von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Erni, Optimismus und Glaube an die Möglichkeit des eigenen Erfolgs gehören zu den wichtigen Anforderungen an Startup-Unternehmer. Welche Faktoren unterstützten diesen Optimismus und Glauben, als Sie mit Juice Technology 2014 ein Unternehmen für hochwertige Ladestationen für Elektroautos gründeten?
Christoph Erni: Vor allem die Sicherheit, dass nicht nur ich vor der Herausforderung stand, wo und wie ich mein Elektroauto bestmöglich lade. 2013 wurde mein Tesla Model S nach drei Jahren Wartezeit geliefert. Nun hatte ich zwar das Auto, doch allgemeines Know-how und sinnvolle Ladelösungen gab es bis dahin noch nicht. Also habe ich mich vor meinen PC gesetzt und stieg tiefer in die Recherche ein als ursprünglich erwartet. Damit sich nicht jeder neugeborene Elektroautofahrer wochenlang durch die Thematik googlen musste, habe ich eine erste Übersicht zu Steckern und Strom erstellt und in einem Forum geteilt. Obwohl ich diese Steckersets überhaupt nicht zum Verkauf angeboten hatte, fand ich innerhalb weniger Stunden einige Bestellungsanfragen für Stecker- und Kabelsets in meinem Posteingang. So entstand dann auch die Info-Plattform e-driver.net mit integriertem Onlineshop. Doch die Ladefrage war hier immer noch nicht geklärt.
Wie ging es weiter?
Es gab keine vernünftigen Möglichkeiten, wie ich meinen Tesla schnell, sicher und vor allem einfach, überall sowie zu jeder Zeit laden konnte. Es gab keine Adapter für länderspezifische Steckdosen, keine handlichen Ladestationen und vor allem nichts, das man mobil und flexibel einsetzen konnte. Strom gibt es überall, doch die Quelle musste man erst einmal nutzbar machen. Also gründete ich mangels qualitativ hochwertiger und flexibler Ladestationen ein eigenes Unternehmen, die Juice Technology AG. Der Schritt hat sich gelohnt und meine Idee wurde bestätigt: Bereits im ersten Jahr haben wir es mit unserem Juice Booster 1 auf die Position des Weltmarktführers bei mobilen 22-kW-Ladestationen geschafft und halten diese seither.
Sie waren über 50, als Sie Juice Technology starteten – also nicht gerade im klassischen «Startup-Alter». Gab es eine Initialzündung, das Wagnis einzugehen, ein Unternehmen zu gründen und auch das Startkapital selber aufzubringen?
Um ehrlich zu sein, verging zwischen der Idee und dem Start nur eine Nacht. Was es heisst, ein Unternehmen zu gründen, wusste ich. Die Juice Technology AG ist nicht meine erste Firma. Vor rund 20 Jahren rief ich die Erni Associates AG für Management Consulting und Coaching ins Leben. Weitere Startups, unter anderem in Software, habe ich selbst gegründet und auch beraten. Was bei Juice allerdings neu war, war der Unternehmenszweck. Ich war zuvor nie im Herstellergeschäft tätig und das ist einfach etwas ganz anderes als das Anbieten von Dienstleistungen. Dennoch habe ich den Schritt gewagt. Man spürt einfach, ob eine Idee, ein Weg oder eine Entscheidung richtig ist. Ich war zwar nicht im typischen Startup-Alter, doch das war in meinem Fall kein Nachteil. Alle Erfahrungen, die ich mit meiner bisherigen Karriere machen konnte, kamen mir jetzt zugute. So konnte ich viele Hürden umgehen und die Herausforderungen sportlich nehmen.
«Man spürt einfach, ob eine Idee, ein Weg oder eine Entscheidung richtig ist.»
Christoph Erni, CEO Juice Technology
2015 war Juice Technology bereits Weltmarktführerin bei mobilen 22-kW-Ladestationen. Seither wurde das Portfolio stetig ausgebaut und auf aktuelle Gegebenheiten angepasst. Was stand damals wie heute bei der Produktentwicklung im Vordergrund?
Unser Credo lautet seit Beginn «einfach laden». Alle Produkte und Lösungen, die wir bei Juice anbieten, werden stets nach dem Plug-and-Play-Prinzip entwickelt. Konsumenten müssen kein Elektrotechnikstudium absolviert haben, um unsere Ladelösungen nutzen zu können. Sie sollen beim Ladevorgang nichts von der komplexen Technologie und verwendeten Software mitbekommen – der Elektrofahrspass soll schliesslich nicht beim Laden aufhören. Sowohl unsere Ladestationen, Steuerungs-, Auswertungs- und Bezahlsysteme als auch unser Last- und Lademanagement sind einfach und intuitiv zu bedienen und das natürlich immer auf höchstem Sicherheitsniveau.
Sind auch Stil und Design Teile des Erfolgs Ihrer Produkte?
