Christian Gschwend, Gründer WYT, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Gschwend, mit Ihrem Startup WYT wollen Sie aus alter Kleidung neue herstellen. Konkret recyceln Sie weisse T-Shirts. Wieso gerade weisse T-Shirts?
Christian Gschwend: Das weisse T-Shirt ist zeitlos, es ist unisex und gehört zu den absoluten Basics im Kleiderschrank. Zudem wird es oft getragen und ist daher schneller abgenutzt. Deshalb haben wir mit dem weissen Shirt begonnen. Inzwischen haben wir auch weitere Produkte im Fokus. Unser Kriterium bei allen unseren Kleidungsstücken ist: Sie bestehen aus recycelten Materialien und nach müssen nach Gebrauch wieder recycelt werden können.
Ich kaufe also bei WYT ein weisses T-Shirt und wenn ich denke, es sei jetzt an der Zeit für ein neues, sende ich es WYT zurück. Was passiert dann?
Genau, wenn das T-Shirt ausgetragen ist, bestellen Sie bei uns ein neues. Auf dieses erhalten Sie dann einen Rabatt. Sobald das neue T-Shirt bei Ihnen eintrifft, senden Sie ihr altes in derselben wiederverwendbaren Verpackung an uns zurück. Wir sammeln alle Retouren und senden sie an unseren Produzenten. Dort werden sie geschreddert und zu neuem Garn – zusammen mit 50 Prozent neuer Bio-Baumwolle – verarbeitet.
Wieso werden die gebrauchten Shirts nicht hierzulande, sondern in Portugal recycelt?
In Portugal ist die nachhaltige Textilproduktion bereits fortgeschritten. Zudem haben wir einen guten Partner vor Ort, der seine Fabrik mit erneuerbaren Energien betreibt. Und da wir unsere Produkte nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa vertreiben, war die Schweiz als Produktionsstandort kein grosses Thema. Designt werden unsere Produkte aber hierzulande.
«Unser Kriterium bei allen unseren Kleidungsstücken ist: Sie bestehen aus recycelten Materialien und müssen nach Gebrauch wieder recycelt werden können.»
Christian Gschwend, Gründer WYT
Weshalb besteht das T-Shirt nicht zu 100 Prozent aus recycelter Baumwolle?
Ein Garn oder einen Stoff aus 100 Prozent recycelter Baumwolle herzustellen, das geht nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn durch jeden Recyclingprozess verkürzt sich die Baumwollfaser. So wird das Garn wird instabiler und fällt auseinander. Die 50 Prozent Bio-Baumwolle dienen hier als Träger. Dank diesem Verfahren können wir sicherstellen, dass der Stoff qualitativ top ist.
Welche Bedingungen müssen betreffend Material und Qualität oder Logistik erfüllt sein, damit Kleiderrecycling auch wirklich sinnvoll ist?
Verschiedene Materialien können recycelt werden. Produkte, welche zu 100 Prozent aus einer Faser und nicht aus einem Material-Mix bestehen, eignen sich am besten. Alle Kleider werden farblich getrennt. So kann aus diesen dann eine Palette von Standardfarben produziert werden.
Es braucht grosse Mengen, damit Kleiderrecycling wirtschaftlich betrieben werden kann. Wie wollen Sie diese erreichen?
Unser Partner beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Wiederverwendung gebrauchter Textilien. Aber ja, es stimmt: Zurzeit ist es noch schwierig, geringe Mengen an Textilien zu beziehen und zu recyceln. Wir sind aber überzeugt, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird. Gerne teilen wir unser gesammeltes Know-how, um diese Bewegung aktiv zu beschleunigen.
«Zurzeit ist es noch schwierig, geringe Mengen an Textilien zu beziehen und zu recyceln. Wir sind aber überzeugt, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird.»
Sind die weissen T-Shirts also erst der Anfang?
Genau, wir werden Basics anbieten, welche von Frau und Mann getragen werden können: Das sind etwa Sweatshirts, Shorts, Unterhosen, Socken und Knitwear.
Die Bekleidungsindustrie ist in vielen Segmenten mit der Fast Fashion-Produktion zu einer Wegwerfindustrie geworden, verursacht enorme Mengen an Kohlenstoffemissionen und ist wegen schlechter Arbeitsbedingungen immer wieder in den Schlagzeilen. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation und die weitere Entwicklung ein?
Laut einer Studie der MacArthur Foundation ist die Textilbranche aktuell für zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Im Schnitt werden in der Schweiz pro Kopf 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr gekauft – davon werden 40 Prozent lediglich 2 bis 4 Mal getragen. Bis 2050 könnte die Textilindustrie sogar für rund 26 Prozent der CO2- Emissionen verantwortlich sein. Dies gilt es in jedem Fall zu verhindern. Unsere T-Shirts stossen im vergleich zu herkömmlichen T-Shirts über 60% weniger Co2 aus und verbrauchen rund 90% weniger Wasser.
Hat die Kreislaufwirtschaft, wie Sie sie mit WYT betreiben, das Potenzial, sich gegen das ökonomische Paradigma von «mehr, schneller, grösser» zu behaupten?
Davon bin ich überzeugt. Gerade aufgrund der vergangenen und aktuellen Geschehnisse wird der Mensch zum Umdenken gezwungen. Ich kann die Zukunft (leider) nicht voraussehen, jedoch bin ich mir sicher, dass wir um eine Veränderung in unserem Konsumverhalten nicht herumkommen. – Ich sehe daher durchaus Potential in der Kreislaufwirtschaft.
Herr Gschwend, besten Dank für das Interview.