(Foto: Universität Zürich; Frank Brüderli)
Zürich – Drei Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich werden mit je einem ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet. Mit der 2012 eingeführten Preiskategorie sollen vielversprechende Wissenschaftler die Möglichkeit erhalten, exzellente Forschungsteams aufzubauen und zu etablieren. Drei Projekte der Universität Zürich aus der Sprachwissenschaft, der Krebsforschung und der Slavistik werden mit je bis zu 2,5 Millionen Franken unterstützt.
Mit einem starken Team in Europa innovative und unabhängige Forschung betreiben: Dieser Ansporn liegt der neuen Förderlinie des Europäischen Forschungsrates zu Grunde. Neben den ERC Starting Grants und ERC Advanced Grants wurden in Brüssel nun die ERC Consolidator Grants an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die das Potenzial haben, ein exzellentes Forschungsteam aufzubauen oder die die Arbeit ihrer bereits erfolgreichen Forschergruppe konsolidieren wollen. Von zwölf Bewerberinnen und Bewerbern der Universität Zürich haben drei den Zuschlag für eine bis zu fünf Jahre dauernde Unterstützung erhalten.
Unbekannte kognitive Mechanismen des Spracherwerbs untersuchen
Das ERC-Projekt von Sabine Stoll vom Psycholinguistischen Laboratorium hat zum Ziel, die kognitiven Mechanismen, die dem Sprachlernen bei Kindern zugrunde liegen, aufzudecken. Derzeit ist weitgehend unbekannt, welche kognitiven Mechanismen es Neugeborenen erlauben, jede beliebige der derzeit rund 7000 gesprochenen Sprachen zu lernen. Diese Fähigkeit impliziert eine extreme Flexibilität des menschlichen Gehirns, welche unsere Spezies von allen anderen unterscheidet. Die Mechanismen sollen anhand von Sprachen mit maximal divergierender Grammatik untersucht werden, um Rückschlüsse auf potentiell universelle kognitive Mechanismen des Spracherwerbs zu ziehen. Für dieses Vorhaben hat Sabine Stoll ein grosses internationales Netzwerk von Spracherwerbs-Forschenden aufgebaut, in welchem der Spracherwerb von zehn Sprachen – Russisch, Japanisch, Türkisch, Cree, Slavey, Inuktitut, Chintang, Yukatekisch, Indonesisch und Sesotho – untersucht wird. Dabei wird die Spontansprache untersucht und die Sprache der Kinder und ihrer Interaktionspartner analysiert. Im Fokus steht auch eine bedrohte athabaskische Sprache einer «First Nation»-Gruppe aus Kanada, die zu den komplexesten Sprachen der Welt zählt und somit eine besondere Herausforderung für den Spracherwerb und dessen Erforschung darstellt.
Das Projekt «Acquistion processes in maximally diverse languages: Min(d)ing the ambient language» wird mit einer Summe von knapp 2,5 Millionen Schweizer Franken gefördert.
Die Replikation der DNA und die Tumorbildung besser verstehen
Das Kopieren des Erbinformationsträgers DNA – die sogenannte Replikation – während der Zellteilung ist ein zentraler Vorgang, der auch Gefahren birgt. Die fehlerhafte Replikation des Chromosomensatzes kann zu genomischer Instabilität führen und damit eine spätere Tumorentwicklung begünstigen. Aufgrund dieser Erkenntnisse greifen die meisten Krebsmedikamente in die DNA-Replikation ein; wie genau chemotherapeutische Substanzen wirken, ist zu grossen Teilen noch nicht bekannt. Die Gruppe von Massimo Lopes, Professor am Institut für Molekulare Krebsforschung, hat eine einzigartige Kombination von molekularbiologischen Methoden und Analysen von einzelnen Molekülen entwickelt, mit der die DNA-Synthese auf struktureller und molekularer Ebene charakterisiert werden kann. Mittels dieser Methoden sollen im Rahmen des ERC-Projektes verschiedene Aspekte von DNA-Replikations-Stress beleuchtet werden – zum Beispiel die Beeinflussung der DNA-Replikation durch sogenannte Onkogene, die unter gewissen Voraussetzungen gesunde Zellen zu Tumorzellen transformieren. Ebenfalls werden die Wirkung von Krebsmedikamenten und ihr Einfluss auf die DNA-Replikation untersucht sowie die zellulären Faktoren, welche ihrerseits die Giftigkeit der Chemotherapeutika auslösen.
Das Projekt «DNA Replication Stress in Cancer» wird mit rund 2,3 Millionen Schweizer Franken unterstützt.
Performance Art in Osteuropa unter den verschiedenen Diktaturen
Auf der Landkarte der westlichen Kunst- und Theaterforschung ist die osteuropäische Performance Art – Aktionen, Happenings, Performances – noch immer ein weisser Fleck. In ihrem Forschungsprojekt will Sylvia Sasse, Professorin am Slavischen Seminar, deshalb zum einen die Entstehung und Entwicklung von Performance Art in Osteuropa untersuchen, zum anderen staatliche Gegenaktionen, die Unterwanderung von Happenings durch Agenten und die geheimdienstlichen Dokumentationen von Performance Art in den Blick nehmen. Ziel ist es herauszuarbeiten, wie die osteuropäische Performance Art sich unter den Bedingungen von unterschiedlichen restriktiven Diktaturen entwickeln konnte und wie die eingeschränkten Arbeitsbedingungen sie künstlerisch produktiv gemacht hat. Im Fokus von Sylvia Sasse sind die Wechselbeziehungen zwischen den osteuropäischen Ländern, ebenfalls zwischen Ost und West, aber auch zwischen künstlerischer Aktion und politischem Aktivismus im Untergrund. Als Abschluss des Projektes werden eine internationale Konferenz und Ausstellung die osteuropäische Performance Art einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.
Die Fördersumme für das Projekt «Performance-Art in Eastern Europa (1950-1990): History and Theory» beträgt beinahe 2,5 Millionen Franken. (Universität Zürich/mc/pg)
ERC Consolidator Grants
Mit einem ERC Consolidator Grant gefördert werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Nationalitäten ab sieben bis zu zwölf Jahren nach der Promotion, welche bereits einen wissenschaftlichen Erfolg nachweisen können. Insgesamt wurden nun 312 Grants in der Höhe von insgesamt 575 Millionen Euro an Forschende von 33 Nationalitäten gesprochen. In der Schweiz werden 22 Projekte unterstützt.