Chinesische Unternehmen in den Bereichen Online-Recruiting, Einkaufszentren und Hotelketten favorisiert
Von Wenli Zheng, Portfoliomanager für China Evolution Equity Strategy bei T. Rowe Price
Die Sitzung des Politbüros am 26. September markierte einen deutlichen Wandel in Chinas politischen Prioritäten. Seit 2021 standen Schuldenabbau und Sparmassnahmen an erster Stelle der Agenda. Angesichts der schwächelnden Nachfrage und der sich verlangsamenden Wirtschaft ist es nun jedoch dringend erforderlich, das Wachstum zu fördern. Wir sind der Meinung, dass die starke Rhetorik des Politbüros in Bezug auf die Wirtschaft, die Aufforderung zur Umkehr des Immobilienverfalls und die anschliessende expansive Politik einen Wendepunkt in der Politik darstellen.
Überzeugende Chancen auf Chinas tiefem Aktienmarkt
Nach der Ankündigung der PBOC am 24. September stieg der MSCI China Index um über 30 %, bevor er nach der Wiedereröffnung des Marktes am 8. Oktober nach dem einwöchigen chinesischen Nationalfeiertag um 10 % zurückging. Wir sind der Meinung, dass der Markt derzeit in erster Linie von der Stimmung und den politischen Erwartungen abhängt, wobei eine wirtschaftliche Verbesserung und eine Trendwende bei den Unternehmensgewinnen wahrscheinlich noch 2-3 Quartale auf sich warten lassen. Trotz der kurzfristigen Volatilität sehen wir einen potenziell verbesserten Ausblick und attraktive Bewertungen und bleiben für chinesische Aktien in den nächsten 2-3 Jahren konstruktiv. Trotz der jüngsten Erholung liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI China nach wie vor bei einem Abschlag von 20 % gegenüber den Märkten der Schwellenländer (ohne China) . Wir gehen davon aus, dass die Fundamentaldaten der Unternehmen in Zukunft die wichtigsten Performancefaktoren sein werden.
Aus einer Bottom-up-Perspektive suchen wir nach überzeugenden Anlagemöglichkeiten in Chinas tiefem, liquiden Aktienmarkt. Nach dreieinhalb Jahren des Marktabschwungs und der Underperformance von Wachstumswerten werden ausgewählte hochwertige Wachstumswerte in China zu einem attraktiven Preis gehandelt. Wir favorisieren weiterhin Online-Recruiting, Einkaufszentren und Hotelketten. Wir glauben, dass diese skalierbaren Unternehmen in den nächsten Jahren ein hohes Gewinnwachstum erwarten lassen und von den sich verbessernden makroökonomischen Aussichten profitieren werden. Industriegeschäfte mit starker Wettbewerbsfähigkeit und günstigen Branchenzyklen, wie z. B. Schienenausrüstung, Stromnetzausbau, Schiffbau und Baumaschinen, bieten ebenfalls Chancen. Wir gehen davon aus, dass diese Geschäftsbereiche in den kommenden Quartalen ihr Gewinnwachstum beschleunigen und ihre Renditen verbessern werden.
Wenn Unternehmen in bestimmten Branchen reifen und in das «Erntestadium» eintreten, generieren sie zudem in hohem Masse Cashflow und bieten damit zunehmende Möglichkeiten für steigende Aktionärsrenditen. Wir suchen chinesische Unternehmen, die einen steigenden Cashflow, eine disziplinierte Kapitalallokation und eine aktionärsfreundliche Einstellung vereinen. Wir haben diese Kombination bei Telekommunikationstürmen, Outdoor-Medien und Lieferunternehmen gefunden.
Chinas Wirtschaftspolitik ist an einem Wendepunkt angelangt, an dem sie vom Schuldenabbau zur Wachstumsförderung übergeht. Eine verstärkte Unterstützung durch die Politik könnte die Wirtschaft stabilisieren, indem die Probleme im Zusammenhang mit Immobilien und lokaler Verschuldung wirksam angegangen werden. Wir glauben, dass der Übergang zum Konsum und zur industriellen Modernisierung die nächste Phase des chinesischen Wirtschaftswachstums vorantreiben wird. Trotz der kurzfristigen Volatilität sind wir bestrebt, überzeugende Chancen in chinesischen Aktien zu finden und ein ausgewogenes Portfolio aufzubauen, das in den kommenden Jahren vom wirtschaftlichen Wandel in China profitieren wird.
Chinas langfristiger wirtschaftlicher Wandel bleibt intakt
Während die kurzfristige Politik die unmittelbaren Herausforderungen angeht, braucht China neue Antriebskräfte, um mittel- bis langfristig ein hochwertiges Wachstum zu erzielen. Wir erwarten eine allmähliche Abkehr vom traditionellen, auf Anlageinvestitionen basierenden Wachstum.
Historisch gesehen folgte auf jeden der vier wirtschaftlichen Abschwünge Chinas in den letzten drei Jahrzehnten das Aufkommen eines neuen Wachstumstreibers. Wir gehen davon aus, dass der Konsum und die industrielle Modernisierung Chinas nächste Wachstumsphase antreiben werden.
Derzeit liegt der private Konsum in China unter 40 % des BIP (Bruttoinlandsprodukts) und damit deutlich tiefer als in den meisten grossen Volkswirtschaften. Dies könnte sich jedoch ändern, da sich die Agenda der Regierung von der «harten Infrastruktur» auf die «weiche Infrastruktur» verlagert, einschliesslich der neuen Urbanisierung, des sozialen Sicherheitsnetzes, der Bildung, der Gesundheitsversorgung und der Kinderbetreuung. Diese Trends dürften den Konsum in den kommenden Jahren ankurbeln.
Technologie und industrielle Modernisierung sind ein weiterer wichtiger Faktor, sowohl im Inland als auch weltweit. Auf China entfallen bereits über 30 % der weltweiten Produktion. Der künftige Schwerpunkt liegt eher auf der Steigerung der Wertschöpfung als auf der Erhöhung des reinen Volumens, was sich in Chinas sich veränderndem Exportmix widerspiegelt. Chinas Handel mit verarbeitenden Erzeugnissen ist in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, während sich der normale Handel, der eine viel höhere Wertschöpfung aufweist, in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt hat.