Der neunte Planet nimmt Gestalt an

Esther Linder und Christoph Mordasini. (Foto: Universität Bern)

Bern – Astrophysiker der Universität Bern haben die Entwicklung des mutmasslichen Planeten im äusseren Sonnensystem mit einem Computermodell simuliert. Danach hat das Objekt heute einen Radius, der 3.7 Erdradien entspricht und seine Temperatur beträgt minus 226 Grad Celsius.

Die Meldung versetzte die astronomische Welt in Aufruhr: Konstantin Batgyin und Mike Brown vom California Institute of Technology in Pasadena verkündeten Anfang dieses Jahres, dass sie aus der Bewegung von Objekten im sogenannten Kuiper-Gürtel auf einen bisher unbekannten Planeten schliessen. Seither versuchen Planetenforscher auf der ganzen Welt mehr Informationen über «Planet 9» zu sammeln um ihn so zu lokalisieren.

Wie gross und wie hell ist dieser neunte Planet, falls es ihn wirklich gibt? Wie warm oder kalt ist er, und mit welchem Teleskop könnte man ihn finden? Diese Fragen wollten Christoph Mordasini, Professor an der Universität Bern, und seine Doktorandin Esther Linder beantworten.

Fern und trotzdem nah
Die beiden Schweizer Forschenden sind Experten auf dem Gebiet der Planetenentwicklung mithilfe von Computermodellen. Normalerweise untersuchen sie die Entstehung junger Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, sogenannte Exoplaneten, die Lichtjahre von uns entfernt sind. Deshalb meint Esther Linder auch: «Für mich ist der Planeten-Kandidat ein nahes Objekt, obwohl er etwa 700 Mal weiter entfernt ist als die Erde von der Sonne.» Mordasini und Linder nehmen an, dass der neunte Planet eine kleinere Version von Uranus und Neptun ist – ein kleiner Eisriese mit einer Hülle aus Wasserstoff und Helium.

Mithilfe ihres Modells der Planetenentwicklung berechneten sie, wie sich Werte wie zum Beispiel der Planetenradius oder die Helligkeit seit der Geburt des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren im Laufe der Zeit entwickelt haben. Die Arbeit entstand im Rahmen des Nationalfonds-Forschungsprojektes «Planets In Time» und des Nationalen Forschungsschwerpunkts «PlanetS».

Heizung aus dem Innern
In ihrer Arbeit, die in der Fachzeitschrift «Astronomy & Astrophysics» erscheint, kommen die beiden Autoren zu folgendem Resultat: Ein Planet mit 10 Erdmassen, wie von den beiden amerikanischen Forschern vorgeschlagen, hat heute einen Radius von 3,7 Erdradien. Seine Temperatur beträgt 47 Kelvin oder minus 226 Grad Celsius. Dies bedeutet, so Esther Linder, dass der Planet selbst signifikant Wärme abstrahlt. «Wenn der Planet selbst keine innere Energie hätte, läge seine Temperatur bei nur 10 Kelvin oder minus 263 Grad Celsius», erklärt sie, «denn dann würde die Strahlung lediglich aus dem reflektierten Sonnenlicht bestehen.»

Dieser innere Energiefluss, der vom Abkühlen des Planeteninnern herrührt, bedeutet auch, dass der Planet im Infrarot-Bereich viel heller strahlt als im sichtbaren Wellenlängenbereich, in dem nur das schwache reflektierte Sonnenlicht sichtbar ist. «Aufgrund unserer Studie ist der neunte Planet jetzt mehr als bloss ein Massepunkt, durch diese physikalischen Eigenschaften nimmt er Gestalt an», sagt Christoph Mordasini.

Welches Teleskop kann ihn aufspüren?
Die Forschenden untersuchten auch, ob ihre Resultate erklären, warum der neunte Planet bis jetzt noch nicht von Teleskopen aufgespürt wurde. Sie berechneten die Helligkeit von kleineren und grösseren Planeten in verschiedenen Umlaufbahnen und kamen zum Schluss, dass die bisher durchgeführten Himmelsdurchmusterungen nur eine kleine Chance hatten, ein Objekt mit 20 Erdmassen oder weniger zu entdecken, vor allem wenn es sich in der Nähe des fernsten Punkts auf seiner Umlaufbahn um die Sonne befindet. Aber die NASA-Sonde «Wide-field Infrared Survey Explorer» hätte einen Planeten mit 50 Erdmassen oder mehr finden sollen.

«Damit hat man eine interessante obere Massengrenze für den Planeten», erklärt Esther Linder. Die Forschenden sind überzeugt, dass künftige Teleskope wie das im Bau stehende «Large Synoptic Survey Telescope» (LSST) in Chile oder spezielle Durchmusterungen den neunten Planeten aufspüren oder dessen Existenz ausschliessen können. «Das sind spannende Aussichten», sagt Christoph Mordasini. (Universität Bern/mc/pg)

Universität Bern

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