Catrin Hinkel, Geschäftsführerin bei Accenture.
Zürich – Selbstbewusst und aktiv nehmen die Schweizerinnen ihre Karriere in die Hand. Das zeigt die aktuelle Ausgabe einer Studie, die der Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister Accenture jedes Jahr zum Internationalen Weltfrauentag veröffentlicht.
Die Hälfte (52%) der berufstätigen befragten Frauen in der Schweiz stimmen der Aussage zu: „Ich manage meine Karriere proaktiv.“ Fast ebenso viele (43%) meinen, nichts halte sie bei ihrer Karriere zurück. Mehr als Österreicherinnen (4%) und Deutsche (10%), sehen Schweizerinnen (13%) ihre berufliche Laufbahn schnell bergauf gehen.
Wie machen sie das?
Zunächst sind die befragten Frauen sehr flexibel und arbeiten länger als ihre Nachbarinnen: Die Befragten in der Schweiz wechseln häufiger ihre Funktionen, um mehr Verantwortung und Entlohnung zu bekommen (20% gegenüber 6% in Österreich und 12% in Deutschland). 74 Prozent arbeiten mehr als 41 Stunden pro Woche. Das tun nur 64 Prozent der befragten Deutschen und 54 Prozent der Österreichinnen. „Arbeit und Einsatz werden jedoch häufig nicht automatisch belohnt“, sagt Ann-Kathrin Sauthoff-Bloch, die das Frauennetzwerk bei Accenture in der Schweiz, Österreich und Deutschland leitet. „Man muss auch signalisieren, dass man weiterkommen will.“
Schweizer Frauen scheinen sich das allerdings zu Herzen genommen zu haben: Genauso häufig wie die Schweizer Männer, nämlich zu 68 Prozent, sprechen sie mindestens ein oder zwei Mal im Jahr mit ihrem Vorgesetzten über ihren weiteren beruflichen Weg (60% der Frauen in Österreich, 48% der Frauen in Deutschland). Ihr Chef leitet ihre Karriere auch deutlich häufiger an: 18 Prozent geben dies an, gegen nur 4 und 8 Prozent in Deutschland und Österreich. So können sie Aufstiegswillen zeigen.
Gleiche Chancen im Beruf wie Männer
Schweizerinnen suchen für ihre Karriere auch Rat bei Vorgesetzten (28%) und Kollegen (36%) und nicht nur bei Familie (42%) und Freunden (31%), eher wie die Männer (Vorgesetzte: 33%, Kollegen: 30%, Familie: 37%, Freunde: 25%). Das unterscheidet sie von den Frauen aus ihren Nachbarländern Österreich und Deutschland (Vorgesetzte: 20% und 16%, Kollegen: 32% und 23%, Familie: 48% und 42%, Freunde: 26 und 29%). So geht eine grosse Mehrheit der befragten Frauen in der Schweiz davon aus, die gleichen Chancen im Beruf zu haben wie die Männer. 68 Prozent stimmen dieser Aussage zu, in seltener Übereinstimmung mit den Männern (70%). 42 Prozent der Männer sagen, absolute Gleichheit sei noch nicht erreicht, aber Frauen stünden kurz davor. Dem schliessen sich 38 Prozent der Frauen an. 39 Prozent der Männer finden sogar, Frauen seien bereits gleichgestellt. Demgegenüber meinen aber auch 40 Prozent der Frauen, dies sei noch ein langer Weg.
Gefahr von suboptimalen Personalentscheidungen
„Frauen müssen heute im Berufsleben immer noch viele Steine aus dem Weg räumen, bei allen Fortschritten des letzten Jahrzehnte“, sagt Catrin Hinkel, Geschäftsführerin bei Accenture und verantwortlich für den Bereich Human Capital & Diversity in der Schweiz, Österreich und Deutschland. „Einer der grössten Brocken ist der Glaube vieler Männer, dass Chancengleichheit besteht oder so gut wie erreicht ist.“ Diese Wahrnehmung berge die Gefahr für Arbeitgeber, suboptimale Personalentscheidungen zu fällen. Arbeitet eine Frau zum Beispiel Teilzeit, weil sie Kinder hat, zieht ein Vorgesetzter sie oft aus falsch verstandener Rücksichtnahme nicht in Betracht für eine Position mit mehr Verantwortung – selbst wenn sie die beste Kandidatin dafür ist.
Karriere und Familie schwierig unter einen Hut zu bringen
Die Studie zeigt, dass viele Frauen in der Schweiz Probleme haben, ihre aktive Karriere und ihre Familie unter einen Hut zu bekommen. Dass ihr berufliches Fortkommen gelitten hat, seit sie Mütter sind, sagen immerhin 42 Prozent der befragten berufstätigen Frauen in der Schweiz, und nur 23 Prozent der Väter. Dabei nehmen berufstätige Mütter jede Hilfe bei der Kinderbetreuung, die sie bekommen können: Der (Ehe-)Partner (28%), die erweiterte Familie (23%), Vollzeit- (23%), Teilzeit- (26%) oder sonstige Einrichtungen (19%) spielen eine vergleichbare Rolle für sie. Ganz anders die Schweizer Männer: Sie verlassen sich zu 60 Prozent auf ihre Frauen bei der Kinderbetreuung. „Das Dramatische daran ist, dass vielen Frauen nach der Geburt ihrer Kinder nicht auf den Positionen wieder einsteigen und später nicht die Positionen erreichen, die sie von ihrer Qualifikation her bekleiden könnten“, sagt Catrin Hinkel. „Dieser ‚Brain Drain‘ wirkt schwerer als jegliche Ab- und Auswanderung, und Arbeitgeber können ihn sich immer weniger leisten.“
«Schweizer Frauen machen also vieles richtig»
„Die Schweizer Frauen machen also vieles richtig“, fasst Thomas D. Meyer, Country Managing Director von Accenture in der Schweiz die Ergebnisse zusammen. Hier schlage sich offensichtlich nieder, dass in der besonders wettbewerbsstarken Schweizer Wirtschaft die Höchst¬leistungen aller Mitarbeiter gefordert würden. „Wichtig bleibt hierzulande deshalb vor allem eine bessere Kinderbetreuung“, sagt Thomas Meyer. „Damit die Schweizerinnen Familie und eine aktive Karriere künftig besser miteinander in Einklang bringen können und sich nicht entscheiden müssen. Ebenso wichtig wird sein, Mütter wieder in die Arbeitswelt einzugliedern. Da gibt es noch viel zu tun.“
Insgesamt, so die Erhebung, ist die Job-Zufriedenheit unter Männern und Frauen in der Schweiz gleichermassen hoch. 70 Prozent der befragten Männer und 69 Prozent der Frauen waren 2011 zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. (Accenture/mc/ps)
Über die Untersuchung
Befragt wurden 100 berufstätige Frauen und 100 berufstätige Männer in mittelgrossen bis grossen Schweizerischen Unternehmen. Der Schwerpunkt lag auf Angestellten mit im weitesten Sinne Bürotätigkeit. Die Befragung fand statt im November und Dezember 2011. Der statistische Fehler beträgt +/- 2 Prozentpunkte.
Über Accenture
Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit mehr als 244.000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Das Unternehmen bringt umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture erwirtschaftete im vergangenen Fiskaljahr (zum 31. August 2011) einen Nettoumsatz von 25,5 Mrd. US-Dollar. Die Internetadresse lautet www.accenture.ch