Zürich – Die Credit Suisse hat heute das Branchenhandbuch 2012 veröffentlicht. Neben einer Bestandesaufnahme der Lage der Schweizer Wirtschaft untersucht die Studie im Rahmen des überarbeiteten Chancen-Risiken-Bewertungmodells der Credit Suisse die wichtigsten Wirtschaftszweige bezüglich ihres mittelfristigen Potenzials. Die gesundheitsnahen Branchen profitieren stark vom demografischen Wandel, und die Ökonomen der Credit Suisse attestieren ihnen daher vielversprechende Zukunftsperspektiven.
Zu den Gewinnern zählen unter anderem die pharmazeutische Industrie und das Gesundheitswesen. Auch die Medizinaltechnik und das Sozialwesen profitieren von diesem Trend. Am herausforderndsten gestaltet sich die Zukunft für die strukturschwachen Branchen wie das Druck- und Verlagsgewerbe, die Metallindustrie sowie die Textil- und Bekleidungsbranche. Strukturellen Stärken und Schwächen kommt im konjunkturell herausfordernden Jahr 2012 grosse Bedeutung zu.
Turbulentes 2011
Für das laufende Jahr erwarten die Ökonomen der Credit Suisse eine deutliche konjunkturelle Verlangsamung, eine globale Rezession kann aber verhindert werden. Diese Entwicklung hat für die einzelnen Branchen unterschiedliche Auswirkungen. 2011 war für die Schweizer Wirtschaft ein turbulentes Jahr. Die zu Beginn des vergangenen Jahres verzeichnete hohe Dynamik und der damit verbundene Optimismus machten rasch einer zunehmenden Verunsicherung Platz. Insbesondere die nach wie vor ungelöste Verschuldungsproblematik zahlreicher westlicher Staaten sorgte in der zweiten Jahreshälfte für Schlagzeilen.
Gemischte Erwartungen für 2012
Der starke Franken war eines der dominierenden Themen des vergangenen Jahres. Nicht alle Branchen waren bisher gleichermassen von der Frankenhausse betroffen. Die stärksten Auswirkungen liessen sich im Gastgewerbe sowie in den Detailhandelsbranchen ausmachen. In der Industrie überwiegte 2011 grösstenteils die nachlassende konjunkturelle Dynamik die Auswirkungen des starken Frankens, obwohl insbesondere stark exportorientierte Unternehmen ihre Margen schwinden sahen. Für 2012 ergeben sich für die verschiedenen Branchen unterschiedliche Erwartungen. Während insbesondere die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) unter der nachlassenden Dynamik in Europa leiden wird und die Pharmabranche noch immer mit dem Auslaufen des Patentschutzes auf umsatzstarken Medikamenten konfrontiert ist, wird im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in der Uhrenbranche auch 2012 kaum eine Krise zu spüren sein. Insbesondere die Uhrenbranche wird auch im laufenden Jahr deutlich zulegen, wenngleich die Wachstumsraten des letzten Jahres nicht mehr erreicht werden dürften. Der Bauwirtschaft steht volumenmässig aufgrund des nach wie vor sehr tiefen Zinsniveaus erneut ein gutes Jahr bevor, was sich positiv auf die Auftragslage der Ingenieurbüros niederschlagen wird.
Strukturelle Faktoren gewinnen mittelfristig an Bedeutung
Während der Konjunktur kurzfristig eine wichtige Rolle in den verschiedenen Branchen zukommt, spielen in der mittleren Frist die strukturellen Einflussfaktoren für die Entwicklung einer Branche eine massgebende Rolle. Der demografische Wandel, der technologische Fortschritt oder die sich verschärfende Ressourcenknappheit sind wichtige Bestimmungsgrössen für die Prosperität eines Wirtschaftszweiges. Während diese und weitere Trends in einigen Branchen ein starkes Wachstum generieren, können sie in anderen Wirtschaftszweigen die Unternehmen zunehmend vor Probleme stellen. Vor diesem Hintergrund modelliert das Economic Research der Credit Suisse jährlich die mittelfristigen Chancen und Risiken der verschiedenen Schweizer Branchen.
