Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Trump ändert die Spielregeln

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Trump ändert die Spielregeln
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Mein Handy stammt aus den USA, mein Auto aus Deutschland, meine Anzüge kommen aus Italien oder Asien, in meinem Haushalt benutze ich täglich Dinge, die aus zig Ländern zu mir nach Hause gefrachtet werden. Freihandel, so scheint es, tut mir gut und der Wirtschaft sowieso. Genauso wie der Klima- und Umweltschutz. Auf den möchte doch allen Ernstes niemand verzichten. Ausser die, die den Klimawandel kategorisch in Frage stellen, wie Donald Trump.

Die Kritik am US-Präsidenten reisst nicht ab. Der US-Präsident ist mit grossen Ambitionen ins Amt gestartet und sein Elan der ersten Wochen hat die Stimmung in der Wirtschaft und bei einem Teil der Bevölkerung tatsächlich deutlich verbessert. Dieser Effekt ist mittlerweile aber wieder verflogen, denn die allermeisten seiner wirtschaftspolitischen Vorhaben sind arg ins Stocken geraten und für Monate, vielleicht sogar für Jahre auf Eis gelegt. Dazu tritt Trump mit erschreckender Regelmässigkeit von einem Fettnäpfchen ins andere, sei es auf dem internationalen Parkett oder in der Innenpolitik, z.B. mit seinen impulsiven, frühmorgendlichen Tweets.

Der Unmut ist inzwischen nicht nur in den liberalen Medien sehr gross, sondern auch in der breiten Bevölkerung. Trumps Zustimmungswerte liegen derzeit auf Rekordtief, nur noch bei knapp 40%, der Rest ist mit seiner bisherigen Amtsführung unzufrieden. Zumindest in der neueren US-Geschichte war kein anderer Präsident bereits so früh so unbeliebt. Besonders gross war die Aufregung, als Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigte; wohl durchaus zurecht, auch wenn die Medien mit ihrem Trump-Bashing und Klima-Alarmismus gelegentlich übertreiben. Was in der Diskussion etwas zu kurz kam: Die Amerikaner haben ihren C02 Ausstoss in den letzten 20 Jahren leicht gesenkt und stehen damit im internationalen Vergleich nicht mal so schlecht da. China emittiert inzwischen doppelt so viel Kohlendioxid wie die USA und auch beim Pro-Kopf-Ausstoss sind die Amerikaner gar nicht der schlimmste Klimasünder. Diese «Ehre» gebührt Australien. Und was ebenfalls erstaunt: Von den neu geschaffenen Energiekapazitäten in den USA stammen mittlerweile bereits etwa 30% von erneuerbaren Energien, also so viel wie in der EU. Dieser Trend hin zu klimafreundlicheren Energieformen ist wahrscheinlich nicht mehr aufzuhalten. Alternativenergien werden immer kompetitiver, auch ohne staatliche Unterstützung, die in vielen US-Gliedstaaten auch in Zukunft weitergeführt wird.

Schert Trump auch beim globalen Handel aus?
Gespannt richten sich die Blicke nun auf Trumps nächste politische Vorhaben. Gemäss dem Präsidenten soll der Senat noch im Juni oder Juli die Abschaffung von Obamacare bestätigen und endgültig in die Wege leiten, was aber mit jedem Tag an dem der Kongress in der Russland-Affäre ermittelt, noch unwahrscheinlicher wird. Auch seine geplante Steuerreform wird kaum noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, vermutlich sogar erst nächstes Jahr. Die nächsten ein zwei Monate dürfte vielmehr ein anderes Thema dominieren, nämlich die Handelspolitik und «America First», Donald Trumps wichtigstes Wahlversprechen.

Im August beginnen die Verhandlungen mit Kanada und Mexico über die Neugestaltung von NAFTA, dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen. Was protektionistische Massnahmen angeht, zeigt sich Trump derzeit nicht mehr so radikal wie vor den Wahlen. Gut möglich aber, dass der von allen Seiten bedrängte Präsident seine Rhetorik wieder verschärft. Auch beim Thema Klimawandel suchte er Halt bei seiner wichtigsten Kernwählerschaft, sozial schwachen Arbeitnehmern aus industriell geprägten Landstrichen. Interessanterweise ist seine kritische Haltung gegenüber dem Freihandel einer der wenigen Standpunkte, bei denen er seine Meinung nicht immer wieder änderte. Dass protektionistische Massnahmen bei den eigenen Republikanern auf Widerstand stossen, dürfte kein Hindernis darstellen. Denn bei Handelsfragen hat der Präsident einige weitreichende Befugnisse, für die er keine Zustimmung des Kongresses benötigt.

Wettlauf nach unten wäre verheerend
Was genau die Amerikaner beim NAFTA-Abkommen neu verhandeln wollen, ist immer noch unklar. Fakt ist, die USA sind bereits geübt in protektionistischen Massnahmen. Kein anderes Land hat seit der Finanzkrise mehr Schutzmassnahmen vor seinen Handelspartnern ergriffen als die USA. Zölle spielen dabei kaum noch eine Rolle. Im Vordergrund stehen vielmehr nichttarifäre Handelshemmnisse, wie z.B. Importbeschränkungen (und –Verbote) oder Subventionen für ganze Exportbranchen. Die USA sind da bei weitem kein Einzelfall. Weltweit behindern Länder den Freihandel mit z.T. absurden Vorschriften, wie z.B. aufwendigen Beschriftungsvorgaben oder offensichtlich übertriebenen Hygienestandards. Oft ist nicht der Konsumentenschutz das eigentliche Ziel, sondern die Abschottung der heimischen Industrie.

Die Welthandelsorganisation WTO sorgt theoretisch dafür, dass im globalen Handel gewisse Fairnessregeln eingehalten werden. Bloss ist sie dabei nur mässig erfolgreich. Falls ein so gewichtiges Land wie die USA einen protektionistischen Wettlauf startet, wird die WTO noch mehr geschwächt. Andere Handelsmächte werden sich dann erst recht nicht mehr an die Regeln halten und es folgt ein Wettlauf nach unten («race to the bottom»), bei dem schlussendlich alle verlieren. Deshalb ist auch der Rückzug der Amerikaner aus dem Pariser Klimaabkommen eine heikle Angelegenheit, denn weitere «Klimaskeptiker» könnten folgen. Und der Schritt zeigt, dass Trump durchaus auch dazu bereit scheint, den «freien» Handel in Frage zu stellen, wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu verfolgen.

von Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen

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