Die Sicht des Raiffeisen-Chefökonomen: Ausländerkoller
St. Gallen – Die leidige Diskussion über die Überhitzung des Immobilienmarktes konnte ich jüngst mal wieder auf einem Podium führen. Was mich da am meisten erstaunte? Dass eigentlich unisono alle die Ursachen des «Debakels» kennen – die tiefen Zinsen – und begreifen, dass dadurch eine Logik greift, welche die Immobilienpreise automatisch in die Höhe treibt. Solange die Kapitalisierungssätze gesunken sind, was über 25 Jahre lang trendmässig der Fall war, mussten die Preise an den Immobilienmärkten – deren Bewertungslogik folgend – zwangsläufig steigen. In den Bilanzen der Pensionskassen oder Immobiliengesellschaften genauso wie am Markt für Wohneigentum.
Zwar wird seit geraumer Zeit eifrig daran gearbeitet, an allen Ecken und Enden Schräubchen gedreht, um der vermeintlichen Überhitzung Herr zu werden. Das hilft nur wenig, solange die grosse Schraube und wertbestimmender Faktor Nummer eins am Immobilienmarkt, der Zins, fällt oder regungslos tief ist. Einführung und Erhöhung des Kaitalpuffers, strikte Amortisationspflicht, höhere Eigenmittelforderungen, sollten letztendlich Angebot und Nachfrage deckeln. Gleichzeitig sanken aber nochmals die Zinsen, so dass die Massnahmen teilweise verpufften. Inzwischen ist eine leichte Marktberuhigung im Gang, aber der Eigenheimmarkt bleibt für jeden Haushalt, der Erschwinglichkeit und Tragbarkeit erfüllt, die finanziell klar bessere Alternative als Miete. Und daran wird sich auch nichts ändern. Denn mit steigenden Zinsen sinken nicht nur Immobilienwerte, sondern es steigen auch die Mieten. Und das wahrscheinlich ziemlich im Gleichklang.
Ausverkauf der Heimat
Doch die Politik sieht erneut Handlungsbedarf am Immobilienmarkt, dieses Mal mit Fokus Renditeliegenschaften, aber nicht nur. Der Bund schickte Mitte Mai eine Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland in die Vernehmlassung. Auf einem anderen Podium, konnte ich über die Argumente der Befürworter dieser Gesetzesänderung nur staunen. Da klang manches nach dem berühmten «Ausverkauf der Heimat». Ausländische Spekulanten, die den Immobilienmarkt wie Heuschrecken leerkaufen und daher den Markt aushebeln, wenn nicht eilig Gegensteuer gegeben wird. Ob es nicht imageschädigend für die Schweiz ist, die mühselige ex-Lex Koller überhaupt wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen, wo die EU doch ein besonders kritisches Auge auf die Schweiz hat, notabene selbst einer der grössten ausländischen Direktinvestoren, war kein Thema. Das noch umso mehr, als man vor nicht allzu langer Zeit die Restriktionen für Ausländer bei Immobilien lockerte, weil man auf ausländisches Kapital angewiesen war. Es hat sich auch niemand gefragt, ob das ganze Unterfangen nicht gar ausländer- oder wachstumsfeindlich ist.
Was würden die vielen Schweizer, die in der Toskana oder sonst wo in der Welt Eigentum erworben haben, wohl dazu sagen, wäre ihnen dies verwehrt worden? Die Kausalität steigender Preise infolge exzessiver ausländischer Immobilienhaie gehört nicht auf ein Bundespapier, sondern in ein Märchenbuch. Marktkenner wissen erstens was und zweitens wer die Preise in die Höhe treibt. Erstens der Zins und zweitens die heimischen Anleger, vor allem natürlich die institutionellen, aber auch in zunehmendem Masse private.
Dass vom Schweizer Immobilienkuchen am Ende nicht viel für ausländische Investoren übrig bleibt, macht ein kleines Zahlenspiel deutlich. Allein die Pensionskassen müssen jährlich etwa 50 Milliarden Franken neues Spargeld anlegen, plus den 10 Milliarden Netto-Cashflow den sie erwirtschaften. Jährlich werden Renten in Höhe von etwa 30 Milliarden fällig, mehr als jährlich investierbare Neubauten entstehen. Unterm Strich müssen allein die Pensionskassen aber 30 Milliarden Franken jährlich im Markt anlegen und zu mindestens 1.75% verzinsen. Auch hier spielt der Zins die Hauptrolle. Früher floss die Hälfte bis zwei Drittel des Pensionskassengeldes in festverzinsliche Anleihen. Seit da aber keine Rendite mehr lockt, gelangt logischerweise viel mehr Geld in den Markt für Renditeliegenschaften. So viel zum Thema «Ausverkauf der Heimat».
Genossen ja, Anleger nein
Und doch behauptet der Bund, dass in letzter Zeit Wohnungsgrundstücke in grossem Ausmass von börsenkotierten Gesellschaften gekauft und in Fonds eingebracht würden. In der Medienmitteilung des Bundes zur Vernehmlassung heisst es zudem «…, dass die Kapitalisierung von Wohnimmobiliengesellschaften in den letzten Jahren stark angestiegen ist». Kein Hinweis findet sich, dass die besagten Immobiliengesellschaften in den letzten Jahren nicht zu den sogenannten Outperformern an der Börse gehörten und die Kapitalisierung unzähliger Unternehmen noch um viel mehr zugelegt hat, auch in der Schweiz und längst nicht nur im Technologiebereich. Das passt irgendwie nicht zusammen und deshalb versteht auch niemand in der Branche, weshalb man nun wieder Beschränkungen beim Erwerb von Betriebsstätten durch Ausländer liebäugelt und ellenlange Gesetzestexte schreibt, die den rechtlichen Status von meist nicht (mehr) qualifizierten Investoren akribisch definiert. Das ist eine Kanone gegen Spatzen.
Doch auch eine Lockerung steht mit dem Gesetz ins Haus. Ich weiss zwar nicht, wie es diese in den Vernehmlassungsentwurf geschafft hat, aber man möchte die Gelegenheit der Gesetzesrevision gleich nutzen, das vom Nationalrat angenommene Postulat Hodgers in die Vorlage einzubauen. Das möchte in Zukunft Staatsangehörigen aussereuropäischer Länder den Zugang zu Genossenschaftswohnungen ermöglichen, also den Kauf von Genossenschaftsanteilsscheinen. Die Lex ist alles andere als ausländerfeindlich also, kein Koller in Bern also.
Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen