Coronakrise: Chrüzschtärnechaib, riiset üch am Riämä (reisst euch zusammen, verdammt noch mal)
Von Helmuth Fuchs
Das gilt für beide Pole: Für die Dauer-Hyperventilierer und Angsttreiber genau so für wie die Partydeppen und Ignorierer sämtlicher Massnahmen. Und natürlich für die verantwortlichen Politiker. Es ist Okay in einer neuen Situation Fehler zu machen, nicht aber, dieselben Fehler mit Vehemenz dauernd zu wiederholen. Das Virus ist, bei Anwendung der einfachen und wirksamen Massnahmen, für die allermeisten nicht lebensbedrohlich, aber wir können die Risikogruppen besser schützen.
Während die Schweiz in der Anfangsphase eine auch im internationalen Vergleich gute und breit akzeptierte Balance zwischen Gesundheitssystem nicht überlasten, die Wirtschaft nicht ruinieren und die Freiheiten der Bürger nicht zu stark einzuschränken gefunden hat, ist die aktuelle Situation geprägt von versagenden Regierungsräten, überforderten Kantonen, nicht funktionierendem Tracing, verpasster Chance mit der SwissCovid-App und einer anhaltenden Kommunikationskakophonie.
Zu unserem Glück ist Corona nicht ein Virus, das ähnlich tödlich ist wie andere Viren (Ebola) und auch nicht alle Menschen in gleichem Masse befällt. Man weiss ziemlich genau, wer ein erhöhtes Risiko hat und wer sich besser schützen muss. Das ist auch im Hinblick auf die Impfung entscheidend, da bei limitierter Anzahl von Impfdosen diese genau dort eingesetzt werden können, wo sie die grösste Wirkung haben.
Bundesrat gegen Parlament und Kantonsregierungen
Die Parlamentarier, die zu Beginn der Pandemie gleich alles fallen liessen und die Verantwortung an den Bundesrat abgaben, wurden richtigerweise wieder in die Pflicht genommen. Ebenso die Kantone, welche ein halbes Jahr Zeit hatten, Organisations- und Aktionspläne für die Bewältigung der absehbaren Verschärfung der Situation mit Beginn der Grippe- und Erkältungszeit zu verfassen und einzuüben.
Der Bundesrat hat richtigerweise, unter Berücksichtigung der föderalen Strukturen, die Verantwortung ab dem Sommer dem Parlament und den Kantonen übergeben. Das Resultat ist leider ziemlich beschämend. Volksvertreter vertreten scheinbar vor allem Lobbying-Organisationen. Und dies noch auf eine teilweise stümperhafte Art. Aargau und St. Gallen lassen gleich alles schlittern und warten, bis ihnen der Bundesrat härtere Massnahmen verordnet, andere Deutschschweizer Kantone warten ebenfalls bis der Deckel auf dem Topf fast explodiert, anstatt zuvor einfach ein wenig die Temperatur herunter zu fahren.
In dieser Situation übernimmt der Bundesrat wieder das Steuer, um eine Eskalation der Situation zu verhindern.
Weihnachten und Neujahr ideal für einen Slow-Down
Idealerweise würde der Bundesrat über die Weihnachts- und Neujahrszeit eine Schliessung der Restaurants, Bars und sämtlicher Orte und Veranstaltungen verordnen, in denen sich zu viele Menschen über längere Zeit ansammeln können. Dies wäre ehrlicher, als mit Dutzenden von Auflagen die Unternehmen zu ersticken. Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und weitere für die Grundbedürfnisse wichtige Orte bleiben unter Auflagen zugänglich. Dazu gehörten eigentlich schon seit Beginn der Krise die ÖV und die Flughäfen, welche immer noch mit minimalen Auflagen weiter betrieben werden. Schulen machen eine Woche länger Ferien, danach mit jeweils halber Klasse Präsenzunterricht für zwei Wochen, danach Wechsel mit der zweiten Hälfte der Klasse. Die jeweils andere Hälfte folgt über Fernunterricht. Dies bis zu den Sportferien (Mitte Februar).
In dieser Zeit könnte endlich auch einmal eine aussagekräftige Studie zu Schulen als Orte für Infektion und Übertragung gemacht werden, was bisher scheinbar verpasst wurde (wäre auch für kommende Epidemien hilfreich).
Skipisten und andere Orte, wo Menschen im Freien etwas für ihre Gesundheit tun können, bleiben mit Massnahmen offen. Eine davon hat das Hoch-Ybrig in der Innerschweiz angekündigt. Dort werden nur Gäste mit einer Saisonkarte zugelassen. Das verhindert den grossen Tagestourismus und entschärft die Situation in und auf den Bahnen. Da sich mit den Sperrungen der Skigebiete in den Nachbarländern und den Reisebeschränkungen diese Saison eh eine vorwiegend nationale Angelegenheit sein wird, könnte der Bundesrat auch diese Betriebe unterstützen und so etwas für die Volkgesundheit tun.
Bei Zugang zu Inneneinrichtungen sollte die aktivierte SwissCovid-App Pflicht sein. Damit könnte man ohne Erfassen persönlicher Daten im Infektionsfall die Kette unterbrechen.
