Die Macht der Zeichen

Die Macht der Zeichen
Indem sich Schrift und Zeichnungen aufeinander beziehen, entsteht Interaktion - zwischen den Elementen, ihren Schöpfern und den Betrachtern. (Foto: Barbara Keller)

Basel – Schilder und Symbole sollen für Orientierung im öffentlichen Raum sorgen. Verstehen wir ihre Botschaft, nehmen wir sie zur Kenntnis und denken meist nicht weiter über sie nach. Dabei lohnt sich der genauere Blick auf solche Zeichen, denn sie beeinflussen das Zusammenleben. Edina Krompák und Stephan Meyer von der Universität Basel wollen das Bewusstsein dafür stärken, insbesondere im Bildungskontext.

Pfeile zeigen die Laufrichtung an, Symbole unterscheiden die Damen- von der Herrentoilette, ein stilisiertes Velo markiert den Fahrradweg. Im Alltag treffen wir ständig auf Hinweis- und Informationsschilder, Aufkleber, Piktogramme und Graffiti. Viele kombinieren Sprache und Bild, andere nutzen nur eines von beidem. Gemeinsam ist diesen Zeichen, dass sie Informationen vermitteln und Interaktionen mitprägen. Damit das gelingt, müssen Rezipienten sie jedoch ausreichend verstehen.

Beim Verständnis spielen die räumlichen und gesellschaftlichen Kontexte, in denen Zeichen zum Einsatz kommen, eine wichtige Rolle. Wo sich ein Zeichen befindet und welche Idee dahintersteht, ist also nicht zu unterschätzen. Zum Beispiel werden viele Leute aus dem Raum Basel die Farbkombination Rot-Blau mit dem FC Basel assoziieren, anderswo wäre das wahrscheinlich nicht der Fall.

«Sprache und Raum gehören untrennbar zusammen. Es besteht eine gegenseitige Beziehung», sagt Dr. Edina Krompák, Erziehungswissenschaftlerin, Sprachdidaktikerin und Lehrbeauftrage an der Universität Basel. Das Forschungsgebiet «Linguistic Landscape» befasst sich damit, wie und wo Zeichen im öffentlichen Raum eingesetzt werden, was sie bedeuten, und stellt Fragen zum Sprachgebrauch und zur Sprachenpolitik. Veränderungen in der Gesellschaft beeinflussen die Zeichenlandschaft: Diversität und Vielsprachigkeit infolge Migration bringen andere Ausdrucksweisen und Sprachkonstellationen hervor. Handkehrum werden beispielsweise historisch geprägte Zeichen möglicherweise nicht mehr oder anders verstanden.

Die Zeichen lesen lernen
«Die Zeichen in der sprachlichen Landschaft sind Teil einer Kultur und Gesellschaft. Sie zu verstehen, ist ähnlich, wie eine neue Dimension der Sprache zu lernen», sagt Stephan Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sprachenzentrum der Universität Basel. «Gerade in der heutigen Zeit, wo wir überladen sind von visuellen Reizen, müssen wir lernen, den Blick zu schärfen und die Wirkung dieser Zeichen zu verstehen», ist der Sprachdidaktiker und Philosoph überzeugt. Diese Kompetenz, die «visual literacy», sollten Kinder in Verbindung mit Schreiben und Lesen in der Schule erwerben, findet er.

Stephan Meyer und Edina Krompák wollen das Bewusstsein für Zeichen und wie sie im Bildungswesen verwendet werden wecken und fördern. Zusammen mit Dr. Víctor Fernández-Mallat, Linguist an der Georgetown University (USA), haben sie das Buch Linguistic Landscapes and Educational Spaces herausgegeben. Die darin gesammelten Aufsätze befassen sich mit der Bedeutung von Zeichen im Bildungskontext: im Klassenzimmer, in den Schulgängen, auf Spielplätzen und in der Kommunikation von Behörden.

«Die Erforschung der sprachlichen Landschaft, zu der auch die Zeichen gehören, im Bildungskontext liefert wertvolle Erkenntnisse über die sprachlichen Praktiken sowie über die offene und verdeckte Sprachenpolitik der untersuchten Bildungsinstitutionen», so Edina Krompák. «Darüber hinaus eignet sich das Untersuchen von Zeichen als didaktische Ressource beim Sprachenlernen, bei der Demokratiebildung oder für die Förderung von visual literacy.»

Augen auf beim Stadtrundgang
Dennoch kommt die Methodik von «Linguistic Landscape» in den Bildungswissenschaften gemäss Krompák noch zu kurz. Die Dozentin für Erziehungswissenschaften bietet deshalb in ihrer Lehrveranstaltung eine theoretische sowie praxisorientierte Auseinandersetzung mit dem komplexen, sich dynamisch entwickelnden Forschungsfeld an.

Studierende erforschen auf einer Entdeckungstour die Zeichenlandschaft eines Quartiers und entwickeln didaktische Ansätze, wie sie die Fragestellungen von «Linguistic Landscape» im Unterricht anwenden können. «Eine Schulklasse kann zum Beispiel in der Stadt nach mehrsprachigen Zeichen suchen, diese anschliessend analysieren und Erkenntnisse über die Rolle und die Bedeutung der sprachlichen Vielfalt im untersuchten öffentlichen Raum gewinnen», erläutert Krompák.

Gleichzeitig sind die sogenannten Schoolscapes, also die sprachliche Landschaft von Bildungseinrichtungen wie Kitas, Kindergärten, Schulen und Hochschulen selbst von Zeichen geprägt, die den schulischen Alltag regeln. Dennoch sollte man sie nicht einfach als gegeben hinnehmen.

Die Symbole hinterfragen
Die gewählten Zeichen können Stereotype und Machtverhältnisse untermauern oder aufweichen, sie sprechen manche Menschen an, während sich andere möglicherweise ausgeschlossen fühlen. So kann und soll man hinterfragen, welche Symbolik verwendet wird, beispielsweise um die Toiletten für Mädchen und Jungs kenntlich zu machen: Männlein und Weiblein? Die biologischen Zeichen? Begriffe – und wenn ja, welche?

Ob und wie Zeichen verstanden werden, hängt letztlich ebenso von den Produzierenden gleichermassen ab wie von den Betrachtenden der Zeichen. Dieses dynamische Zusammenspiel gilt es zu bedenken. «Wer Zeichen im öffentlichen Raum einsetzt, sollte sich deshalb bewusstmachen, wie sie funktionieren», so Stephan Meyer. (Universität Basel/mc/ps)

Originalpublikation
Linguistic Landscapes and Educational Spaces (2021). Edited by Edina Krompák, Víctor Fernández-Mallat and Stephan Meyer. Erschienen beim auf Mehrsprachigkeit spezialisierten Verlag Multilingual Matters.
Der erste Teil des Buches analysiert Zeichen in Bildungskontexten, der zweite Teil nimmt die Verwendung der Zeichen beim Lernen von Sprachen in den Blick.

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