COVID19: Gesundheits- statt Impfstrategie als Weg aus der Krise

(Photo by JC Gellidon on Unsplash)

Die Schweiz hat bis anhin im Vergleich zu den Nachbarländern weniger strikte Massnahmen erlassen und hat eine tiefere Impfrate. Und ist damit teilweise sogar besser gefahren als die umliegenden Länder. Um einen Weg aus der Krise zu finden und die zunehmende Spaltung und Polarisierung in der Bevölkerung zu stoppen, ist eine Ausweitung der Strategie erforderlich: Weg vom Fokus auf die Impfung, hin zu Massnahmen, welche die Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben.

Von Helmuth Fuchs

Die schnell verfügbaren Impfungen, die gute Wahl und relativ schnelle Beschaffung der Impfstoffe durch den Bundesrat und das BAG waren zweifellos die wichtigsten Erfolge in der Eindämmung des Viruses. Die Impfung führt bei den RisikopatientInnen zu milderen Verläufen und entlastet die Spitäler.

Die Impfung dient primär dem Selbstschutz vulnerabler Personen. Da sich diese zum überwiegenden Teil in der Alterskategorie der über 65-Jährigen finden, hält die Schutzwirkung tendenziell zeitlich weniger lange als bei jüngeren Menschen. Nach etwa 6 Monaten lässt sie signifikant nach und eine weitere Impfung muss zur Auffrischung der Schutzwirkung vorgenommen werden. Das führt dazu, dass der beste Impfschutz mindestens 3 Impfungen innerhalb eines Jahres voraussetzt.

Herdenimmunität ist nicht zu erreichen

Beim Fremdschutz ist die Wirkung der Impfungen meist noch etwas weniger lang und nimmt schon nach 2-4 Monaten merklich ab. Da Geimpfte zudem eine ähnlich hohe Virenlast haben und die sie weitergeben können, wie eine aktuelle Studie aus Grossbritannien zeigt. Das heisst, bei den COVID-Impfungen gibt es keinen Schutz vor Weitergabe des Erregers an Dritte durch die geimpfte und infizierte Person, die infizierte Person kann ebenfalls erkranken und am Virus versterben, wenn auch mit geringeren Risiko als eine ungeimpfte Person. Deshalb und wegen der globalen Reisetätigkeit wird sich keine «Herdenimmunität» erreichen lassen, auch bei einer über 90-prozentigen Durchimpfung. Christian Drosten hat dies im Interview mit der Republik schon im Juni 2021 dargelegt.

Spalterische Narrative und schädliches «alternativlos»-Denken

Das bekannteste Narrativ und dasjenige, das die Gesellschaft am meisten spaltet, ist die «Pandemie der Ungeimpften». Dazu Christan Drosten im Interview mit der ZEIT: «Es gibt im Moment ein Narrativ, das ich für vollkommen falsch halte: die Pandemie der Ungeimpften. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie…Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger.»

Diese Sicht wird durch eine britische Studie bestätigt.

“Man hoffte auch, dass Geimpfte – falls sie sich trotz Impfung infizieren – das Virus zumindest weniger stark weitergeben, als Ungeimpfte. Eine soeben publizierte Studie aus Grossbritannien zeigt nun aber: Dem ist nicht so.” «Auch Geimpfte geben das Virus weiter», SRF, 28.10.2021

Gemäss der Studie stecken sich Geimpfte mit einer 25 Prozent Wahrscheinlichkeit an, Ungeimpfte mit einer 38-prozentigen Wahrscheinlichkeit, wenn das Virus von jemandem in den Haushalt gebracht worden ist.

Statt den Schutz der gefährdeten Personen ins Zentrum zu stellen, forciert der Bundesrat einseitig eine möglichst hohe Impfquote in der Gesamtbevölkerung und sieht dieses Vorgehen einmal mehr als «alternativlos». Statt medikamentöse Behandlungen voranzutreiben, zum Beispiel mit Studien, eine kontinuierliche Teststrategie auch bei Geimpften durchzusetzen, oder die Missstände in der Pflege anzugehen, spricht er zusätzlich fast 100 Millionen Franken für unnütze, unwirksame und unerwünschte Massnahmen wie Propaganda-Konzerte für Ungeimpfte und Geimpfte, mit Zugang ohne irgendwelche Tests oder Zertifikate. Sozusagen ein staatlich finanzierter potentieller Superspreader-Event.

