Der Chipmangel hält an und bremst die weltweite Automobilproduktion. In Europa dürften heuer deshalb 5 Millionen Fahrzeuge weniger vom Band rollen als die Kapazitäten es eigentlich zuliessen. Im Bau suchen die Firmen Holz, Stahl oder sonstige Metalle, welche nach wie vor rar sind. Die Auftragsbücher der Industrie sind prall gefüllt, aber der Mangel an gewissen Rohstoffen oder Vorprodukten verhindert, dass die Aufträge auch abgearbeitet werden können.
Das sind aber wohl schon fast Luxusprobleme, gemessen am Zustand unserer Wirtschaft vor gut einem Jahr. Auch die Strassen sind spürbar wieder belebter, unsere Mobilität nimmt wieder zu. Die Terrassen der Cafés oder Restaurants sind gut besucht, in den Läden herrscht reges Treiben. Es ist schon fast wieder wie wenn’s Corona gar nicht mehr gäbe. Woher kommt diese Leichtigkeit, die hoffentlich keine Leichtfertigkeit ist?
Da ist zunächst mal der Impffaktor. Immerhin sind fast die Hälfte hierzulande nun durchgeimpft. Das Tempo lässt zwar nach und die Impfskeptiker zu mobilisieren wird schwer. Dennoch schafft die hohe Impfquote eine trügerische Sicherheit, auch wenn es für die vielleicht noch ein bisschen zu früh ist. Im Fitnessstudio ist die Maskenpflicht faktisch aufgehoben und die Wirtschaft würde wohl gern noch weiter gehen und sie in Supermärkten oder Einkaufszentren ebenso am liebsten fallen lassen. Ein weiterer Treiber der Leichtigkeit ist die nun stattfindende Revitalisierung des öffentlichen Lebens, denn die setzt viel ökonomische Kräfte frei. Die Haushalte sind heiss darauf, sich endlich wieder einmal was zu leisten, verköstigen sich auswärts. Urlaubspläne, auch wenn eher nah als fern, hat(te) beinahe jeder, die Hotels sind sehr gut ausgelastet. Ja, die Schweiz kann sich bisher wirklich glücklich schätzen, so glimpflich davon gekommen zu sein.
Dass die Leichtigkeit nicht zur Leichtfertigkeit wird, hat einen wichtigen Grund. Wir machen in der Coronakrise vieles besser als unsere Nachbarn. Weniger hüh und hott, generell weniger restriktive Massnahmen, mutigere Öffnungsschritte und das wichtigste eine Bevölkerung, die die Politik zwar kritisch beäugt, sich im Grossen und Ganzen aber an die Weisungen aus Bern hält. Man hätte wahrscheinlich einiges besser machen können, aber nicht vieles. Dank der umsichtigen Massnahmen können wir nun wieder fast alle Freiheiten wie vor der Pandemie geniessen, ausser in Massen versteht sich. So weit so gut. Fast jeder von uns hat den bisherigen Verlauf der Pandemie anders erlebt, aber sehr viele werden ihr Verhalten voraussichtlich auch nachhaltig anpassen. Homeoffice ist nicht mehr wegzudenken, Onlineshopping erst recht nicht und Netflix und Co. freuen sich über hohe Abonnentenzahlen. Mehr zu Hause oder ums Haus statt weit raus, lautete die Devise bisher. Nun holt sich jeder zwar wieder ein Stückchen der Normalität zurück, aber viele werden ihre alten Rhythmen nicht mehr vollends wiederfinden. Doch was offenbar wider jeder Vernunft nach wie vor betrieben wird, ist viel Lärm um nichts. Ich meine den Lärm des 1. August.
Natürlich bin ich Patriot und halte den Nationalfeiertag für ein wichtiges Datum, das jeder angemessen sollte begehen können, ganz nach seinem Gusto. Aber muss es immer so laut sein? Auf einer Silvesterparty in meiner Studienzeit hatten wir das Motto «Brot statt Böller». Das war Anfang der 1980-er Jahre und man war damals mal wieder sehr sensibel in Bezug auf die Welternährungsfrage. Also feierten wir ohne den üblichen Knall, ohne Raketen und auch ohne Feuerpyramiden. Es ging einwandfrei, wie Sie sich vorstellen können, und tat der Stimmung überhaupt keinen Abbruch. Wieso aber nur ballern wir pro Kopf etwa 3 Franken einfach so in die Luft? Tradition sagen die Befürworter, Verschwendung, Lärm-, Umweltbelastung und Belastung des gesamten Tierreiches, die Gegner. Und so unrecht haben die ja nun nicht.
Unsere Raketen und Knaller sind für uns aber wie die Waffe für den Amerikaner. Privatsache, die lassen wir uns nicht nehmen und damit basta. Und somit musste ich auch dieses Jahr den Hund mal kurz aus dem Rennen nehmen, als das Bombardement über die Bühne ging und sich geschätzte zwanzig Millionen Franken in Schall und Luft auflösten. Eine dumme Gewohnheit, die wir mit Corona grad auch noch hätten hinter uns lassen können. Volkswirtschaftlich bringt die Ballerei auch annähernd nicht so viel rein, wie sie kostet. Purer Unsinn der Menschheit der weiter geht, wie wir am Sonntag schweizweit zu hören und sehen bekamen. (Raiffeisen/mc)
Martin Neff, Chefökonom Raiffeisesn