbesitzer zudem nur dann, wenn tatsächlich Schäden aufgrund eines Erdbebens entstanden seien.
Mehr Macht für Bund bei Prävention
Die von der Regierung als maximal mögliche Entschädigungssumme angestrebten rund 22 Milliarden Franken entspricht der Schadensumme, die bei einem Erdbeben mit einer Wiederkehrperiode von 500 Jahren erwartet wird.
Daneben soll der Bund auch mehr Befugnisse erhalten, etwa was die Prävention angeht. Der Schutz vor Erdbeben ist eigentlich Sache der Kantone. Mit einem neuen Verfassungsartikel will der Bund Vorschriften erlassen, etwa zu Bauten zum Schutz von Menschen und Sachwerten im Fall eines Erdbebens.
Die Vernehmlassung zur geplanten Verfassungsänderung dauert bis zum 22. März 2024. Mit der Formulierung der Ausführungsbestimmungen auf Gesetzesebene will der Bundesrat noch zuwarten. Er will laut eigenen Angaben erst das Ergebnis der Vernehmlassung und der Parlamentsdebatte sowie einer Volksabstimmung zur Verfassungsänderung abwarten. (awp/mc/pg)