Deutsche Politiker: Schweizer Ausforschung deutscher Steuerfahnder wäre Sauerei
Düsseldorf – Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat die mutmassliche Ausforschung deutscher Steuerfahnder durch einen Schweizer Spion scharf verurteilt. «Wenn das stimmt, ist das ein echter Skandal», sagte die SPD-Politikerin am Montag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Köln. «Das ist eine Sauerei.» Die NRW-Landesregierung werde sich nicht davon abbringen lassen, den Weg der Steuergerechtigkeit weiterzugehen.
Die Bundesanwaltschaft hatte den 54 Jahre alten Schweizer in Frankfurt am Main festnehmen lassen, weil er dringend verdächtig sei, seit Anfang 2012 für den Geheimdienst einer fremden Macht tätig gewesen zu sein, hiess es am Freitag ohne Nennung weiterer Einzelheiten zu den Vorwürfen. In Frankfurt und im Wetteraukreis wurden zudem mehrere Wohn- und Geschäftsräume durchsucht.
Die Zeitung «Blick» meldete am Sonntag unter Berufung auf den deutschen Anwalt des Verdächtigen, sein Mandant werde beschuldigt, er habe den Auftrag gehabt, deutsche Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf von Bankdaten beteiligt waren. Sein Mandant solle demnach entsandt worden sein, «um hier herauszufinden, welche Steuerfahnder die Steuer-CDs kauften und wie diese Käufe genau abliefen», sagte der Anwalt weiter. Nach Informationen der «Welt» soll der festgenommene Schweizer jahrelang als Spion des Schweizer Geheimdienstes NDB in Deutschland tätig gewesen sein.
NRW weiterhin gewillt, Steuer-CDs zu kaufen
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans betonte in der «Rheinischen Post», die Landesregierung werde sich nicht einschüchtern lassen. Die NRW-Finanzverwaltung erwerbe Steuer-CDs, «weil sie Steuerhinterziehung nicht anders aufklären kann». Nordrhein-Westfalen schliesst den Ankauf weiterer Steuer-CDs als letztes Mittel im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht aus, hiess es aus seinem Ministerium.
Walter-Borjans, der sich gern als «Robin Hood der Steuerzahler» bezeichnen lässt, will beim Thema Steuergerechtigkeit nicht locker lassen. «Wenn Nachrichtendienste Spione beauftragen, in Deutschland Steuerfahnder zu bespitzeln, muss man sich doch fragen, in wessen Interesse sie handeln. Im Namen der Steuergerechtigkeit ja wohl kaum», betonte er in der «Rheinischen Post» knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in NRW.
Im Kampf gegen die grenzüberschreitende Steuerflucht hatten die EU und die Schweiz im Mai 2015 ein Abkommen über den automatischen Austausch von Bankdaten ab 2018 besiegelt. Bei Inkrafttreten des Abkommens werden die 28 EU-Staaten künftig von der Schweiz jährlich Daten zu allen Steuerpflichtigen erhalten, die dort ein Konto haben. Die gleichen Verpflichtungen haben dann auch die EU-Staaten gegenüber der Schweiz.
Seit 2006 hatten mehrere Bundesländer sogenannte Steuersünder-CDs mit gestohlenen Kundendaten aus der Schweiz und Liechtenstein angekauft. Das von der Schweiz kritisierte Vorgehen war politisch lange hoch umstritten, wurde von höchsten deutschen und europäischen Gerichten jedoch als juristisch zulässig anerkannt.
Haftbefehl für deutsche Steuerfahnder in der Schweiz
Die Schweizer Justiz erliess 2012 gegen den Leiter des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in Wuppertal, Peter Beckhoff, und zwei Mitarbeiter Haftbefehl. Der Vorwurf: Verletzung des Bankgeheimnisses. Die an Deutschland überstellten Haftbefehle wurden nicht umgesetzt.
Das Bundesland NRW hatte auf Empfehlung seiner Steuerfahndung elf CDs mit Daten von mutmasslichen Steuersündern erworben. Damit wurden bislang bundesweit 120 000 Selbstanzeigen, davon 23 300 allein in NRW, mit Bezug auf die Schweiz ausgelöst. Dadurch kamen nach Angaben des Düsseldorfer Finanzministeriums zusätzliche Steuereinnahmen von schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Euro bundesweit zusammen – allein 2,4 Milliarden Euro in NRW seit dem Jahr 2010. Etwa die Hälfte davon aus Selbstanzeigen von Steuerpflichten. (awp/mc/ps)