Digitale Medien: TamediJa und NeinZZ
(Foto: NZZ Mediengruppe)
Zürich – Durch die Übernahme der Ricardo Gruppe setzt die Tamedia Gruppe die Digitalisierungs-Strategie am konsequentesten um. Ringier macht viel in vielen Bereichen während die NZZ sich weiterhin schwer tut.
Von Helmuth Fuchs
Die Einkaufstour der Tamedia: 240 Millionen für Ricardo, 15 Millionen für die 50%-Anteile an tutti.ch und car4you von Schibsted innerhalb weniger Tage. Zuvor schon sicherte sich die Tamedia einen 50%-Anteil an jobs.ch für 195 Millionen und übernahm oder beteiligte sich unter anderen an Homegate.ch, Search.ch, Zattoo, Doodle, Jobs.ch und Starticket. Ein ähnliches Portfolio sammelte auch Ringier mit Jobs.ch, Scout24, Anibis.ch, DeinDeal, Ticketcorner, Cash etc. In derselben Zeit baute die NZZ ihr Online-Angebot eine Liga tiefer mit moneyhouse, qontis, bettermarks.de und einigen weiteren Diensten aus.
Geld und Wille
Diese Auflistung zeigt eines der fundamentalen Probleme der Schweizer Medien-Digitalisierung: Die grossen Verlage ignorierten das Online-Geschäft zu lange und waren nicht bereit zu investieren. Dafür bezahlten sie im Nachgang einen hohen Preis für Beteiligungen und Übernahmen. Während vor allem die börsenkotierte Tamedia und auch Ringier über genügend Mittel und strategischen Willen dazu verfügten, fehlten der NZZ weitgehend beides.
Köpfe und Strukturen
Das Thema digitale Medien ist sowohl bei der Tamedia als auch bei Ringier auf oberster Geschäftleitungsstufe verankert und mit ausgewiesenen Fachleuten besetzt. Der CEO von Tamedia, Christoph Tonini, war zuletzt für 20Minuten und den Bereich Digital zuständig, der aktuelle Leiter des Bereiches Digital, Christoph Brand, war zuvor bei Swisscom und diversen IT-Unternehmen in Leitungsfunktionen. Ein ähnliches Bild bietet Ringier, mit dem erfahrenen Thomas Kaiser (zuvor PubliGroupe, Bertelsmann Hubert Burda Media) als CEO von Ringier Digital. Beide Unternehmen haben Zugang zu internationalen Investoren, welche die Digitalisierung weiter vorantreiben. Und die NZZ? Mit Veit Dengler (CEO, zuvor u.a. bei T-Mobile und Dell), Andreas Bossecker (Technologie, der frühere CIO des Handelsblattes) und Frank-Rainer Nitschke (Neugeschäft, zuvor Deutsche Bank) kamen 2013 und 2014 neue Mitglieder in die Geschäftsleitung der NZZ mit dem Auftrag, die verpassten Jahre im Online Bereich möglichst schnell aufzuholen. Ein erstes sichtbares Projekt ist die NZZ-Online-Ausgabe in Österreich (nzz.at). Das ist zumindest technisch ein frischer Auftritt, ob auf diese Art mit Online die schwindenden Print-Einnahmen aufgefangen werden können, darf bezweifelt werden. Very little, very late. Zudem fehlt mit der bestehenden Aktionärsstruktur auch die Möglichkeit, zusätzliche Investoren schnell einzubinden.
The winner takes it all
Online belohnt mediale inhaltliche Brillanz nur bedingt. Wichtiger sind Geschwindigkeit, Einzigartigkeit, funktionierende Technologie und tiefe Kosten. Im Rennen um die mediale Vormachtstellung werden ausschliesslich Podestplätze (in der Schweiz eventuell nur die beiden ersten Ränge) Aussicht auf anhaltenden Erfolg bieten. Tamedia und Ringier haben die tieferen Taschen, die bis anhin bessere Strategie, einen zeitlichen Vorsprung und erfahrenere Leute. Der NZZ steht ein kultureller, organisatorischer und inhaltlicher Kraftakt bevor mit unsicherem Ausgang. Die alte Tante mag den besten Inhalt haben. Wenn sie es aber nicht schafft, diesen in der digitalen Gesellschaft gewinnbringend zu veräussern, sind ihre Tage als Schweizer Leitmedium mit internationaler Beachtung gezählt. Die Online-Uhr tickt.
Aktienkurs der NZZ bei ZKB Nebenwerte: