Hannelore Kraft, nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin (SPD).
Berlin – Jahrzehntelang haben Schweizer Banken unversteuerte Gelder von deutschen Kunden angenommen. Die Hoffnung, diese Altlasten mit einem Steuerabkommen loszuwerden und gleichzeitig eine Lösung für die Zukunft zu finden, ist am Mittwochabend in Berlin endgültig beerdigt worden. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat (Länderkammer) haben das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgehandelte Steuerabkommen mit der Schweiz mit 19 zu 10 Stimmen abgelehnt. Dieses ist damit endgültig gescheitert.
Die Beratung im Vermittlungsausschuss war nötig geworden, nachdem der Bundesrat das Steuerabkommen mit der Schweiz am 23. November abgelehnt hatte. In der Länderkammer stellen Grüne und SPD, die das Steuerabkommen stets ablehnten, die Mehrheit. Sie hatten die Schätzung der Regierungskoalition angezweifelt, wonach durch das Abkommen allein 2013 bis zu zehn Milliarden Euro in die Staatskassen fliessen würden.
Schon mitten im Wahlkampf
SPD und Grüne kritisierten auch, dass Steuerhinterzieher noch bis zum 1. Januar 2013 Zeit bekommen hätten, ihr Schwarzgeld aus der Schweiz abzuziehen. Ihre Ablehnung dürfte auch mit dem Wahlkampf zu tun haben: Im nächsten Herbst wird in Deutschland der Bundestag neu gewählt.
Zustimmung im Bundestag und in den eidgenössischen Räten
Der aktuell von der gelb-schwarzen Koalition dominierte deutsche Bundestag hatte die Ratifizierung des Steuerabkommens im Oktober noch genehmigt. Auch die eidgenössischen Räte hiessen das Abkommen in der letzten Sommersession gut, ein Referendum scheiterte an der Anzahl gesammelter Unterschriften. Auf Schweizer Seite wäre der Inkraftsetzung des Steuerabkommens damit nichts im Weg gestanden.
Anonymität für Bankkunden
Dieses sah vor, auf das bei Schweizer Banken liegende Schwarzgeld deutscher Steuerhinterzieher einmalig eine Pauschalsteuer zwischen 21 und 41 Prozent zu erheben und an den deutschen Fiskus zu überweisen. Dies sollte anonym und rückwirkend für zehn Jahre geschehen. Künftige Erträge wären ab 2013 genauso besteuert worden wie in Deutschland.
«Keine Nachverhandlungen»
Diese Regelung ist nun Makulatur. Das Quellensteuerabkommen mit Deutschland sei «Geschichte», sagte Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf am Mittwochabend vor den Bundeshausmedien. Sie schloss auch Nachverhandlungen aus. «Wir haben immer gesagt, das ist das Abkommen, über das wir sprechen.»
Widmer-Schlumpf wollte nicht ausschliessen, dass es je wieder Verhandlungen mit Deutschland in der Sache gibt. «Wir sind Nachbarn, da suchen wir nach Lösungen», sagte sie. Aber nächstes Jahr werde es ganz bestimmt keine Neuverhandlungen geben. Der Vermittlungsausschuss seinerseits forderte die deutsche Regierung am Mittwoch zu neuen Verhandlungen mit der Schweiz auf. Ziel müsse ein «gerechtes Abkommen» sein.
Druck auf die Schweiz wächst
Vorerst aber bleibt im Verhältnis mit Deutschland alles beim Alten. Das bedeutet, dass die deutschen Steuerbehörden in jedem einzelnen Verdachtsfall um Amtshilfe ersuchen müssen. Widmer-Schlumpf sprach von einem «wenig befriedigende Status quo». Sie gab auch zu bedenken, dass laufend Steuerforderungen verjährten und nicht mehr geltend gemacht werden könnten.
Gleichzeitig bleibt aber auch für den Schweizer Finanzplatz alles beim Alten. Damit dürfte der Druck auf die Schweiz zunehmen. Deutschland wird weiterhin CDs mit gestohlenen Bankkundendaten kaufen, und die Forderung nach dem automatischen Informationsaustausch dürfte lauter werden. Die SP verlangt denn auch, dass die Schweiz nun die Flucht nach vorn ergreift.
Abkommen mit Grossbritannien und Österreich ab 1. Januar in Kraft
Immerhin konnte Widmer-Schlumpf am Mittwoch mit guten Nachrichten zu den Steuerabkommen mit Grossbritannien und Österreich aufwarten. Nach einem Entscheid des Bundesgerichts vom Mittwoch können diese planmässig 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt werden.
Dann werde sich zeigen, dass das Quellensteuermodell in der Praxis funktioniere, sagte die Finanzministerin. Die Schweiz verhandelt derzeit mit weiteren Ländern über solche Abkommen, darunter Griechenland und Italien. (awp/mc/upd/pg)