Lange stand ausser Frage, dass dank Globalisierung der Wettbewerb grenzenlos und damit endlich richtig spielt, wovon die gesamte Weltwirtschaft und schlussendlich auch wir Konsumenten profitieren. Mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA ist die Globalisierung auf dem Prüfstand, zumindest dann, wenn der auch nur ein wenig von dem wahrmacht, was er im Wahlkampf ankündigte. Doch schon vor Trumps Wahl zeichnete sich zusehends ab, dass die Globalisierung keine Einbahnstrasse Richtung Glück und Wohlstand ist und schon gar nicht „win-win“ bedeutet, wie es an der Schwelle zur Globalisierung noch viele glaubten.
Es gibt ökonomisch betrachtet zweifellos Gewinner der Globalisierung. In vielen Staaten Osteuropas oder Südostasiens liegen die Einkommen heute um einiges höher als Anfang der Neunzigerjahre. Allerdings sagt diese Durchschnittsbetrachtung wenig über die Verteilung aus und schon gar nichts über die Qualität des Wettbewerbes. Die Einkommensverteilung ist in Russland oder China keinen Deut ausgewogener geworden – im Gegenteil. In Osteuropa war es zudem weniger die Globalisierung sondern eher die Einführung der Marktwirtschaft, welche den Wohlstand förderte. Und dass China zur Werkbank der Welt wurde, hat auch Schattenseiten, wie wir mittlerweile wissen. Man denke ganz allgemein an die Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern, zu denen auch China trotz Fortschritt nach wie vor gehört.
Verlierer des Wettbewerbs
Es gibt aber offensichtlich Verlierer der Globalisierung. Afrika etwa, wo noch immer Abermillionen unterernährt sind. Ein Kontinent, der im Zuge der Globalisierung am wenigsten vom grossen Wachstumskuchen abbekam und nebenbei zu einer Art Müllhalde der Welt wurde – Stichwort Deponien. Nun wird es von den Chinesen sukzessive seiner Rohstoffe «beraubt». Grosse Teile des Nahen Ostens haben auch wenig gewonnen. Sie konnte auch der gestiegene Pro-Kopf-Wohlstand nicht befrieden und der arabische Frühling wird lediglich als zaghafter Versuch eines Aufbruchs in Erinnerung bleiben. Reicher geworden sind dort hauptsächlich die Ölscheichs, vor allem dank dem vorübergehenden extrem hohen Ölpreis. Doch die könnten nun unter die Räder kommen, da sie beim gegenwärtigen Ölpreis weit über ihren Verhältnisse leben.
Dann die Griechen, die nach der Euroeinführung – wie viele andere Europäer – alle möglichen (wirtschaftlichen) Erfolge, welche die Zukunft versprach, unmittelbar konsumierten und heute nicht viel besser dastehen als in der Zeit, in welcher mit Drachmen bezahlt wurde. Seit seinem Höhepunkt im Jahre 2007 ist das Prokopf-Bruttoinlandsprodukt in Griechenland von 21‘600 Euro auf heute 16.100 Euro geschrumpft. Damit sind die Griechen seit der Finanzkrise um ein Viertel ärmer geworden und wurden daneben authentische Zeugen, wie die Globalisierung funktioniert, wenn der Wind aus der Gegenrichtung bläst. Am mobilsten erwies sich der Produktionsfaktor Kapital, die Hälfte der Einlagen Privater bei griechischen Banken wurde in fünf Jahren abgezogen. Inzwischen interessiert sich niemand mal mehr gross dafür. Dominierte Griechenland noch vor geraumer Zeit die europäischen Medien, ist das Land heute aus den Schlagzeilen nahezu verschwunden, sprichwörtlich verdrängt.
Quittung an der Urne
Immer mehr Menschen haben begriffen, dass in den beiden letzten Jahrzehnten eine Umverteilung in Gang gekommen ist, von der nur wenige profitieren und wenden sich daher vom klassischen Establishment und den traditionellen Regierungsparteien ab. Etliche politische Beobachter gelangen daher zum Schluss, dass die Erosion der politischen Landschaft durch Protestparteien eine unmittelbare Folge der negativen Auswirkungen der Globalisierung ist. Letztendlich fühlen sich viele abgehängt im Rennen um die Spitzenplätze in der schnelllebigen globalisierten Welt. Auch Trump ist ein Phänomen, das diesem Muster gerecht wird.
Wettbewerb sieht anders aus
Die Volkswirtschaft lehrt, dass Wettbewerb in einer Marktwirtschaft das allen anderen überlegene wirtschaftspolitische Konzept darstellt. Allerdings braucht es wie bei jedem Wettkampf Regeln, zu deren Einhaltung sich die Teilnehmer verbindlich verpflichten, und einen Schiedsrichter, der effizient und unnachgiebig eingreift, wenn jemand Foul spielt. Man kann sich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass das in der globalisierten Wirtschaft nicht funktioniert. Einige halten sich schlichtweg nicht an die Spielregeln, andere wiederum versuchen diese ausser Kraft zu setzen. Auf Grund dessen haben Kartellwächter und Wettbewerbsbehörden alle Hände voll zu tun, hinken aber immer hinterher. Würde der Wettbewerb so ausgetragen, dass alle mit gleich langen Spiessen kämpfen, dann würde die Globalisierung wahrscheinlich weniger hinterfragt. Aber grosse Pleiten wie Enron, Absprachen von Kartellen in vielen Industriebranchen, die Rettung von Luftfahrtgesellschaften, Automobilherstellern oder Banken auf Kosten der Allgemeinheit und die jüngste Abgasschummeleien sind Zeichen dafür, dass der Wettbewerb eben nicht spielt, wie man sich dies eigentlich wünschen würde.
Und siehe, es gibt mittlerweile erste Erklärungsansätze, wieso der Wettbewerb nicht zur Entfaltung kommt. Wenn die grossen Beteiligungsgesellschaften und Vermögensverwalter der Welt grössere Anteile an einer Branche besitzen, besteht ein grösseres Interesse am Gedeih der gesamten Branche, als an dem eines einzelnen Unternehmens. Dazu gibt es einige spannende Erkenntnisse. Ohne überlappende Beteiligungen in der Airline-Industrie wären die Preise rund 10% tiefer. Wenn Fondsgesellschaften in einer Region (der USA) höhere Anteile an dort ansässigen Banken haben, sind die Kontoführungsgebühren messbar höher als anderswo. Und sehr spannend: in Branchen mit hohem Anteil von Beteiligungsgesellschaften an mehreren Konkurrenten hängen die Gehälter des Topmanagement viel stärker vom Erfolg der Branche ab, als von dem der eigenen Firma. Es ist wie im Spitzensport. Viele schauen am Spielfeldrand zu, fordern aber gleichzeitig einen fairen jedoch harten Wettbewerb. Und auf der Ehrentribüne tummelt sich die Prominenz aus Politik und Wirtschaft. (Raiffeisen/mc)