Die Folgen der menschgemachten CO2-Emissionen verändern die Ozeane irreversibel. (Foto: pg)
Bern – Die Ozeane fangen einen grossen Teil der menschengemachten Erwärmung der Atmosphäre auf – mit weitreichenden Folgen für die physikalische und chemische Zusammensetzung der Weltmeere sowie der Ökosysteme, welche sie beherbergen. Eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung hat nun untersucht, welche Risiken zwei verschiedene CO2-Emissionsszenarien für die maritimen Ökosysteme und deren Leistungen für den Menschen mit sich bringen.
Der vom Menschen verursachte Ausstoss von CO2 (Kohlendioxid) führt zu einer rasanten Erwärmung der Erde, aber auch zu tiefgreifenden Veränderungen der Ozeane. Die Weltmeere haben seit 1850, dem Beginn der Industrialisierung, 28 Prozent des vom Menschen freigesetzten CO2 aufgenommen.
Verschiedene Ursachen für den Anstieg des Meeresspiegels
CO2 reagiert mit Wasser und wird zu Kohlensäure. Die Folge: der Säuregehalt der Ozeane steigt. «Die Ozeane bremsen den CO2-Anstieg und die Erwärmung der Atmosphäre – zum Preis ihrer eigenen Erwärmung und Versauerung», sagt der Berner Klimatologe Fortunat Joos vom Oeschger Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern. Kommt hinzu: die Erwärmung mindert den Sauerstoffgehalt im Ozean. Ein weiterer Effekt ist die Ausdehnung des Meerwassers durch die steigende Temperatur. Dies verursacht, zusammen mit dem Schmelzwasser von Eiskappen und Gletschern, den seit Jahren beobachteten Meeresspiegelanstieg.
Zahlreiche Studien belegen bereits die Auswirkungen auf wichtige marine und küstennahe Organismen, Ökosysteme und Leistungen, die diese für den Menschen erbringen. In einer Synthesestudie wurden diese Veränderungen von einer internationalen Forschergruppe analysiert und für zwei CO2-Emissonsszenarien ausgewertet. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal «Science» publiziert.
Die Synthesestudie der «Oceans 2015 Initiative» – einer internationalen Gruppe von Klimaexpertinnen und -experten, der auch Fortunat Joos angehört – wertet die Forschungsarbeiten der letzten Jahre zu vier Unterthemen aus: physikalische und chemische Veränderung der Ozeane, deren Auswirkungen auf biologische Prozesse und Ökosysteme, Auswirkungen auf Ökosystem-Dienstleistungen und menschliche Aktivitäten wie den Fischfang sowie die uns zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen, um diese Veränderungen und deren Folgen zu begrenzen.
Zwei Szenarien
Als Ausgangslage für ihre Arbeit nahmen die Forschenden zwei verschiedene CO2-Emmissionsszenarien: Eine Begrenzung der CO2-Emissionen und damit des Temperaturanstiegs auf 2 Grad Celsius bis ins Jahr 2100, wie ihn die sogenannte Kopenhagener Vereinbarung von 2009 vorsieht, sowie das «Business-as-usual»-Szenario mit einem weiter wachsenden CO2-Austoss, dem wir derzeit folgen.
Bereits ersteres würde Warmwasser-Korallen und Muscheln mit ihren Kalkschalen gefährden. «Das Risiko für andere negative Folgen wäre noch moderat, wenn wir die CO2-Emissionen schnell drosseln», erläutert Fortunat Joos.
Schadensbegrenzung nicht überall möglich
Fortgesetzte CO2-Emissionen, wie sie das «Business-as-usual»-Szenario mit sich bringt, hätten deutlich schwerwiegendere Folgen: Fast alle Organismen, welche das «Oceans 2015 Initiative»-Team untersucht hat, wären hohen Risiken ausgesetzt. Als Folge davon sind Ökosystem-Leistungen für den Menschen wie der Schutz vor Küstenerosion – etwa durch Korallen oder Mangroven – gefährdet, ebenso wie kommerzieller Fischfang, Muschelzucht oder Tourismus.
Zwar gibt es Ansätze zur Bewältigung der Folgen – in der kommerziellen Muschelzucht etwa kann das Wasser behandelt werden. Die Studie zeigt aber auf, dass Massnahmen schwieriger werden oder immer weniger bewirken, je mehr sich die Menschheit vom 2-Grad-Ziel entfernt.
«Kein Land ist sicher vor den Folgen dieser Phänomene», sagt Studien-Co-Autor Alexandre Magnan vom Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) in Paris. «Das ist ein Problem von globaler Tragweite, welches über den traditionellen Nord-Süd-Graben hinausgeht.»
Irreversible Schäden
Die Folgen der menschgemachten CO2-Emissionen verändern die Ozeane irreversibel, betont Joos: «Diese Veränderungen bedrohen Ökosysteme, die Wirtschaft und den Lebensraum von Millionen von Menschen.» Laut den Forschenden haben bisherige internationale Verhandlungen zu Klimaabkommen diese bislang zu wenig berücksichtigt.
Angesichts der beiden kontrastierenden Entwicklungen, welche die Studie aufzeigt, liefere die Veränderung der Ozeane überzeugende Argumente für eine rasche, rigorose und ehrgeizige Reduktion des CO2-Ausstosses, so das Fazit der Studie. Jedes neue Klimaabkommen, welches die Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltmeere nicht abmildere, wäre demnach unvollständig und inadäquat. (Universität Bern/mc/pg)