Als während Corona gähnende Leere in den Grossraumbüros herrschte, lagen die Meinungen zu den Konsequenzen für den Büroflächenmarkt weit auseinander. «Keine Folgen», meinten die einen, «disruptive Umwälzungen», die anderen. Auffallend viele Immobilienexperten hielten sich bedeckt und betonten, man könne keine Aussage machen.
von Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen
Für Immobilieninvestoren eine wenig hilfreiche Haltung. Damals, im Juni 2020, wagte ich die Prognose, dass der Homeoffice-Effekt in der Schweiz isoliert von anderen Einflüssen langfristig einen Minderbedarf an Büroflächen von rund –15% auslösen dürfte. Worauf basierte diese Prognose und wo steht diese heute in der Landschaft?
Von Beginn an war klar, dass die einschneidende Erfahrung von COVID-19 nicht spurlos am Büroflächenmarkt vorbeigehen würde. Die Coronakrise erbrachte den unwiderlegbaren Beweis, dass Heimarbeit funktioniert. Heimarbeit war salonfähig geworden. Für die Mitarbeitenden war der Gewinn an Lebensqualität derart hoch, dass sie sich diesen Vorteil kaum mehr gänzlich nehmen lassen werden, schon gar nicht in einem Umfeld von Fachkräftemangel, in welchem die Unternehmen gut beraten sind, auf die Anliegen ihrer Mitarbeitenden Rücksicht zu nehmen. Gleichzeitig waren Zweifel über die Produktivität im Homeoffice nicht vom Tisch zu wischen. Innovative Unternehmen, die das Konzept bereits vor der Pandemie angewendet hatten, wandten sich wieder davon ab. Die Frage der Produktivität wird sehr kontrovers diskutiert und empirische Erkenntnisse sind sehr uneinheitlich.
Je nach Umfang von Homeoffice, Art der Arbeitstätigkeit und Mitarbeitertyp fallen die Antworten unterschiedlich aus. Die Unternehmen spüren jedoch, dass bei zu viel Homeoffice etwas auf der Strecke bleibt, und fordern eine Rückkehr ins Büro. Dabei wird weniger eine zu tiefe Produktivität ins Feld geführt, als dass im Homeoffice der informelle Austausch, die Kreativität, der Wissenstransfer und die teamübergreifende Kommunikation zu kurz kommen. Die Rückkehraufforderung stiess jedoch auf Widerstand bei den Arbeitnehmenden. In vielen Firmen hat sich daher ein Mischmodell aus Homeoffice und Büropräsenz herausgebildet.
Das Homeoffice-Phänomen ist in der Schweiz deutlich weniger stark ausgeprägt als im Ausland. Die Arbeitsplatzpräsenz lag in der Schweiz im 3. Quartal 2022 gemäss Googledaten nur noch rund 17% bis 19% unter dem Vor-Corona-Stand. In London dagegen meldeten im Herbst 2023 die wichtigsten Schienenverkehrsbetreiber, dass sie im Vergleich zur Zeit von vor Corona wochentags noch immer ein knappes Drittel weniger Pendelnde in die Hauptstadt befördern. Ähnliche Werte werden aus New York gemeldet, wo der Rückstand sogar noch mehr als ein Drittel ausmacht.
Gemäss Statistiken, die sich auf grössere Bürogebäude in den US-Metropolen fokussieren, liegt die Lücke noch immer zwischen 40% und 50%. Zwar steigt die Zahl der Rückkehrer ins Büro weiterhin an, doch die ursprünglichen Werte scheinen ausser Reichweite zu liegen. Die Folgen für die Büroflächenmärkte sind nicht zu übersehen. In Grossbritannien sind die Büroleerstände auf 9,3% gestiegen, in den USA auf ein Allzeithoch von 19,7%. Das renommierte Nachrichtenmagazin «The Economist» stellte dementsprechend im Februar die Frage, ob die US-Gewerbeimmobilienkrise das Potenzial hätte, eine Finanzkrise auszulösen. Das würde ich verneinen, doch der Homeoffice-Trend setzt die Büroflächenmärkte einem Stresstest aus. In Grossbritannien dürfte die schwierigste Phase bereits überwunden sein. Die Vermietung von Büroflächen hat im letzten Quartal 2023 wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. In den USA dürfte die Erholung noch etwas länger dauern, doch auch dort dürften aufgrund einer stark reduzierten Flächenproduktion die Leerstände ab 2025 zu sinken beginnen.
In der Schweiz liegen die Leerstände dagegen bei geschätzt knapp 5%. Der Anteil von Homeoffice ist in der Schweiz markant geringer als in den USA. Die Hauptgründe dafür sind die Kleinräumigkeit der Schweiz sowie das gut ausgebaute öffentliche Verkehrssystem. Die mittlere Pendelzeit beträgt in der Schweiz nur 30 Minuten für einen Arbeitsweg, deshalb verlief die Rückkehr ins Büro auf einem steileren Pfad als im Ausland. Doch auch hierzulande geht der Homeoffice-Trend nicht spurlos am Büroflächenmarkt vorbei. Der jüngste regionale Konjunkturreport der Schweizerischen Nationalbank vom 1. Quartal 2024, der auf Unternehmensgesprächen beruht, meldete eine leichte Unterauslastung im Dienstleistungssektor, die explizit auf etwas zu grosse Büroflächen zurückzuführen sei. Bisher hat die Büroflächennachfrage nur sehr träge auf den Strukturwandel reagiert. Die Unternehmen liessen sich lange Zeit mit Anpassungen aus Unklarheit über den tatsächlichen Flächenbedarf wie auch aufgrund von langen Mietverträgen.
Die Mindernachfrage nach Büroflächen seitens der Unternehmen konnte auf dem Schweizer Büroflächenmarkt bisher relativ gut aufgrund eines dynamischen Beschäftigungswachstums nach der Coronakrise aufgefangen werden (+6,7% Beschäftigte seit Q1 2020). Zudem dämpfen der höhere Bedarf von Kommunikationszonen bei hybriden Arbeitskonzepten sowie die sehr unterschiedlichen Auslastungen nach Wochentagen das Einsparpotenzial. Dienstag bis Donnerstag gelten als die bevorzugten Präsenztage. Eine Glättung der Präsenzspitzen über die Woche scheint schwierig, da die Arbeitnehmenden ja gerade deswegen ins Büro kommen, um die anderen Arbeitskollegen und -kolleginnen zu treffen.
Zu den überschaubaren Leerständen hierzulande hat auch eine geringe Produktion von neuen Büroflächen beigetragen. Bereits vor der Pandemie lag diese auf einem ungewohnt tiefen Niveau, was sich seither noch akzentuiert hat. Die tiefe Neubauproduktion von Büroflächen ist auch dafür verantwortlich, dass das Volumen der zur Vermietung ausgeschriebenen Büroflächen mittlerweile sinkt. Der Druck im Markt aufgrund des verminderten Flächenbedarfs manifestiert sich jedoch in den Mietpreisen. Die Angebotsmieten liegen im Schnitt knapp 7% tiefer als beim Ausbruch der Coronapandemie. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Flächenanbieter mittlerweile zu grösseren Kompromissen bei der Vermietung gezwungen sind.
Der Büroflächenmarkt dürfte noch ein paar Jahre benötigen für die Bewältigung dieses Strukturwandels. In Deutschland schätzt eine kürzlich veröffentlichte Studie von Colliers und dem ifo-Institut den langfristigen Minderbedarf an Büroflächen wegen Homeoffice im Hauptszenario auf 12%, was einen weiteren Referenzpunkt für die Schweiz hergibt. Die eingangs erwähnte Grössenordnung für den Minderbedarf dürfte damit als Richtwert gute Dienste leisten. Ein Teil der Anpassung dürfte bereits vollzogen sein, weitere Flächenoptimierungen stehen jedoch noch an – in einem Umfeld mit etwas geringerer Beschäftigungsdynamik.
Anschliessend dürfte wieder ein stärkeres Wachstum der Büroflächennachfrage einsetzten, da andere strukturelle Trends wie die Digitalisierung und die Tertiarisierung des Industriesektors einen Mehrbedarf an Büroflächen auslösen werden, da immer mehr Arbeitstätigkeiten hinter einem Bildschirm ausgeführt werden. Kurz- bis mittelfristig ist der Markt demnach weiterhin etwas unter Druck, langfris-tig sind die Aussichten für den Schweizer Büroflächenmarkt jedoch gut. Zu beachten sind allerdings weitere strukturelle Veränderungen, die sich abzeichnen. Weil A-Lagen von der höheren Attraktivität für Mitarbeitende profitieren, dürften B- und C-Lagen die Folgen des Homeoffice-Trends verstärkt zu spüren bekommen. Dasselbe gilt für Gebäude, welche den qualitativen Anforderungen der neuen Arbeitswelten zu wenig genügen. (Raiffeisen/mc/pg)