COP28: Staaten warnen bei Klimagipfel vor Zerstörung
Dubai – Ständig sorgt die Klimakrise in vielen Teilen der Welt für Zerstörung – doch selten steht sie so im Rampenlicht wie an jenen Tagen im Jahr, wenn die Weltspitze zum Krisentreffen anreist. UN-Generalsekretär Antonio Guterres bescheinigte dem Planeten auf der Weltklimakonferenz in Dubai eine schwere Krankheit. «Eine Krankheit, die nur Sie, die Führer der Welt, heilen können», wie er am Freitag den Dutzenden Staats- und Regierungschefs zurief. Kanzler Olaf Scholz (SPD) brachte eine hauseigene Medizin mit nach Dubai: seinen Klimaclub, mit dem er einen Beitrag zur Klimawende in der Industrie leisten will.
Mit Blick darauf, dass das Jahr 2023 wohl Negativrekorde in Sachen Klima aufstellen wird, sagte der ebenfalls eingeflogene britische König Charles III.: «Rekorde werden mittlerweile so häufig gebrochen, dass wir womöglich immun werden dagegen, was sie uns eigentlich sagen.» Charles gilt seit Jahrzehnten als Vorreiter beim Klimaschutz. «Wir führen ein riesiges, beängstigendes Experiment durch, bei dem wir jeden ökologischen Zustand auf einmal verändern, und zwar in einem Tempo, das die Fähigkeit der Natur, damit umzugehen, bei weitem übersteigt.» Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva schloss sich an: «Wir haben nicht zwei Planeten Erde.»
Rezepte gegen die Krankheit
Da die Industrie massgeblich zum Problem beiträgt, hat der Bundeskanzler den von ihm ins Leben gerufenen Klimaclub mit inzwischen 36 Staaten für voll arbeitsfähig erklärt – eineinhalb Jahre nach seiner Gründung. «Jetzt kann es losgehen!», sagte Scholz in Dubai. Das gemeinsame Ziel sei es, industrielle Prozesse treibhausneutral umzubauen und das Wirtschaftswachstum von klimaschädlichen Emissionen zu entkoppeln.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verschreibt ein weiteres Rezept: Sie machte sich in Dubai dafür stark, klimaschädliche Treibhausgase dadurch zu reduzieren, dass man ihren Ausstoss verteuert. «Wir alle wissen: Wenn wir die globale Erwärmung unter 1,5 Grad halten wollen, müssen wir die globalen Emissionen senken.» Die CO2-Bepreisung sei dabei eines der mächtigsten Werkzeuge. Starke Umweltverschmutzer müssten dabei einen fairen Preis zahlen und die Einnahmen könnten in den Kampf gegen den Klimawandel reinvestiert werden. «Lassen Sie uns daran arbeiten, einen Preis für alle CO2-Emissionen auf der Welt festzulegen», forderte von der Leyen.
Klimafolgen schon heute fatal
Schon heute – bei rund 1,1 Grad Erderwärmung – sind die Folgen drastisch: Das Horn von Afrika befinde sich aktuell in einer ernsthaften Klimakrise, sagte Kenias Präsident William Ruto. In der Region sind auf die schwerste Dürre seit 40 Jahren katastrophale Überschwemmungen gefolgt. «Dürren sind in Afrika heute hundertmal wahrscheinlicher als im vorindustriellen Zeitalter», sagte Ruto. Die Welt brauche eine kollektive Antwort mit ehrgeizigen Zielen. «Die Spaltung zwischen dem globalen Norden und Süden ist kontraproduktiv.»
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa forderte mehr Unterstützung für Entwicklungsländer. «Es bedarf innovativer Finanzinstrumente, um sicherzustellen, dass die Schulden von Ländern, die heute schon Schwierigkeiten haben, ihre Schuldenzahlungen zu bedienen, nicht weiter ansteigen», sagte er.
Viele Staaten, ein Problem
Dass das Klima alle betrifft, wird in Dubai im grossen Plenarsaal Al Hairat deutlich sichtbar: Afrikanische Delegierte in seidenen, bunten Kleidern und kunstvoll bestickten Hüten sitzen neben westlichen Spitzenpolitikern in dunklen Anzügen, dazwischen huschen etliche Vertreter des Gastgeberlandes in langen weissen Gewändern hin und her. Ein Dutzend Dolmetscherinnen und Dolmetscher in kleinen Kabinen am Rande des Saals sorgt dafür, dass Einigungen bei allen inhaltlichen Differenzen zumindest nicht an der Sprache scheitern.
Auch Gaza-Krieg ein Thema
Doch auch wenn es ums gemeinsame Weltklima geht, sind die anderen geopolitischen Konflikte auch bei diesem Treffen präsent: Vertreter der Islamischen Republik Iran sagten ihre Teilnahme an der diesjährigen Weltklimakonferenz ab – als Protest gegen Israels Teilnahme und dessen Angriffe auf den Gazastreifen. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und mehrere Vertreter aus Lateinamerika und Afrika äusserten sich im Plenum extrem kritisch über Israels Militäreinsatz. Die israelische Delegation in Dubai wiederum fiel deutlich kleiner aus als erwartet. Staatspräsident Izchak Herzog traf sich mit Politikern aus aller Welt, um auch auf die Freilassung der verbleibenden Geiseln im Gazastreifen zu drängen.
UN-Prozess als einziger Lösungsweg
Es ist schon das 28. Mal, dass sich die Staatengemeinschaft trifft, um Lösungen für die von gleich mehreren Rednern «grösste Krise unserer Zeit» zu finden. Neu sind die Warnungen und Appelle nicht. Doch Simon Stiell, der das Klimasekretariat der Vereinten Nationen leitet, ist überzeugt: «Dieser Prozess ist unsere einzige Hoffnung, das Ruder herumzureissen.» Die rund 70 000 Teilnehmenden haben nun in Dubai noch knapp zwei Wochen Zeit dafür. (awp/mc/pg)