Es ist wieder Home Office angesagt. Bei sehr vielen von uns wahrscheinlich. Und was schon im Lockdown während des Frühlings zu nerven begann, kommt uns nun wieder in Erinnerung, wo wir zu Hause sitzen. Dass es an etwas fehlt. Kein Balkon, keine Terrasse heisst leider keine schnelle Brise Frischluft schnappen zu können. Auf Dauer wäre ein zusätzliches Zimmer vielleicht auch nicht das Dümmste.
Denn Home Office wird auch in Zukunft eine Rolle spielen. Und wenn die Kinder jemals wieder Homeschooling haben sollten, dann wird es wieder eng. Zu Hause, mehr als uns lieb ist, verbringen wir 2020 in den eigenen vier Wänden. Und das schafft offenbar den nötigen Horizont, die eigene Wohnsituation kritisch zu überdenken. Nicht wenige Haushalte in der Schweiz machen sich diesbezüglich Gedanken zurzeit, mehr als vor Corona.
Sich jedoch in der Realität seinen neuen Wohntraum zu erfüllen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn derweil die Schweizer Wirtschaft von einem wahren Tsunami erfasst wurde und jetzt nur mühsam wieder aufersteht, war im Immobilienmarkt von Bremsspuren fast nichts zu spüren. Das Angebot an Wohnungen ist, vor allem dort wo gesucht wird, immer noch ausgesprochen knapp. Und da, wo die Märkte etwas flüssiger sind, zieht es die Leute weniger hin. Von den eigenen vier Wänden können ohnehin nur noch die wenigsten unter uns träumen, denn wenn nicht die Tragbarkeit zur Hürde wird dann spätestens das exorbitant hohe Preisniveau.
Leerstand, indes in gewissen Regionen im Mietwohnungsmarkt ein Problem, spielt im Markt für Eigenheime fast keine Rolle. Wer gar negativ denkt, sieht am aktuellen Rand der Preisentwicklung zwar eine abflachende Tendenz, aber letztlich steigen die Preise dennoch, vielleicht einfach nicht mehr ganz so stark wie zuvor. Dass die Preise nach unten recht gut abgesichert sind, scheint ausgemacht. Das Angebot ist stark rückläufig in den letzten Monaten und so wird die Knappheit im Eigenheimsegment wichtigster Treiber der dortigen Entwicklung sein.
Bewegung am Mietwohnungsmarkt
Ganz anders spielt die Musik im Mietwohnungsmarkt. Dort hatten die Leerstände zuletzt doch beunruhigend zugenommen und die Niveaus sind mit fast 3 % deutlich höher als im Eigenheimbereich mit 0,6 %. Aber auch da reagiert das Angebot bereits, wohlgemerkt auf die zuletzt bereits tiefere Migration und nicht etwa Corona. Die Pipeline wird zusehends dünner, jüngst gingen erneut weniger Baugesuche ein und auch die Produktion dehnt sich nicht mehr weiter aus. Neu ist hingegen, dass nun auch in Bestandsbauten Leerstand ein Thema ist. Man kann noch nicht von einer Dynamik sprechen, aber die neuen Wohnungen halten mittlerweile Schritt im Markt und verdrängen zunehmend die Älteren.
Das mag damit zusammenhängen, dass die Baupreise nicht mehr zunehmen und das Angebot, das neu auf den Markt kommt, einiges attraktiver ist als der Bestand. War es früher ganz normal für die Vermarktung einer Neuwohnung mehr Zeit einzukalkulieren als für eine bestehende Wohnung, so ist dies inzwischen nicht mehr der Fall. Den von Corona gepeinigten Wohnungssuchenden mag dies entgegenkommen, zumindest ausserhalb der Ballungszentren. In Letzteren ist der Markt noch immer äussert illiquid.
Ruhe vor dem Sturm?
Wer nun glaubt, dass Corona wenigstens auf dem Markt für Retailflächen ein Blutbad hinterlassen hat, sieht sich getäuscht. Man muss allerdings vorwegnehmen, dass der Markt schon vor Lockdown und Co. angeschlagen war. Vor allem im Nonfood-Bereich wurde in den letzten zwei Jahrzehnten eine gnadenlose Rabattschlacht forciert, welche die Margen hat dünn werden lassen. Die Fluktuation ist im stationären Handel generell höher und die grossen Handelsketten formatieren sich seit 20 Jahren laufend neu. Über mangelnde Bewegung konnte sich kein Marktteilnehmer je beklagen. Corona hat nun aber einige zum Aufgeben gezwungen und den Leerstand bei Retailflächen auf über 6 % schnellen lassen. Es gibt aber auch Neugründungen, und zwar mehr als im Vorjahr bei gleichzeitig tieferer Insolvenzzahl. Im Einzelhandel ging Letztere in den ersten neun Monaten des Jahres um 20 % zurück, im Gastgewerbe um 21 %. Gleichzeitig stiegen die Neugründungen im Einzelhandel um 9 %, im Gastgewerbe um 1 %.
Die neuen Unternehmen werden wiederum Flächen benötigen und dieser Kreislauf hält den Markt am Laufen, aktuell bei etwas höherer Volatilität als auch schon. Das war’s dann aber auch schon mit Corona am Schweizer Immobilienmarkt und es bleibt dabei: der macht seinem Namen alle Ehre und bleibt eben immobil, wenn rund herum alles schwankt und damit letztlich stabil.
Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen