Es ist ja kein stilles Geheimnis, dieses Corona Hin und Her macht uns schon ein bisschen fertig. Was wir dürfen und was nicht, entscheiden heute Leute, die von Infektionskrankheiten etwa so viel verstehen wie ein Ökobauer von Formel 1 Rennen, womit ich kein Klischee bedienen möchte, sondern lediglich die Gegensätze, welche uns derzeit regieren. Was wissen die Bürgerlichen oder die Sozis, die Grünen oder deren Vertreter eigentlich von Pandemien? Nun, etwa so viel wie ich von Hunden.
Spannend ist das Thema Hund in mehrfacher Hinsicht. Mitten in der Pandemie sind Haustiere gefragter denn je. Und die Vierbeiner sind ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor, wessen ich mir im Grunde gar nicht bewusst war, bis ich mir selbst einen Hund zulegte. In der Schweiz zum Beispiel lebt in 44 % aller Haushalte ein Haustier. Wir geben hierzulande weit mehr als 500 Millionen CHF allein für Katzen- oder Hundefutter aus. Die gesamten Ausgaben für Haustiere betrugen im vorletzten Jahr gut und gerne 700 Millionen CHF. Konkret für 1.7 Millionen Katzen, eine halbe Million Hunde, Unmengen von Hasen, Vögeln und Reptilien.
Katzen sind unter den Säugetieren am beliebtesten, jedoch eher bei Mädchen als bei Jungen. Der Anteil der weiblichen Haustierhalter mit Katzen übersteigt mit 71% denjenigen der männlichen mit 58 % signifikant. Wahrscheinlich leben in der Schweiz genauso viele Haustiere wie Menschen, wobei die meisten in Aquarien schwimmen, namentlich fast drei Millionen Fische. Nummer zwei der Haustiere sind Katzen mit mehr als 1.7 Millionen, gefolgt von Fischen in Teichen (1.1 Millionen) und dann sind wir schon bei Hunden, immerhin etwas über 500’000 Exemplaren.
Zwar liegen keine aktuellen Zahlen für 2021 vor, aber man muss kein Prophet sein, um davon auszugehen, dass die Haustierhaltung am aktuellen Rand signifikant zugenommen haben dürfte. Warum? Ganz einfach, weil Einsamkeit schädlich ist und man sich dessen in Zeiten Coronas bewusster denn je wird.
In einem interessanten Essay umschreibt die britische Ökonomin Noreena Hertz, Ehrenprofessorin am University College in London, das Phänomen der Einsamkeit und kommt dabei zum Schluss, dass Einsamkeit ökonomisch schädlich ist. Wer längere Zeit einsam sei, weise mit 32 % höherer Wahrscheinlichkeit Risiken eines Herzinfarktes aus. Einfach ausgedrückt sagt sie: «Einsamkeit ist so schädlich wie 15 Zigaretten am Tag». Teams, die zusammen Mittagessen, seien erfolgreicher als Teams, die sich das Mittagessen nicht teiten. Und der Wettbewerb, der Eigeninteressen und Selbstsucht statt Gemeinsinn fördere, sei eigentlich schädlich, da er Konkurrenz statt Kooperation in den Vordergrund stelle. Nun denn. Wenn Einsamkeit wirklich zum Problem werden sollte, haben wir in Zeiten der Digitalisierung wenigstens genug Alternativen, Kontakte zu knüpfen. Dating-Plattformen gibt es zuhauf und sogar eine(n) Freund(in) (Rentafriend) kann man im Netz mieten, man stelle sich das vor!
Ich wage die Prognose, dass Covid die Sucht nach sozialen Plattformen, so unpersönlich sie auch sein mögen, drastisch erhöht, da die Einsamkeit um jeden Preis kompensiert sein möchte. Und dass Haustiere einen neuen Boom erfahren werden. Selbst meine Wenigkeit ist seit geraumer Zeit Hundebesitzer. Diese Tatsache ist zwar nicht der Einsamkeit geschuldet, sondern war ein ohnehin lang gehegter Wunsch, aber dass wir uns den genau jetzt erfüllten, hat schon etwas mit Corona zu tun. Und wir wollten die überschüssige Zeit nicht mit Instagram oder Facebook füllen, sondern mit etwas, das lebt, im wahrsten Sinne. Wetten, dass noch mehr auf den Hund kommen? Immerhin sind pro Kopf bis 2025 gut 60 CHF jährlich für die Heimtierhaltung prognostiziert. 2010 waren es noch 45 CHF. Einsamkeit, trotz weltweiter Verbundenheit ein stetig wachsender Markt offenbar.
Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen