Die Sicht des Raiffeisen-Chefökonomen: Transparente Blase?
St. Gallen – Wir erinnern uns. Schon mindestens acht Jahre warnen diverse Experten vor einer Immobilienblase in der Schweiz – an vorderster Front die Schweizerische Nationalbank (SNB). Die wurde auch aktiv und nahm die Banken im Gespann mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma an die kurze Leine. Und wie sie das taten, das zeigt der nachfolgende schnelle Rückblick auf die verschiedenen Massnahmen.
Zunächst führte man „harte“ sprich nicht via Pensionskasse garantierte oder eingebrachte Eigenmittelanforderungen von 10% ein (plus die weiteren 10% „weiche“), dann zudem den antizyklischen Kapitalpuffer, der anschliessend erhöht wurde und Banken zwang, Hypothekarkredite mit mehr Eigenmitteln zu unterlegen. Hinzu kamen verkürzte lineare Amortisationsvorschriften (sprich jährlich und nicht zum Ende der Kreditlaufzeit) – ein schon recht umfangreiches Paket könnte man meinen. Denn darüber hinaus überwacht man argwöhnisch Einhaltung des längst nicht mehr zeitgemässen kalkulatorischen Zinssatzes, obwohl der vielleicht überhaupt nie mehr erreicht wird. Mit allen Mitteln wurde also schon versucht, der Blase Luft abzulassen und doch brummt der Immobilienmotor weiter, als wäre nichts gewesen. Wäre es nicht mal Zeit für eine Ursachenforschung oder besser gesagt Selbstreflektion?
Dem scheint nicht so, auch wenn die Tonalität nicht mehr die Dramatik versprüht, wie noch vor einigen Jahren, wird das Credo dennoch gebetsmühlenhaft wiederholt und beliebig verlagert. Jetzt sind es nicht mehr oder besser nicht mehr nur die Eigenheimmärkte, sondern auch die Märkte für Renditeliegenschaften, die unserer Aufsicht Sorgen bereiten. In diesen Märkten hätten sich über die vergangenen Jahre Ungleichgewichte aufgebaut, die noch immer gross seien, so heisst es aus dem Hause unseres Geldhüters. Dort beobachtet die SNB nach eigenem Bekunden ein stärkeres Preiswachstum und eine ungebrochene Nachfrage, obwohl die Renditen schon stark gefallen seien.
Das ist spannend. Ich persönlich kenne keine zuverlässige statistische Reihe, welche auch nur annähernd repräsentative Aussagen zur schweizerischen Preisentwicklung von Mietobjekten geschweige denn deren Renditen zulassen. Warnen um des Warnens Willen scheint die Devise. Wenn dann mal was passiert, kann man sich wenigstens darauf berufen.
Brandstifter mit Feuerlöscher
Was in der Betrachtung stets zu kurz kommt, ist die Ursachenforschung. Symptome wie lokale Überhitzungserscheinungen, teilweise sogar exzessive Preisentwicklungen und Minirenditen an Topstandorten mögen unbestritten sein, aber warum dies so ist, traut sich keiner zu sagen. Dabei ist klar, wodurch die Hitze am Markt verursacht wird. Eine Geldpolitik, die Zinsen nicht nur jahrelang künstlich tief hält, sondern sie auch ins Negative drückt, muss zwangsläufig in eine Explosion der Vermögenspreise münden. Die für institutionelle Anleger wichtigste und gewichtigste Anlageklasse der festverzinslichen Anleihen wirft schliesslich im herrschenden Zinsumfeld nichts mehr ab, genauso wenig wie das Sparkonto für private Anleger. Es ist daher nur rational, dass das Geld in andere Vermögensklassen fliesst. Auch wenn die risikobehafteter sein mögen, werfen sie doch wenigstens noch etwas Rendite ab. Und hinter Aktien oder Immobilien stehen immerhin noch reale Werte. Investoren wurde auf Grund einer fehlgeleiteten Geldpolitik ihre grösste Anlageklasse geraubt und nun werden sie dafür „gerügt“, wenn sie sich auf die Suche nach Alternativen begeben. Fakt ist, die Zinspolitik ist Auslöser der Blase oder besser der Brandstifter und nicht etwa die Akteure an den Märkten.
Redundanz in Neuenburg
Doch zurück zu den Renditeliegenschaften, vor deren Entwicklung neuerdings alle warnen. In diesem Markt tappen eigentlich fast alle Player so ziemlich im Dunkel und die wenigen Indikationen, die man hat, sind offenbar politisch zu heiss, als dass sie aufs Parkett kämen. Wieso etwa die Bestandsmieten zulegen, obwohl die Zinsen kontinuierlich sinken, ist kaum ein Thema. Im Gegensatz zum gut dokumentierten Eigenheimmarkt, dessen Preisentwicklung ziemlich transparent ist, gibt es für den Mietwohnungsmarkt wenig verlässliche Preisangaben, sowohl für Neubauten als auch für Bestandsliegenschaften.
Spektakuläre Transaktionen gibt es zwar zuhauf, aber nicht die ganze Schweiz liegt an der Bahnhofstrasse in Zürich oder am Suvretta-Hang in St. Moritz. Ob die dortigen Exzesse landesweit verbreitet sind, weiss niemand. Wieso sorgt hier eigentlich niemand für Transparenz? Muss das am Ende wieder die Privatwirtschaft übernehmen – so wie nach dem Immobiliencrash der Neunzigerjahre, als es private Institute waren, die hedonische Preisreihen für Wohneigentumsobjekte schufen, mit denen heute auch SNB und Bundesbern argumentieren?
Es sieht ganz danach aus, dabei wäre das Bundesamt für Statistik (BFS) genau dafür prädestiniert, die Grundbuchämter schweizweit anzuzapfen. Doch woran forscht das Amt in Neuenburg? Halten Sie sich fest, an einem hedonischen Preisindex für Eigentumsobjekte! Dabei gibts die hierzulande schon in Hülle und Fülle. IAZI, Wüst und Partner, FPRE, die ZKB oder auch Raiffeisen verfügen über entsprechende Indizes. Und besser werden die auch nicht, wenn sie durch das Bundesamt berechnet werden, denn der Datenpool ist plus minus derselbe. Was hat sich der Bundesrat dabei nur gedacht?
P.S. Es gab einmal eine Statistik zu Planvorlagen für industrielle oder gewerbliche Bauten, die wurde Ende der Achtzigerjahre eingestellt. Das wäre doch was für das BFS.
Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen