Decalia: Riesiger Renovierungs- und Erneuerungsbedarf im Bausektor

Decalia: Riesiger Renovierungs- und Erneuerungsbedarf im Bausektor
Von Antonio Garufi, Portfolio-Manager für Circular Economy, Decalia. (Foto: Decalia)

Zehn Billionen Dollar: Ein so grosses Bauvolumen steht weltweit an. Bis 2050 muss der Bausektor nach dem Zeitplan der UN-Klimakonferenz COP21 erheblich energieeffizienter und umweltfreundlicher werden.

Höher als die Pyramiden in Ägypten, länger als die chinesische Mauer und beeindruckender als Trajans Rom – jetzt geht es um die bedeutendste „Baustelle“ in der Geschichte des Bauwesens: Dieser Sektor umfasst ein gewaltiges „Bauwerk“ mit einem Volumen von rund zehn Billionen US-Dollar weltweit. Er ist mit einer grundlegenden Renovierung konfrontiert. Einer Sanierung von Grund auf. In den kommenden Jahrzehnten müssen die Praktiken des Bausektors überdacht und neu erfunden werden, um den ökologischen Anforderungen der Welt von morgen zu genügen – der Klimanotstand drängt.

Viele Häuser nicht isoliert
Dem typischen Natursteinquader von Baron Haussmann, dem Rohbeton von Le Corbusier und den Wärmebrücken naht die Stunde der Wahrheit. Innovative, besonders ressourcenschonende, umweltfreundliche und modulare Materialien müssen neuen, besonders intelligenten und nachhaltigen Gebäuden den Weg bereiten. Das volle Ausmass dieses Handlungsbedarfs zeigt sich beispielsweise in der Schweiz, wo zwei von drei Häusern vor 1980 gebaut wurden. Diese Gebäude sind allein für 40 Prozent des Energieverbrauchs des Landes verantwortlich und produzieren mehr als ein Viertel der CO2-Emissionen. Von 1,7 Millionen Häusern sind fast zwei Drittel schlecht oder überhaupt nicht isoliert.

Andernorts sieht es nicht anders aus. Der Bausektor stiess 2019 zehn Milliarden Tonnen CO2 aus – das ist rund ein Drittel der weltweiten Emissionen. Allerdings herrscht trotz einiger Verspätung inzwischen ein Konsens, wie die jüngste Verabschiedung des Green Deals in der Europäischen Union zeigt. Unterstützt durch die 27 Mitgliedsstaaten der Eurozone hat sich die EU bis 2050 das Ziel der CO2-Neutralität für Neubauten und einer Reduzierung der Kohlenstoffemissionen um 40 Prozent in diesem Sektor bis 2030 gesetzt.

Baustoffe, Energieverbrauch und Digitalisierung
Von Wohngebäuden bis Infrastrukturprojekten – die eindeutige Priorität der Staaten in ihren Konjunkturprogrammen – müssen alle Segmente des Sektors neue Lösungen entwickeln und anbieten. Die erwarteten Innovationen, die zum Teil bereits auf gutem Weg sind, betreffen sowohl die Baustoffe als auch den Energieverbrauch oder auch die Digitalisierung, so dass Nutzern und Bauunternehmen zahlreiche Anwendungen zur Verfügung stehen.

Hinsichtlich der Materialien geht der Trend zu bioklimatischen Lösungen. Dies schon allein, um die Abhängigkeit von Zement zu senken, dessen Jahresproduktion bei rund vier Milliarden Tonnen liegt. Die Tendenz ist steigend, unter anderem aufgrund der Nachfrage aus China. Die Industrie hat bereits mehrere Alternativen entwickelt, die umweltschonend und nachhaltig sind. Derzeit wird der Markt für „grüne“ Baustoffe auf 200 Milliarden US-Dollar geschätzt. In den kommenden fünf Jahren wird sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Grüne Baustoffe bilden eine recht exzentrische Kategorie, in der sich neben Dämmpilzen, Kork und Algen auch Dung tummeln, um nur einige zu nennen. Mit Algen werden sowohl Solarpanele als auch umweltfreundliche Farben hergestellt.

Comeback für Holz
Ein triumphales Comeback feiert Holz, das seit seinen heroischen Zeiten im Wilden Westen etwas in Vergessenheit geraten ist. So wurde letztes Jahr in der norwegischen Stadt Brumunddal ein 85 Meter hohes Hochhaus ganz aus Holz eingeweiht – das höchste Holzgebäude der Welt. Es beherbergt ein Hotel, Büros und Wohnungen. Dieses Projekt ist deshalb so interessant, weil der Bauherr auf lokale Ressourcen – Baustoffe und Lieferanten – gesetzt hat.