Sämtlich so beeinträchtigte Betriebe und Unternehmen werden entschädigt. Danach wird langsam und schrittweise wieder hochgefahren, mit genügend Abstand zwischen den Schritten, um verfolgen zu können, welcher Schritt welche Auswirkungen hat auf den Verlauf der wichtigsten Kennzahlen.
Das gibt den Kantonsregierungen nochmals Zeit, sich mit brauchbaren Plänen und eigenen Stäben und Expertengremien auf die Bewältigung der Krise und einen intelligenteren Umgang mit dem Coronavirus vorzubereiten.
Lobbyisten statt Volksvertreter
In einer Situation, in der die Schweiz eigentlich geeint wie selten agieren müsste, glänzen die Parlamentarier vor allem als Vertreter ihrer Partei und ihrer zahlenden Klientel. Da wird geweibelt und lobbyiert, was das Zeugs hält und die Parlamentarier machen sich pflichtbewusst zum Sprachrohr von Hotellerie, Restaurateuren, Bahnbetreibern etc. Im Parlament feiert man die eigene Wichtigkeit mit Älplermusik (Klarinetten-Vielfachbenutzung inklusive), schliesst zum 70. Geburtstag den Bundes-Ueli zur Gratulation in einer dichten Menschentraube ein – unter fröhlichem, oft maskenbefreiten, Happy-Birthday-Gegröle.
Dem «Volch» wird zeitgleich eine saftige Busse verordnet, falls jemand ohne Maske erwischt wird, Singen wird verboten, Feiern mit mehr als 10 Personen sowieso. Nebenbei wird man dann noch wortbrüchig bei der Rettung der Kleinstunternehmen und das Wahlvolk ist auch schon lange vergessen gegangen.
Vielleicht ist dies der Zeitpunkt, an dem die gewählten Volksvertreter sich wieder einmal bewusst werden sollten, wer sie gewählt hat und dass sie für die Aufgabe, ihren Kanton zu vertreten, auch gut bezahlt werden.
Die Impfung als weiterer Spaltpilz
Hat schon die allgemeine Diskussion um Corona die Gesellschaft, Freundschaften und Familien entzweit, droht mit der Impfung noch eine Verschärfung. Hier die uneigennützigen Impfhelden, dort die asozialen Impfverweigerer. Politiker beteuern zwar, dass es keinen Impfzwang geben werde, finden es aber in Ordnung, dass Unternehmen, wie zum Beispiel die australische Fluggesellschaft Qantas, den Impfzwang einführen. Zudem wird jetzt schon mal die Idee eines «Impfobligatoriums» ins Spiel gebracht, was für die Betroffenen (zum Beispiel das Pflegepersonal) nichts anderes als einen Impfzwang bedeuten würde.
Niemand sollte für seine Entscheidung, sich impfen zu lassen, belächelt oder beschimpft werden, genau so wenig wie sich niemand entschuldigen müssen sollte dafür, dass er sich nicht impfen lässt.
Da es sich bei der Impfung gegen das Coronavirus bei den meisten erfolgsversprechenden Kandidaten um eine so genannte mRNA-Impfung handelt, sind Zweifel zulässig. Zu diesen Impfungen gibt es keinerlei Langzeitstudien, keinerlei Erfahrungen, ob und wie lange damit eine Immunität erreicht werden kann. Man weiss nicht, wie effektiv eine Übertragung des Viruses damit verhindert wird etc.
Die Hersteller zumindest sind sich der Risiken bewusst und haben von den Politikern schon mal einen Schutz vor möglichen Schadensklagen eingefordert.
Diese und noch viele weitere Aspekte rechtfertigen Fragen und die Entscheidung, sich nicht für eine ebenfalls noch nie dagewesene Durchimpfaktion im Schnelltempo zu entscheiden, ohne dass sich jemadn deswegen Vorwürfen aussetzen muss.
Daten: Vom Chaos zum brauchbaren Monitor
Waren die Daten zu Beginn der Krise schlicht unbrauchbar, hat sich mittlerweile die Situation signifikant verbessert. Auch die grossen Medien, welche zwar immer noch glauben, für das Volkswohl sei das Wissen um die Anzahl täglich durchgeführter Tests (immer noch fälschlicherweise als «Fälle» vermeldet) essentiell, liefern jetzt auch die relevanten Informationen wie Anteil der positiven Tests, Anzahl hospitalisierter Menschen, Anzahl Patienten in Intensivpflege, Bettensituation in den Spitälern, Todesfälle, oder den R-Wert.
Hervorragend aufbereitet sind die Daten des Tagesanzeigers.
Zeit zur Besinnung
Weihnachten ist, wie keine andere Zeit im Jahr, die Zeit, zur Ruhe zu kommen, sich zu besinnen, was im Leben wirklich wichtig ist, worum zu kämpfen es sich lohnt, wie man sein Leben im kommenden Jahr gestalten möchte. Überwinden wir also die unnötigen Grabenkämpfe, die Beleidigungen, die scheinbare Besser- und Alleswisserei. Akzeptieren wir unterschiedliche Sichten, Handlungen, Entscheidungen. Die Schweiz wird aus dieser Krise nur gestärkt für die nächste hervorgehen, wenn wir fähig sind, etwas zu lernen, mehr zu akzeptieren, weniger zu verurteilen. Sonst wäre es in der Tat eine verschwendete Krise.
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