Die Siedlungen wachsen weiter – aber langsamer

Die Siedlungen wachsen weiter – aber langsamer
(Foto: Pixabay)

Neuenburg – Die Siedlungsflächen der Schweiz haben sich in den letzten knapp zehn Jahren um weitere 181 km2 ausgedehnt, was der doppelten Fläche des Zürichsees entspricht. Verglichen mit den vorangegangenen Jahrzehnten verlangsamte sich das Siedlungswachstum allerdings ein wenig. Weiter ausgebreitet – aber nur in den Bergen – haben sich auch die Wälder. Gleich wie die Siedlungen wuchsen sie primär auf Kosten der Landwirtschaftsflächen. Im Hochgebirge setzte sich der Gletscherschwund ungebremst fort. Dies zeigen die neuesten Ergebnisse der vom Bundesamt für Statistik (BFS) erstellten Arealstatistik.

Etwas weniger als ein Zehntel des Schweizer Territoriums, nämlich 8%, werden von Siedlungen eingenommen. Weitaus umfangreicher sind mit einem Anteil von 35% die Landwirtschaftsflächen, und auch die Wälder und Gehölze beanspruchen mit 32% deutlich mehr Raum, wie die Bodennutzungsdaten der neuesten Erhebung 2018 zeigen. Das restliche Viertel der Landesfläche ist von Gewässern und Gletschern, Fels, Geröll sowie unproduktiver Gras- und Strauchvegetation bedeckt. Diese vom Menschen nur teilweise genutzten Flächen befinden sich mit Ausnahme der Gewässer grösstenteils in den Alpen. Seit der vorhergehenden Erhebung im Jahr 2009 haben sich die Siedlungen und Wälder weiter ausgedehnt, während die landwirtschaftlich genutzten Flächen geschrumpft sind.

Wohnareal wächst stärker als Bevölkerung
Die Siedlungen wuchsen in dem knappen Jahrzehnt zwischen 2009 und 2018 landesweit um 6% oder 181 km2. Dies entspricht der doppelten Fläche des Zürichsees oder einer Vergrösserung um fast 8 Fussballfelder pro Tag. Damit hat das Tempo des Siedlungswachstums im Vergleich zu früher jedoch etwas abgenommen, denn im Beobachtungszeitraum zwischen 1997 und 2009 waren pro Tag noch 9 und zwischen 1985 und 1997 sogar 10 Fussballfelder verbaut worden. Am stärksten wuchsen die Siedlungen in den letzten Jahrzehnten in den tiefen Lagen, und zwar nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch prozentual.

Von den verschiedenen Arten von Siedlungsflächen hat eine besonders stark zugelegt: das Wohnareal. Die von den Wohngebäuden und deren Umschwung eingenommene Fläche vergrösserte sich zwischen 2009 und 2018 um 11% und wuchs damit sogar leicht stärker als die Wohnbevölkerung (+10%). Wichtige Gründe dafür sind die gestiegenen Ansprüche der Menschen bezüglich Wohnungsgrösse sowie die Zunahme von Kleinhaushalten mit nur einer oder zwei Personen. Dennoch sind auch beim Wohnareal statistische Anzeichen für eine allmählich sparsamere Bodennutzung auszumachen. So waren die Wachstumsraten bei der besonders flächenzehrenden Gebäudeart der Ein- und Zweifamilienhäuser in den letzten Jahrzehnten rückläufig, während sie bei den Mehrfamilienhäusern deutlich angestiegen sind. Auch kann eine Verkleinerung der Gebäudeumschwünge beobachtet werden.

Weniger schnell als das Wohnareal vergrösserten sich zwischen 2009 und 2018 das Industrie- und Gewerbeareal mit +7% sowie die Strassenfläche mit +3%. Letztere wuchs damit weitaus schwächer als die Zahl der Motorfahrzeuge (+16%).

Landwirtschaftsflächen schrumpfen um 302 km2
Neun Zehntel der neuen Siedlungsflächen entstanden zwischen 2009 und 2018 auf vormaligem Landwirtschaftsland. Das Siedlungswachstum trug damit besonders viel dazu bei, dass sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Schweiz seit 2009 um 2% oder 302 km2 verkleinerte. Dies entspricht etwa der Grösse des Kantons Schaffhausen.

Die Landwirtschaftsflächen der Schweiz bestehen zu grossen Teilen aus Grasland: Wiesen und Weiden machen gemäss den neusten Zahlen rund 70% des Agrarlands aus, wovon wiederum die Hälfte auf die nur saisonal genutzten Alpwirtschaftsflächen entfällt. Das Ackerland nimmt 27% aller Landwirtschaftsflächen ein, wobei sein Anteil im Mittelland mit 57% deutlich höher liegt, in den Alpen dagegen tiefer. Auf den restlichen 3% der Landwirtschaftsflächen wachsen Spezialkulturen wie Obst und Reben oder es wird Gartenbau betrieben. Die Treibhäuser nehmen eine Fläche von insgesamt 10 km2 ein. Dies ist mehr als 2009, als es noch 9 km2 waren. Seit 1985 haben sich die Treibhausflächen verdoppelt.

Wald holt sich in den Bergen verlorenes Terrain zurück
Für die Verkleinerung der Landwirtschaftsflächen ist das Siedlungswachstum nicht der einzige Grund: In den höheren Lagen wurde die Nutzung von Wiesen und Weiden stellenweise aus ökonomischen Gründen auch einfach aufgegeben. Infolgedessen kamen dort Sträucher und später Bäume auf. Entsprechend konnten sich die Wald- und Gehölzflächen zwischen 2009 und 2018 wie schon in den Jahrzehnten davor weiter ausdehnen, und zwar gesamtschweizerisch um 2% oder 206 km2. Dieser Zugewinn entspricht beinahe der Fläche des Neuenburgersees.

Ab 1000 Meter über Meer gilt dabei: Je höher die Lage, umso stärker haben die Wälder prozentual an Fläche gewonnen. In den Gebieten oberhalb von 2000 Metern erreichte die Zunahme gar 16%. In diesen Höhen eroberte der Wald nicht nur Flächen zurück, die er einst an die Landwirtschaft verloren hatte, sondern es zeichnet sich dort auch ein allmählicher Anstieg der natürlichen Baumgrenze infolge des Klimawandels ab. Unterhalb von 1000 Metern sind die Waldflächen seit 2009 dagegen insgesamt stabil geblieben. Als waldreichste Regionen der Schweiz können die Alpensüdflanke (Tessin und Bündner Südtäler) sowie der Jurabogen gelten.

Gletscher verlieren in kaum zehn Jahren ein Zehntel ihrer Fläche
Die Gletscher und Firnfelder der Schweizer Alpen sind seit 2009 um weitere 10% oder 119 km2 kleiner geworden und bedeckten 2018 noch eine Restfläche von 1030 km2, also etwa die doppelte Fläche des Bodensees. Erwartungsgemäss schrumpften die Gletscherflächen in den tiefsten und somit wärmsten Lagen prozentual am stärksten, doch auch oberhalb von 3000 Metern wurde ein Rückgang um 4% verzeichnet. Wo das Gletschereis schmilzt, bleiben Geröll und Felsflächen zurück, manchmal auch kleinere Seen. Später kann stellenweise Vegetation aufkommen – was aber viel Zeit braucht: Auf den seit 1985 von Gletschern freigegebenen Flächen wurde bisher nur vereinzelt ein klar erkennbarer Pflanzenbewuchs festgestellt. (mc/pg)

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