Das Ende von Beton einzuläuten wäre jedoch verfrüht. Zumal auch Beton sich neu erfindet. So hat LafargeHolcim eine grundlegende Überarbeitung seines Angebots in Angriff genommen und bietet bereits einen grünen Beton namens ECOPact an, der mit der Netto-Null-Strategie des Baukonzerns im Einklang steht. Die gleiche Unternehmensgruppe schloss zum Jahresbeginn die Übernahme von Firestone Building Products ab und wurde damit zum Weltmarktführer für Baulösungen mit dem Label „nachhaltig“. Firestone Building Products ist auf Dachstühle spezialisiert, über die 60 Prozent der Energie von Gebäuden verloren geht. Mit eigenen Technologien – Hochleistungs-Dachabdichtungen, innovative Dämmstoffe und Abdichtungen – reduziert Firestone die Materialverschwendung und leistet einen Beitrag zu einem urbanen „eco-friendly“-Umfeld.

Ein weiterer Punkt ist das Recycling. Letztes Jahr wurden 70 Prozent des Bauschutts in der Europäischen Union recycelt, während in der Schweiz nur knapp 20 Prozent der verbrauchten Baustoffe recycelt werden.

Solar-Ziegel der nächsten Generation
Für Gebäuderenovierungen wird die Energie einerseits aus erneuerbaren Trägern und andererseits aus Solarenergie oder Geothermie gewonnen. Letztere wird in Zukunft auch besser beherrscht und genutzt werden als heute. Wer erinnert sich nicht an die Zeiten, als man einen Tiger im Tank brauchte – wie die Werbung versprach. Heutzutage ist ein Hamster wohl angebrachter. Zur Erreichung der CO2-Neutralität erfordert die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen – letztlich eine Abkehr von sämtlichen fossilen Energieträgern und die gleichzeitige Dekarbonisierung der Energie.

Um die Erhaltung dieser neuen Energiequellen zu gewährleisten, bietet die Industrie ihren gesamten Erfindungsreichtum auf, der bald neue Standards etablieren wird. So arbeitet die für Innovationskraft bekannte Tesla beispielsweise an Solar-Ziegeln der nächsten Generation. In Schweden stellt Rockwool seine zu 100% recycelbare Steinwolle aus Basaltstein her. Die britische Kingspan-Gruppe arbeitet ebenfalls an nachhaltigen Dämmkonzepten und an neuen Wegen zur Verteilung, Speicherung und zum Schutz von Wasser sowie an neuen Energielösungen. Saint-Gobain hat seinerseits mehrere breit angelegte Initiativen gestartet: Beheizbare Glasscheiben, magnetischer Gipsputz, umweltfreundliche Mörtelkleber, tönbares Glas und Wandverkleidungen zur Verbesserung der Luftqualität. An Ideen und gutem Willen mangelt es also nicht.

Digitalisierung im Hintertreffen
Natürlich trägt die Digitalisierung auch ihr Scherflein zu dieser Innovationsflut bei. Dies mit neuen Tools und Verfahren, die diverse Aktivitäten und Anwendungen des Sektors optimieren. Die Digitalisierung ist in diesem Bereich stark ins Hintertreffen geraten. „Click“ und „Mortar“ werden nunmehr also zusammenfinden müssen. Die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, können Mehrwert entlang der gesamten Wertschöpfungskette generieren – von der Herstellung der Baustoffe bis hin zur technischen oder administrativen Verwaltung der Gebäude.

Smart Objects, die die Kommunikation in den eigenen vier Wänden ermöglichen, haben Einzug in unser tägliches Leben gehalten und verbessern die Lebensqualität ihrer Nutzer erheblich. Die Einführung digitaler Technologien wird in den nächsten Jahren massive Auswirkungen haben, vor allem bei den vorgelagerten Prozessen. Architekten, Planungsbüros und Unternehmen steht eine immer umfassendere Auswahl an Lösungen zur Verfügung, mit denen sie ihre gesamten Arbeitsabläufe – von der Planung eines Bauprojekts bis hin zur Bauüberwachung – optimieren und hohe Produktivitätssteigerungen erzielen können.

Dieser Wandel ist so einschneidend, dass sich der Begriff ‚ConstrucTech‘ in der Branche durchgesetzt hat. ContrucTech steht derzeit für fünf grosse Themenbereiche: Produktivität, Nutzererfahrung, Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und Smart Cities.

Ob in Europa oder Nordamerika – die Nettomargen sind im Hoch- und Tiefbau sehr gering: Sie liegen durchschnittlich zwischen 1,5% und 2%, wobei die Covid-Pandemie zu einer massiven Margenerosion geführt hat. Dank der derzeit Gestalt annehmenden „Renovierung“ des Sektors vom Keller bis zum Dach sollten die Akteure der Branche – in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen – wieder zu Rentabilitätsniveaus zwischen 5% und 10% zurückfinden. Diese Ziele werden derzeit mit den Konjunkturstützungsprogrammen der Biden-Regierung in den USA und dem Green Deal in der Europäischen Union verfolgt.

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