Gesundheitsnahe Branchen mit den besten Aussichten
Der demografische Wandel bietet der Schweizer Wirtschaft grosse Chancen. Das Bevölkerungswachstum, die fortschreitende Alterung sowie die Zunahme chronischer Krankheiten tragen dazu bei, dass die Nachfrage nach Medikamenten, medizinischen Behandlungen und Pflegeleistungen in der Schweiz weiter wachsen wird. Das Bevölkerungs- und Wohlstandswachstum in den Schwellenländern sorgt ebenfalls für starke Impulse. Trotz gewisser Risiken schreiben die Ökonomen der Credit Suisse der Pharmaindustrie sowie dem Gesundheitswesen deshalb mittelfristig die besten Perspektiven zu (Rang 1 bzw. Rang 2). Von dieser Entwicklung werden ferner das Sozialwesen (Rang 4) und die Medizinaltechnik (Rang 8) profitieren. Das Sozialwesen profitiert auch von der zunehmenden Externalisierung von Betreuungsdienstleistungen.
Gute Perspektiven für zahlreiche Dienstleistungsbranchen
Die IT-Branche sowie der Bereich der Unternehmensdienstleistungen gehören ebenfalls zu den Wirtschaftszweigen mit einem sehr guten Chancen-Risiken-Verhältnis. Sie profitieren von der steigenden Komplexität und Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie vom wachsenden Druck zu Standardisierung und Prozessoptimierung. Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Kostenoptimierung lagern immer mehr Unternehmen standardisierbare Leistungen an spezialisierte externe IT-Anbieter aus. Dem Immobilienwesen kommt die fortschreitende Arbeitsteilung und die zunehmende Professionalisierung zugute.
Baubranche kämpft mit Strukturproblemen
Trotz der sich aus dem anhaltenden Wohneigentumsboom ergebenden hohen Nachfrage erzielt die Bauwirtschaft eine nur durchschnittliche Chancen-Risiken-Bewertung. Der harte Wettbewerb setzt die Baupreise unter Druck. In weiten Teilen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes leidet die Produktivität unter dem Trend zum Volumengeschäft mit vergleichsweise tiefen Margen. Die Chancen vermögen die Risiken deshalb nicht zu kompensieren.
Zweigeteilte Industrie
Aus dem Industriespektrum rechnen die Ökonomen der Credit Suisse – neben den genannten Topbranchen Pharmaindustrie und Medizinaltechnik und der hervorragend aufgestellten Uhrenindustrie – denjenigen Branchen ein überdurchschnittliches Chancen-Risiken-Verhältnis zu, die von der sich akzentuierenden Ressourcenknappheit, dem damit einhergehenden Trend zur Energieeffizienz und vom gesteigerten Nachhaltigkeitsbewusstsein profitieren können. Dazu zählen die Elektrotechnik, die Messtechnik sowie die Holzindustrie. Daneben existiert eine Reihe von Industriebranchen, bei denen die Risiken die Chancen klar überwiegen – so zum Beispiel das Druck- und Verlagswesen, die Metallbranchen sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie leiden vor allem unter der starken ausländischen Konkurrenz und dem sich daraus ergebenden Preisdruck.
Neues Chancen-Risiken-Bewertungsmodell
Die Ökonomen der Credit Suisse haben die Umstellung zahlreicher amtlicher Wirtschaftsstatistiken auf die neue Systematik der Wirtschaftszweige (NOGA 2008) zum Anlass genommen, das seit 2006 bestehende Chancen-Risiken-Modell weiter zu optimieren. Neu wurde die Zahl der Basisindikatoren von 19 auf 14 reduziert. Damit werden nur noch Statistiken verwendet, die für beinahe alle Branchen verfügbar sind. Das neue Modell misst der Zukunft zudem ein deutlich höheres Gewicht bei, indem Prognosen und Experteneinschätzungen stärker einbezogen werden. Dieses Vorgehen gewährleistet zum einen die bessere Berücksichtigung mittel- bis langfristig nachfragewirksamer Trends, zum anderen fliessen strukturelle Einflussgrössen neu systematischer in das Schlussergebnis ein. (Credit Suisse/mc/ps)
Die Publikation «Swiss Issues Branchen – Branchenhandbuch 2012» finden Sie im Internet in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch unter: www.credit-suisse.com/research (Schweizer Wirtschaft / Branchen)