DJE – Renten Global: Anleihenmarkt 2023 – Erholung auf breiter Front
Von Tobias Geishauser, CIIA, Portfoliomanager Fixed Income & Co-Fondsmanager des DJE – Renten Global
Für das zweite Halbjahr 2023 wurden eigentlich fallende Zinsen erwartet. Trotz sinkender Teuerung notiert die Kerninflation in Teilen weiterhin deutlich über den Zielraten der Notenbanken. Was Investoren beachten sollten.
Im ersten Halbjahr 2023 konnte sich der Anleihenmarkt auf breiter Basis gut entwickeln. Sowohl Staats- und Unternehmensanleihen sowie Anleihen aus Schwellenländern konnten vor allem im ersten Quartal gut performen. Auf Index-Basis legten US-Corporate Bonds in US-Dollar denominiert und mit guter Bonität etwa drei Prozent zu, während europäische Unternehmensanleihen und Nachranganleihen von Finanzdienstleistern um jeweils gut zwei Prozent zulegen konnten. Im Hochzinsbereich, bei sogenannten High Yield-Anleihen, konnten US-Bonds über fünf Prozent gewinnen, das europäische Pendant um etwa vier Prozent. Aggregierte globale Indizes, die Staatsanleihen und Unternehmensanleihen in Euro zusammenfassen, legten ebenfalls über zwei Prozent an Wert zu. Doch auch Emerging Market Bonds in US-Dollar standen mit knapp über zwei Prozent auf der Gewinnerseite.
Erholung trotz Bankenkrise
Noch zu Beginn des Jahres erwarteten die Marktteilnehmer am Bondmarkt – auch bedingt durch die Krise von US-Regionalbanken – für das zweite Halbjahr 2023 fallende Zinsen. Insgesamt zeigt sich aber, dass die Marktteilnehmer die nachhaltig restriktive Geldpolitik der meisten Notenbanken unterschätzt haben und ein Repricing der Zinserwartungen für das zweite Halbjahr erfolgte. Inwiefern die Geldpolitik der Notenbanken erfolgreich zur Geldwertstabilität beitragen wird, bleibt abzuwarten. Vor allem der weiter stabile Arbeitsmarkt in den USA schürt Sorgen, dass sich die mit den Zweitrundeneffekten verbundenen erhöhten Inflationserwartungen verankern könnten. Die Inflationsraten sind zwar rückläufig, doch die Kerninflation notiert in Teilen weiterhin deutlich über den Zielraten der Notenbanken. Die Break-even-Raten, die ein gängiger vorlaufender Indikator für zukünftige Inflationsentwicklungen sind, handeln langfristig jedoch nahe der Zielmarken der Notenbanken.
Schwache Indizes, starke Schwellenländer-Währungen
Durch den Renditeanstieg im zweiten Quartal drehte der deutsche Rentenindex (REXP) wieder leicht in die Verlustzone. Auch die Performance von US-Treasuries (Total Return unhegded in US-Dollar) verringerte sich auf etwa 1,5 Prozent. Positiv hingegen trägt die Einengung der Kredit-Risikoprämien zum Gesamtbild bei. Die Prämien für Credit Default Swaps im Euroraum für Investmentgrade- und High Yield-Bonds sind seit Jahresbeginn rückläufig. Auch auf Basis von Branchen-Indizes wurden durchweg positive Wertentwicklungen erzielt. Sogar der gebeutelte Immobiliensektor (IBOXX EUR Real Estate) legte 2023 um 2,3 Prozent zu. Bedingt durch den Renditeanstieg konnte sich jedoch kaum ein Fixed-Income-Index im zweiten Quartal positiv entwickeln. Auf der Währungsseite ist die Entwicklung einiger Währungen aus Schwellenländern in Lateinamerika wie etwa der mexikanische Peso oder der brasilianische Real mit teils zweistelligem Gewinnen positiv. Dazu kommen positive Effekte durch hohe Zinsgewinne. Der Grossteil der G10-Währungen wie der US-Dollar zeigen sich gegenüber dem Euro dieses Jahr schwach.
Rezession: Die inverse Zinskurve ist da
Was bei der aktuellen Lage auffällt, ist, dass die Zinsstrukturkurven für die USA und die meisten Märkte in Europa mit ihrer Inversität eine Rezession einpreisen, diese bei den rückläufigen Credit Spreads von Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen jedoch nicht erkennbar ist. Auch die aktuellen tatsächlichen Ausfallraten bei amerikanischen Hochzinsanleihen notieren langfristig betrachtet auf niedrigem Niveau. Bei Unternehmenspapieren erzielen Investoren zwar nominal eine höhere Rendite, jedoch mehr aufgrund des allgemein gestiegenen Zinsniveaus und weniger aufgrund der Kreditrisikoprämien.
Duration: Long ja, aber…
Im aktuellen Marktumfeld sind Investoren so stark in lang laufende Anleihen wie seit 2010 nicht mehr investiert. Gleichzeitig notieren aber auch die Short-Positionierungen über Zinsderivate auf Langzeithoch. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass die Marktteilnehmer länger laufende Bonds halten, jedoch aktuell die Durations-Risiken weiterhin als bedeutsam einschätzen und entsprechend dieses Risikos sich durch Hedges absichern. Die implizierten Volatilitäten für Ein-Monats Treasury-Optionen handeln langfristig betrachtet ebenso auf hohem Niveau und über dem Median der letzten 30 Jahre. Während vor allem in Investment-Grade-Fonds massive Zuflüsse verzeichnen konnten, sahen High-Yield-Fonds leichte Abflüsse im ersten Halbjahr 2023.
Erwartungen für das zweiten Halbjahr
Investoren können für das zweite Halbjahr positiv gestimmt sein. Anleihen bieten mittlerweile eine echte Konkurrenz zu anderen Asset-Klassen. Das Verhältnis zwischen der Gewinnrendite von Aktien anhand des reziproken Kurs-Gewinn Verhältnisses (KGV) und der Renditen von US-Staatsanleihen hat sich seit langer Zeit wieder stark angenähert. Kurzum: Die Gewinnrenditen von Aktien ähneln aktuell denen der Anleihen. Potenzielle Rezessionsszenarien könnten dazu führen, dass sich die Kredit- Risikoprämien ausweiten. Die Notenbanken könnten sich gezwungen fühlen, die restriktive Geldpolitik wieder zu lockern. Dies wiederum eröffnet Chancen durch sinkende Renditen auf der Durationsseite. Anleger sollten daher das aktuelle Zeitfenster nutzen, um sich die attraktiven Nominalrenditen langfristig zu sichern. Diese betragen im breiten Durchschnitt für europäische Qualitätsanleihen um die vier Prozent, für Hochzinsanleihen über sieben Prozent, für amerikanische Qualitätsanleihen über fünf Prozent und für Hochzinspapiere über acht Prozent. In Asien sind derzeit sogar Renditen von über 12 Prozent im Hochzinsbereich zu erzielen. (DJE – Renten Global/mc/ps)