Basel – Im 16. Jahrhundert wurde in Basel ein Talmud gedruckt – die erste christlich zensierte Version des Babylonischen Talmuds überhaupt. Die Universitätsbibliothek Basel ist dabei, ihre Ausgabe zu digitalisieren.
Der Talmud wurde 1520 zum ersten Mal in Venedig gedruckt. Nur 30 Jahre später verbot der Papst jedoch die Schriftsammlung, worauf Talmudverbrennungen in ganz Europa folgten. Später, nach der Lockerung dieses Verbots, galten wiederum strenge Zensurauflagen. Ein Versuch von jüdischen Druckern, eine Ausgabe in Genf zu realisieren, scheiterte. So kam es zu einem Basler Talmud.
Religiöse Hürden vor dem Druck
Auftraggeber dieser Talmudausgabe war ein jüdischer Thoraschreiber aus Frankfurt namens Simon Günzburg. Jeweils halbjährlich zur Buchmesse sollte der Basler Drucker Ambrosius Froben eine Teillieferung des Talmuds fertigstellen. Zunächst galt es jedoch, Erlaubnisse von mehreren Seiten einzuholen: Die Basler Behörden stimmten dem Druck zu, wenn aus christlicher Sicht problematische Stellen gestrichen würden. Auch eine jüdische Autorität musste das Vorhaben gutheissen, schliesslich handelte es sich um eine textlich veränderte Version einer der zentralen jüdischen Schriften. An den katholischen Absatzmarkt denkend, holten sich Günzburg und Froben zudem auch eine Genehmigung der italienischen Zensurbehörden ein.
Dies führte auch zu konfessionellen Diskussionen zwischen Christen, was ein Briefwechsel zwischen Johann Jacob Grynaeus, dem späteren Basler Kirchenvorsteher, und Théodore de Bèze in Genf zeigt. Dieser war Calvins Nachfolger und störte sich an der Erwähnung der Druckgenehmigung des Konzils von Trient auf der Titelseite. Sowieso betrachtete de Bèze den Talmud als schädlich. Aber auch Grynaeus schrieb, er wisse, dass eine Basler Talmudausgabe Schande über die Stadt bringen würde.
Über 30 Millionen Buchstaben
Dass das Unternehmen trotzdem ausgerechnet in Basel gelang, sei kein Zufall, sagt Ueli Dill, Leiter der Abteilung Handschriften und alte Drucke der Universitätsbibliothek Basel (UB). «Auch die erste lateinische Koranübersetzung wurde 1543 hier gedruckt. In Basel herrschte ein relativ tolerantes Klima», erklärt er. Unabdingbar waren Sprachkenntnisse, denn immerhin enthält die Ausgabe mindestens 30 Millionen Buchstaben und der rein hebräische Satz war eine grosse Herausforderung. Froben holte deswegen den Korrektor Israel Sifroni für die Leitung des Drucks nach Basel.
«Der Talmud ist im Grunde eine Abbildung des religiösen Dialogs», beschreibt die Historikerin und Judaistin Catrina Langenegger die Schriftensammlung. Im Zentrum jeder Seite befinden sich eine Stelle aus der Mischna, einer der zentralen religionsgesetzlichen Überlieferungen, und ihre Diskussion, genannt Gemara. Darum herum reihen sich Kommentare, Analysen und Querverweise von verschiedenen religiösen Autoritäten. Die Teile heben sich aufgrund des Schriftbilds voneinander ab. «Das Dialogische sieht man den einzelnen Seiten geradezu an», so Langenegger.
Handschriftliche Kommentare erfassen
Langenegger macht zusätzlich zu ihrem Doktorat eine Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin in der UB und begleitet die Digitalisierung des Basler Talmuds. Sie kennt deswegen auch die Herausforderungen. Gewisse ähneln denen vor 440 Jahren, andere sind neu. Hebräischkenntnisse sind für die Qualitätskontrolle noch immer unabdingbar. Und auch die Leserichtung von rechts nach links war anfangs ein Knackpunkt. Mittlerweile ist dieses Problem aber behoben, Software-Update sei Dank.
Damit die Seiten beim Scannen bis an den Rand erfasst werden können, ist die Fixierung von Hand nötig. «Wegen ihres langen Lebens haben solche alten Bücher viele Spuren erhalten», erklärt Dill, «zum Beispiel handschriftliche Kommentare». Und gerade solche sollen möglichst nicht abgeschnitten werden.
Exemplare des Basler Talmuds gibt es auch anderswo. Es sei aber durchaus sinnvoll, diese jahrhundertealten Bücher als eigenständige Ausgaben zu betrachten, meinen Langenegger und Dill. Dies ist auch mit ein Grund, warum sie die UB auf Internetplattformen wie e-rara zugänglich macht. Einige Traktate des Basler Talmuds sind bereits online. In ein paar Wochen sollen alle sechs Bände vollständig aufgeschaltet sein. Immerhin: Die Genehmigung von religiösen Obrigkeiten braucht es dafür heute nicht mehr. (Universität Basel/mc/ps)