Die aktuellen Daten zeigen sehr deutlich, dass sowohl Grönland als auch die Antarktis Eismasse verlieren. (Foto: Helmut Rott)
Innsbruck – In den vergangenen Jahren herrschte relative Unsicherheit darüber, wie stark die polaren Eisschilde tatsächlich abschmelzen. Durch den systematischen Vergleich zahlreicher Satellitendaten macht ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Prof. Helmut Rott von der Universität Innsbruck dieser Ungewissheit ein Ende. In der Fachzeitschrift Science berichten die Wissenschaftler, dass die Eisschilde in der Antarktis und Grönland seit 1992 4000 Milliarden Tonnen an Masse verloren haben und damit den Meeresspiegel um rund 1,1 Zentimeter haben steigen lassen.
Der letzte Bericht des Weltklimarates (IPCC) beruhte noch auf Daten, aus denen nicht klar hervorging, ob das antarktische Eis tatsächlich an Masse verliert. „Mit den nun veröffentlichten Ergebnissen haben wir die Genauigkeit mehr als verdoppelt“, sagt der an der internationalen Studie beteiligte Klimaforscher Prof. Helmut Rott vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck. Möglich war dies durch den systematischen Vergleich von drei unterschiedlichen Satelliten-Messverfahren: die Beobachtung von Eisströmen mittels Radarmessungen, die Ermittlung von Höhenänderungen durch Radar- und Lasermessungen sowie die Messung der Änderung des Erdschwerefeldes.
„Die Daten zeigen sehr deutlich, dass sowohl Grönland als auch die Antarktis Eismasse verlieren“, fasst Helmut Rott Ergebnisse der Studie zusammen. „Und heute schmilzt in Grönland etwa fünfmal soviel Eis ab wie noch in den 1990-er Jahren, während in der Antarktis die Beschleunigung etwas langsamer vor sich geht.“
Die Meere steigen
In den vergangenen 20 Jahren haben die schmelzenden Eismassen in den Polarregionen mit 1,1 Zentimetern etwa ein Fünftel zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen. Zwei Drittel davon stammen aus Grönland und der Rest aus der Antarktis. Im 20. Jahrhundert leistete noch das Abschmelzen der Gletscher den grössten Beitrag zum Meeresspiegelanstieg, wie Innsbrucker Klimaforscher um Ben Marzeion mit Hilfe von Modellrechnungen erst vor zwei Wochen bestätigt haben.
„Durch das in den letzten Jahren stark beschleunigte Abschmelzen in Grönland ist der Beitrag der beiden grossen Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg heute aber bereits gleich gross wie jener der Gletscher“, betont Helmut Rott. „Dies ist besonders deshalb bedrohlich, weil in den polaren Eisschilden sehr, sehr viel mehr Wasser gebunden ist als in allen Gletschern zusammen.“
Erste umfassende Analyse
Die nun präsentierte Studie entstand auf Initiative der europäischen Weltraumorganisation ESA und der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA und brachte unter der Leitung von Prof. Andrew Shepherd von der Universität Leeds die wichtigsten Forschungsgruppen auf diesem Gebiet zusammen. 47 Wissenschaftler aus 26 Forschungseinrichtungen verglichen dabei Beobachtungen aus zehn unterschiedlichen Satellitenmissionen miteinander und erstellten so die erste umfassende Betrachtung der Veränderung der Eismassen an den Polen. (Universtität Innsbruck/mc/pg)