Der Golfstrom hat sich (noch) nicht abgeschwächt

Golfstrom

(Foto: Unsplash)

Bern – Eine Studie der Universität Bern und der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA kommt zum Schluss, dass sich die Ozeanzirkulation im Nordatlantik, zu der auch der Golfstrom gehört, in den vergangenen 60 Jahren noch nicht abgeschwächt hat. Diese Ergebnisse widersprechen bisherigen Annahmen.

Das milde Klima in Europa verdanken wir der Ozeanzirkulation im Nordatlantik, die nicht nur Wärme vom Äquator nordwärts transportiert, sondern auch Sauerstoff und Nährstoffe im Ozean verteilt. Der Zusammenbruch dieses zentralen Elements des Klimasystems hätte gravierende Folgen und wurde vom Weltklimarat IPCC als eines von 15 sogenannten Kippelementen identifiziert. Sind Kipppunkte überschritten, geht das System in einen neuen stabilen Zustand über und die Folgen sind potenziell irreversibel. Ob sich die atlantische Zirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) als Folge des Klimawandels bereits abgeschwächt hat, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da direkte Beobachtungen erst seit 20 Jahren verfügbar sind. Daher wird in der Klimaforschungsgemeinschaft intensiv darüber diskutiert.

Eine Studie, die soeben im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist, liefert einen neuen Beitrag zu dieser Debatte. Unter der Leitung von Jens Terhaar von der Abteilung für Klima- und Umweltphysik des Physikalischen Instituts der Universität Bern hat das Forschungsteam einen neuen methodischen Ansatz mit Hilfe von 24 Erdsystemmodellen und mit Beobachtungen des Wärmeflusses zwischen Ozean und Atmosphäre im Nordatlantik entwickelt und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen.

Frühere Studien relativiert – aber keine Entwarnung
«Wir haben uns gefragt, wie stabil die AMOC ist und ob sie sich bereits abgeschwächt hat», sagt der Hauptautor Terhaar. Die aktuelle Studie legt dar, dass eine Abschwächung der AMOC zwischen 1963 und 2017 nicht feststellbar ist. «Unsere Rekonstruktionen zeigen zwar eine erhebliche Variabilität, aber ein klarer Trend lässt sich nicht feststellen», erklärt der Berner Spezialist für Ozeanmodellierungen, der auch Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung an der Universität Bern ist.

Diese Erkenntnis relativiert Studien, die von den Medien in jüngster Zeit viel zitiert wurden, wonach sich die atlantische Zirkulation in den letzten Jahrzehnten abgeschwächt habe. Mit Blick auf den zukünftigen Klimawandel und seine Folgen sei eine Entwarnung aber nicht angebracht, so Terhaar. Dadurch dass die AMOC bis jetzt stabil war, sei es zwar unwahrscheinlicher, dass die Ozeanzirkulation in nächster Zeit kippen werde, doch die AMOC werde durch den Klimawandel mit Sicherheit abgeschwächt. «Es ist jedoch weiter höchst unsicher, wie gross diese Abschwächung sein wird und mit welchen Folgen in Zukunft gerechnet werden muss.»

Frühere Rekonstruktionen der Stärke der atlantischen Zirkulation in der Vergangenheit beruhten vor allem auf Anomalien der Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik. Die neuen Modellierungen zeigen nun aber, dass sich die AMOC mit Hilfe von Temperaturanomalien nicht zuverlässig rekonstruieren lässt. Dadurch sind auch Schlussfolgerungen aus so erstellten Rekonstruktionen nicht robust. Denn: Wie bereits andere Studien gezeigt haben, werden Temperaturanomalien im Nordatlantik nicht nur durch die AMOC beeinflusst, sondern auch durch andere Prozesse in Ozean und Atmosphäre. (mc/pg)

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