Forscher des Max Planck Institutes haben in einer Studie aufgezeigt, wie man weitere Lockdowns mit einem funktionierenden TTI (Testing, Tracing & Isolation) vermeiden kann, unabhängig von der Impfquote. Da ist nebst einer nicht ersichtlichen Teststrategie die Entscheidung des Bundesrates, kostenlose Tests zur Erlangung des ausgeweiteten und verpflichtenden Zertifikats abzuschaffen, völlig kontraproduktiv.

Wege aus der Krise

Was wäre also zu tun, wenn auch eine hohe Durchimpfungsrate die Probleme zwar temporär entschärfen, aber nicht lösen wird, alle Impfwilligen und mittlerweile dank eines faktischen Impfzwanges (Zertifikatspflicht mit Wegfall der kostenlosen Tests) auch viele Impfunwillige geimpft sind und auch Länder mit hohen und höchsten Impfraten nächste Wellen mit hohen Hospitalisations- und Todesfallzahlen haben?

Zuerst muss das sture Festhalten an der Impfung als «einzigem Weg aus der Krise» aufgegeben werden. Ebenso müssen unnütze oder schädliche Massnahmen aufgehoben werden, etwas womit sich die Politik besonders schwer tut. Das öffnet den Blick für neue Mittel und Wege. Dies könnten zum Beispiel folgende sein:

Das Bundesamt für Gesundheit sollte wieder zu seiner im Namen festgeschriebenen Funktion zurückkehren und sich um die Gesundheit der Bevölkerung bemühen. Diese ist von weit mehr abhängig als nur vom Impfstatus. Der alleinige Fokus auf die präventive Impfung hat unter anderem dazu geführt, dass infizierte Ungeimpfte zu oft zuhause abwarten, bis der Zustand schlimm genug war, um in ein Spital eingeliefert zu werden, statt dass nach den ersten Symptomen mit einer medikamentösen Behandlung eine Spitaleinlieferugn verhindert wurde.

Der Bundesrat muss sich aus der übergrossen Verantwortung befreien und den politischen Normalbetrieb wiederherstellen, so wie er da in seinem Drei-Phasen-Modell festgehalten hat. Das immer weiter wuchernde COVID-19-Gesetz wird zu einer Plattform, auf welcher wirtschaftliche, gesundheitspolitische und politische Massnahmen, die teilweise wenig bis nichts mit der Pandemie zu tun haben, an existierenden demokratischen Vorgehensweisen vorbei entschieden und umgesetzt werden.

Die SchweizerInnen können am 28.11.2021 über die Ausweitungen im COVID-19-Gesetz abstimmen.


Aktuelle Situation:

Todesfälle: Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung gab es 2020 bei den über 70 Jährigen und vor allem bei den über 80-Jährigen eine signifikante überdurchschnittliche Anzahl Toter gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2015-2019. In allen anderen Altersgruppen gab es, dank der wirksamen Massnahmen, keine überdurchschnittliche oder sogar eine unterdurchschnittliche Anzahl von Todesfällen.

Im laufenden Jahr haben wir, bereinigt um eine erwartete Bevölkerungszunahme von 1.16% gegenüber 2020 in allen Alterskategorien eine verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 unterdurchschnittliche Anzahl Todesfälle.

Spitalbelastung: Die Pflegesituation in den Spitälern ist vor allem in der Intensivpflege angespannt durch die besonders anspruchsvolle Pflege von Coronapatienten. Die grosse Belastung des Pflegepersonals, zusammen mit einer eher unterdurchschnittlichen Bezahlung von langjährigen MitarbeiterInnen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ist aber schon lange vor Corona ein Thema gewesen und wird mit der Abstimmung über die Pflegeinitiative am 28.11.2021 adressiert.

Aktuell sind die zertifizierten Intensivpflegeplätze zu 75.3% ausgelastet und zu 19.9% mit CoronapatientInnen belegt. Die normalen Spitalbetten sind zu 81.7% ausgelastet, wovon 4% durch CoronapatientInnen belegt sind.


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