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Zürich – Wissenschaftler der ETH Zürich haben einen Verbrennungsmotor entwickelt, der bei gleicher Leistung bis zur Hälfte weniger CO2 ausstösst. Sein äquivalenter Benzinverbrauch ist kleiner als 2,4 Liter pro 100 Kilometer. Der Erdgas-Diesel-Hybridmotor funktioniert dank einer ausgeklügelten Regelungstechnik.
Im Jahr 2012 betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoss aller verkauften neuen Personenwagen in der Schweiz 151 Gramm pro Kilometer. Mit Emissionsvorschriften plant der Bund diesen Wert bis 2025 sukzessive auf rund 70 Gramm zu senken. Wissenschaftler am Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik der ETH Zürich haben nun einen Erdgas-Diesel-Hybridmotor entwickelt, der pro Kilometer in einem Fahrzeug der Golf-Klasse nur noch 56 Gramm CO2 an die Umwelt abgibt und somit die jetzigen Emissionswerte um das Zwei- bis Dreifache unterschreitet. Dies gelingt, weil Erdgas vergleichsweise emissionsarm ist. Es wird in vielen Ländern, wie beispielsweise den USA, im grossen Stil gefördert und gilt für die nächsten Jahrzehnte als wichtigste Alternative für Erdöl.
Dieseleinspritzung statt Zündkerze
Die ETH-Wissenschaftler haben einen herkömmlichen Dieselmotor eines Personenwagens der Golfklasse so umgebaut, dass er zu 90 Prozent mit Erdgas betrieben werden kann. Anstatt mit einer Zündkerze, wie sie bei gewöhnlichen Erdgasmotoren üblich ist, zündet der Motor mit einer kleinen Menge Diesel, welche die Forscher direkt in den Zylinder spritzen und so eine hocheffiziente Verbrennung mit einem maximalen Wirkungsgrad von 39,6 Prozent erreichen.
Erdgas-Diesel-Motoren existieren bereits heute. Sie kommen in der Industrie dort zum Einsatz, wo Strom an einem Ort erzeugt und verbraucht wird — beispielsweise für den Betrieb von grossen Maschinen. «Bei einem Fahrzeug ändern sich die Drehzahl und die Last jedoch ständig, was den Betrieb des Motors deutlich komplizierter macht», erklärt Tobias Ott, Doktorand in der Forschungsgruppe von Prof. Lino Guzzella.
Neuartige elektronische Verbrennungsregelung
Tobias Ott hat die neuartige elektronische Verbrennungssteuerung gemeinsam mit Senior Scientist Christopher Onder und Lino Guzzella im Rahmen seiner Dissertation entwickelt. Kernstück bildet ein Sensor, der den Druck in den Zylindern misst. Mit komplexen Steuer- und Regelungsalgorithmen gelang es den Wissenschaftlern, die Menge des Diesels und den Zeitpunkt für das Einspritzen ständig anzupassen und so den Motor mit grösstmöglicher Effizienz zu betreiben. Die Forscher koppelten den neuartigen Erdgas-Diesel-Motor an einen kleinen Elektromotor und senkten so den Verbrauch zusätzlich. Sie könnten den Erdgas-Diesel-Motor jedoch auch in ein Fahrzeug ohne elektrische Hybridisierung einbauen. Für eine industrielle Fertigung ist das entscheidend, weil ein Hersteller so grössere Stückzahlen produzieren kann.
Serienmässige Produktion in fünf Jahren möglich
Die Wissenschaftler haben die Emissionsreduktion an einem eigens dafür ge-bauten Prüfstand experimentell nachgewiesen und die Resultate im Fachmagazin «Energies» publiziert. Im Rahmen dieses Machbarkeitsnachweises gilt es auch, den Antriebsstrang praxistauglich zu machen und letzte technische Probleme zu lösen. «Im Moment beschäftigt uns vor allem die Temperatur im Katalysator», sagt Tobias Ott. Damit dieser richtig zum Laufen komme, müsse er mindestens 300 Grad heiss werden. «Weil unser Verbrennungsmotor die Wärmeenergie aber so effizient in mechanische Energie umwandelt, ist die Abluft insbesondere nach dem Start zu wenig warm», fügt Ott an. Die Wissenschaftler wollen das Problem beheben, indem sie die den Motor während des Warmlaufs speziell regeln.
Christopher Onder ist überzeugt, dass der Erdgas-Diesel-Motor in fünf Jahren serienmässig produziert werden kann. «Voraussetzung ist, dass wir einen Industriepartner finden, der die Entwicklung eines Prototypen an die Hand nimmt», erklärt er. Den Wissenschaftlern ist klar, dass der Erfolg ihres Motors entscheidend von dessen Produktionskosten abhängt. Ihre Lösung sei vergleichsweise kostengünstig und weil ihr Konzept auf bereits vorhandenen Technologien beruhe, sei es schnell umsetzbar und als Brückentechnologie für die nächsten zehn bis 20 Jahre ideal. Mit einem Automobilhersteller führen die Forscher bereits konkrete Gespräche. (ETH/mc/pg)