Chronischer Schlafmangel erhöht die Risikobereitschaft

Chronischer Schlafmangel erhöht die Risikobereitschaft

Zürich – Schläfrigkeit, verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit – immer mehr Menschen leiden an den Folgen chronischen Schlafmangels. Nun zeigen Forschende der Universität Zürich eine weitere Konsequenz: Betroffene verhalten sich risikoreicher, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Wissenschaftler plädieren dafür, ausreichend zu schlafen.

Junge Erwachsene haben ein natürliches Schlafbedürfnis von durchschnittlich rund 9 Stunden pro Tag, bei älteren Erwachsenen sind es um die 7,5 Stunden. Viele Menschen in westlichen Gesellschaften schlafen jedoch deutlich weniger lang. Studien zufolge berichtet rund ein Drittel der Befragten aus mehreren Industrieländern über zu kurze Schlafzeiten. Schlafen etwa junge Erwachsene weniger als 8 Stunden pro Nacht, führt dies vermehrt zu Aufmerksamkeitsdefiziten, was erhebliche negative Konsequenzen nach sich ziehen kann. In Schlafkliniken finden sich zunehmend mehr gesunde Menschen, die an den negativen Folgen von zu wenig Schlaf leiden.

Zu wenig Schlaf führt zu risikoreicheren Entscheidungen
Forschende der Universität Zürich und des Universitätsspitals Zürich haben nun eine weitere kritische Konsequenz von chronischem Schlafmangel identifiziert: eine erhöhte Risikobereitschaft. Die Schlaf- und Neuroökonomie-Wissenschaftler untersuchten das Risikoverhalten von 14 gesunden männlichen Studenten im Alter von 18 bis 28 Jahren. Schliefen die Studenten eine Woche lang nur 5 Stunden pro Nacht, zeigten sie ein klar risikoreicheres Verhalten im Vergleich zu einer normalen Schlafdauer von etwa 8 Stunden. Zwei Mal täglich mussten sie sich entscheiden, entweder einen kleineren Geldbetrag auf sicher zu erhalten oder eine grössere Geldmenge mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit. Je risikoreicher ihre Entscheidung, desto höher war die mögliche Gewinnsumme – aber auch das Risiko, leer auszugehen.

Riskanteres Handeln bleibt unbemerkt
Während eine einzelne Nacht ohne Schlaf keinen Einfluss auf die Risikobereitschaft hatte, verhielten sich 11 von 14 Studienteilnehmern während einer Woche mit reduzierter Schlafdauer signifikant risikoreicher. Bedenklich ist insbesondere ein weiterer Befund: Die Studenten schätzten ihr Risikoverhalten gleich ein wie unter regulären Schlafbedingungen. «Wir bemerken selbst also nicht, dass wir unter Schlafmangel riskanter handeln», betont Christian Baumann, Professor für Neurologie und Leiter des Klinischen Forschungsschwerpunkts «Sleep and Health» der UZH. Gemäss den Studienautoren sollten wir alle daher eine genügende Schlafdauer anstreben – speziell Führungspersonen in Politik und Wirtschaft, die täglich weitreichende Entscheidungen zu treffen haben. «Erfreulich ist», so Baumann, «dass in der leistungsorientierten Managerwelt genügend Schlaf zunehmend als erstrebenswert gilt.»

Fehlende Erholung in wichtigen Hirnregionen
Die Forschenden weisen zudem erstmals nach, dass eine niedrige Schlaftiefe im rechten präfrontalen Kortex direkt mit vermehrtem Risikoverhalten zusammenhängt. Dieses Gebiet der Hirnrinde wurde schon früher mit Risikoverhalten assoziiert. «Wir nehmen an, dass Verhaltensänderungen gewissermassen anatomisch-funktionell begründet auftreten, indem sich der rechte präfrontale Kortex bei chronischem Schlafmangel ungenügend erholen kann», folgert Baumann. (Universität Zürich/mc/ps)

Literatur:
Angelina Maric, Eszter Montvai, Esther Werth, Matthias Storz, Janina Leemann, Sebastian Weissengruber, Christian C. Ruff, Reto Huber, Rositsa Poryazova, Christian R. Baumann. Insufficient sleep: Enhanced risk-seeking relates to low local sleep intensity. Annals of Neurology. 21 August 2017. DOI: 10.1002/ana.25023

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