Ja, definitiv. Unsere Produkte sind so gestaltet, dass sie sich problemlos in jede architektonische Umgebung einfügen und kein Fremdkörper sind, die das Bild stören. Designer der Automobilbranche oder auch Architekten machen sich schliesslich viele Gedanken darüber, wie die Objekte aussehen sollen, damit sie nicht nur praktisch sind, sondern auch eine ansprechende Ästhetik bieten. Warum sollten wir bei den Ladestationen damit aufhören? Insbesondere dann, wenn unsere Lösungen Teil dieser Ästhetik sein sollen und direkt mit den Autos ausgeliefert werden. Dabei achten wir stets darauf, dass wir unsere Produkte nicht «verdesignen», was womöglich die Nutzung eher erschweren würde. Walter Gropius gründete 1919 das Bauhaus und führte hier Kunst und Handwerk zusammen. Klare Linien, moderne Architektur und Funktionalismus werden oftmals als Attribute dieses Designstils genannt. Und daran haben wir uns orientiert.
«Unsere Produkte sind so gestaltet, dass sie sich problemlos in jede architektonische Umgebung einfügen und kein Fremdkörper sind, die das Bild stören.»
Die mobile Ladestation Juice Booster 1 war das erste Produkt und die Basis des heutigen Erfolgs, später folgte der Juice Booster 2, der wichtigste Umsatzträger des Unternehmens. Was sind die grössten Vorzüge des Juice Boosters?
Mit dem Juice Booster 2 ist es möglich, weltweit jederzeit, unabhängig vom Stromanschluss, schnellstmöglich, automatisch richtig und maximal sicher zu laden. Die mobile 22-kW-Ladestation ist kompatibel mit allen Elektroautos, die einen Typ-2-, Typ-1- oder GB-Anschluss haben. Dank der umfassenden Adapterauswahl können E-Autofahrer an allen üblichen Haushalts- und Industriesteckdosen laden. Der integrierte Juice Connector erkennt automatisch, welcher Adapter angeschlossen wird und das Gerät stellt dann selbständig die richtige Ladeleistung ein. Grundsätzlich kann über den Booster dreiphasig mit bis zu 32 Ampère geladen werden – also alles was unser Stromnetz hergibt. Zudem ist im Booster eine Gleich- und Wechselstrom-Fehlererkennung integriert, was die Installation eines kostspieligen FI B im Haus überflüssig macht. Nutzer können so bis zu 1000 Franken sparen und haben damit das Gerät direkt bezahlt. Ebenfalls nicht zu vergessen: Der Juice Booster 2 ist als eines der ganz wenigen Geräte auf dem Markt wirklich CE-normkonform. Das wasserdichte, allwettertaugliche Gehäuse ist mit einer Radlast von bis zu drei Tonnen überfahrsicher.
Etwa die Hälfte der Elektroautos auf unseren Strassen sind mit einem einphasigen On-Board-Lader ausgestattet. Weshalb nur einphasig, wenn doch eigentlich in der Regel drei Phasen zur Verfügung stehen?
Der Grund ist einfach: Die Ausstattung der Elektroautos mit einem einphasigen On-Board-Lader ist für den Hersteller günstiger als der Einbau von zwei- oder dreiphasigen Lösungen. Den Konsumenten kostet das allerdings wiederum viel Zeit.
Was ermöglicht nun der von Juice Technology entwickelte Phaser?
Der Juice Phaser ermöglicht es E-Autobesitzern die Ladedauer ihrer einphasig ladendenden Elektroautos fast zu halbieren. Obwohl unser Netz, wie von Ihnen angesprochen, dreiphasig und vielerorts auf eine Leistung von 32 Ampère pro Phase ausgelegt ist, können E-Autos mit einem einphasigen On-Board-Lader in den meisten europäischen Ländern über eine Phase maximal 16, beziehungsweise in Deutschland aktuell noch 20 Ampère laden. Das liegt an der maximal erlaubten Schieflast. Unter Schieflast wird die ungleichmässige Belastung einzelner Phasen des Stromnetzes bezeichnet.
Damit hier keine grösseren Diskrepanzen entstehen und Störungen auftreten, schreiben die Energieunternehmen einen maximal zulässigen Wert vor. Wird für den Ladevorgang der Juice Booster 2 nun aber an den Phaser angeschlossen kann das Problem umgangen werden. Der Phaser zieht über zwei Phasen etwas weniger als 16 Ampère, bündelt diese dann auf eine Phase und ermöglicht dadurch eine Ladung des Autos mit 25 Ampère. Das verringert die Ladezeit um fast die Hälfte und selbst einphasig ladende Autos werden damit vorschriftskonform über Nacht voll.
Wie eng ist Ihr Kontakt zu den Autoherstellern, wenn es um Ladeinfrastruktur oder Standards geht?
Wir haben als Ladestationshersteller das Privileg, den Markt aktiv mitzugestalten. Grosse Autohersteller und deren Betriebswerkstätten nutzen unsere Ladelösungen zum einen, um ihre Elektroautos weltweit unter garstigsten Bedingungen zu testen und natürlich zu laden. Zum anderen gibt es Partnerschaften, bei denen beispielsweise unser Juice Booster 2 standardmässig den Elektroautos beigelegt wird. Wir sind eng mit den Autoherstellern verbunden und schaffen hier gemeinsam die bestmögliche Ausgangssituation für den Endverbraucher. Ausserdem sind wir Mitglied in weltweiten Normierungsgremien, wo wir Hand in Hand mit den Automobilherstellern daran arbeiten, das Laden noch sicherer zu machen.
Geht es dabei hauptsächlich um Pkw oder auch um Nutzfahrzeuge?
Sowohl als auch. Und wir beliefern auch Hersteller von E-Booten und E-Flugzeugen. Wobei der mengenmässige Fokus schon deutlich auf den PWs liegt.
«Wir haben als Ladestationshersteller das Privileg, den Markt aktiv mitzugestalten.»
Der frisch gekürte Nobelpreisträger für Chemie, Akira Yoshino, geht davon aus, dass mit neuen Akkus die Ladezeit für Elektroautos auf fünf Minuten sinken kann. Welche Bedeutung hat die Ladegeschwindigkeit generell bei der Entwicklung Ihrer Produkte?
Unsere Produkte sollen eine einfache, sichere und vor allem schnelle Ladung ermöglichen. Es bringt niemandem etwas, wenn er zwar ein sicheres Produkt hat, das er leicht bedienen kann, die Ladung allerdings 15 Stunden dauert. Schnelles Laden bedeutet nämlich nicht nur, dass der Autoakku schnell wieder voll ist. Es bedeutet vor allem Flexibilität für den Nutzer. Und die hat für uns oberste Priorität. Sei es beim Einsatz unseres Juice Booster 2, der immer das maximal Mögliche aus dem vorhanden Stromanschluss herausholt, unserem Juice Phaser, der die Ladegeschwindigkeit fast verdoppelt oder bei unseren festen Ladesäulen mit individuell anpassbaren Abrechnungs-, Auswertungs- oder Freischaltungsmöglichkeiten.
In China wurden 2018 fast 1,3 Millionen Elektroautos verkauft. Juice Technology ist bereits seit drei Jahren Joint-Strategy-Partner E-Mobility für Europa des chinesischen Grosskonzerns AVIC Jonhon. Wie hat sich die Zusammenarbeit entwickelt?
Im Rahmen der Entwicklung unseres Juice Booster 2 waren damals wir über ein Jahr in ganz Europa auf der Suche nach einem passenden Hersteller für unseren eigenen, leistungsfähigen und robusten Adapter-Anschlusstecker. Was wir fanden war aber entweder massiv zu teuer oder die Entwicklung hätte viel zu lange gedauert. Und dann trafen wir auf Jonhon. Sie besuchten uns in der Schweiz. Nach einer detaillierten ganztätigen Spezifikationssitzung wollten sie abends um 20 Uhr ihre Kollegen in China anrufen, um die Konstruktionsaufträge durchzugeben. Ich wandte ein, dass das kaum gehe, denn in China sei ja jetzt mitten in der Nacht. Ohne mit der Wimper zu zucken meinte deren Verkaufsleiter: „Klar, ich weiss. Ich habe sie angewiesen im Büro auf den Auftrag zu warten und dann sofort mit der Arbeit loszulegen.“ Mittlerweile sind wir deren grösster E-Mobility-Partner ausserhalb Chinas. Die Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitiger Wertschätzung und mittlerweile freundschaftlichem Vertrauen.
Juice Technology ist in den letzten fünf Jahren stark gewachsen. Der Jahresumsatz verdreifacht sich jährlich, Ihre Produkte werden in die ganze Welt exportiert. Geht es in diesem Stil weiter?
Davon bin ich überzeugt. Eine grosse Stärke der Juice Technology AG ist die Nähe zum Markt und der enge Kontakt zu unseren Kunden und Partnern. Wir sitzen direkt am Puls der Zeit und haben durch den engen Austausch einen guten Einblick in die Bedürfnisse, die bestehen und entstehen werden. Das berücksichtigen wir laufend proaktiv bei unseren Entwicklungen. Unsere Produkte sind einfach intelligenter, zukunftssicherer und damit nachhaltiger als die anderen auf dem Markt – und das bei gleichen Preisen. Des Weiteren wird der Markt nochmals einen grossen Schub bekommen, sobald die OEMs demnächst ihr Portfolio an Elektroautos weiter ausbauen. Dann benötigen zahllose neue E-Autofahrer nebst mobilen Ladelösungen auch in den Liegenschaften clever gemanagte, updatebare und qualitativ hochwertige Ladestationen, die wir heute schon bieten können. Die Mobilität steht direkt vor dem Umbruch. Wir sind bereit und freuen uns auf diese Entwicklung.
Herr Erni, ganz herzlichen Dank für das Interview.