Effiziente Medikamentenentwicklung mit weniger Mäusen

Zürich – Neue Wirkstoffe wie Antikörper werden meist einzeln in Versuchstieren getestet. UZH-Forschende haben nun eine Technologie entwickelt, mit der rund 25 Antikörper gleichzeitig in einer einzigen Maus geprüft werden können. Das dürfte nicht nur die Forschungs- und Entwicklungspipeline neuer Medikamente beschleunigen, sondern auch die Anzahl Versuchstiere enorm verringern.
Viele moderne Medikamente basieren auf Antikörpern. Diese Proteine erkennen sehr spezifisch eine bestimmte Struktur auf der Oberfläche von Zellen oder Molekülen und binden daran – etwa an einen Rezeptor, der aus der Zellhülle hervorragt. Für Antikörper und andere, auf Eiweiss basierende Biotherapeutika sind umfangreiche präklinische Tests an Tieren erforderlich, bevor diese am Menschen geprüft werden können.
25 Antikörper gleichzeitig in einer Maus testen
Heute werden Antikörperkandidaten einzeln in Tiermodellen analysiert. Für jede Prüfung werden meist zahlreiche Versuchstiere eingesetzt. Präklinische Tests machen deshalb einen grossen Teil der Versuchstierzahlen in der pharmazeutischen Industrie aus. Eine mögliche Lösung wäre, mehrere Substanzen gleichzeitig in einem einzelnen Tier zu testen. Bisher war diese Methode technisch allerdings auf maximal vier Wirkstoffe pro Versuchstier beschränkt.
Forschende an der Universität Zürich (UZH) unter der Leitung von Markus Seeger vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Johannes vom Berg vom Institut für Labortierkunde gelang es nun, diesen Engpass zu überwinden. «Mit dem von uns entwickelten Ansatz konnten wir 25 verschiedene Antikörper gleichzeitig in einer einzigen Maus prüfen. Das beschleunigt den Prozess und verringert die Anzahl der benötigten Tiere», sagt vom Berg. Für die Studie verwendete das Team Antikörper, die bereits als Medikament zugelassen sind bzw. solche in klinischer Entwicklung.
Proteinbruchstücke als Barcodes für Analyse
Arzneimittel müssen mehrere Eigenschaften aufweisen, um erfolgreich zu sein: Der Wirkstoff wird nur langsam ausgeschieden und kann so im Körper längere Zeit seine Wirkung entfalten. Er richtet sich präzise gegen eine bestimmte Zielstruktur und reichert sich im entsprechenden Organ an. Zudem verteilt sich die Substanz nur begrenzt in anderen Geweben und Organen, was das Risiko von Nebenwirkungen mindert.
Um die Eigenschaften der Antikörper aus den komplexen Plasma- oder Gewebeproben der Mäuse einzeln analysieren zu können, haben die Forschenden eine Art Barcodes entwickelt. Diese bestehen aus definierten Proteinbruchstücken – sogenannten Flycodes – mit denen jeder Antikörper individuell markiert werden kann. Nach der Verabreichung an die Maus können die einzelnen Antikörperkandidaten aus dem Gemisch getrennt und separat analysiert werden. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Flycodes-Technologie qualitativ hochwertige präklinische Daten über die untersuchten Antikörper liefern. Wir erhalten viel mehr Daten mit weniger Mäusen und von besserer Qualität, da man die Analysen direkt vergleichen kann», sagt Seeger.
Grosses Potential zur Reduktion der Versuchstierzahlen
Gezeigt haben die Forschenden auch, dass die Antikörper im Körper der Tiere ihre Zielstrukturen korrekt finden: So erkannten zwei in der Krebsmedizin eingesetzte Antikörper zuverlässig den sogenannten EGF-Rezeptor, den vorwiegend die Tumorzellen auf der Oberfläche tragen. Die gezielte Anreicherung im Tumorgewebe funktionierte auch im Gemisch zusammen mit 20 anderen Antikörpern. Was belegt, dass Flycodes die Wirkung der Antikörper im lebenden Organismus nicht beeinträchtigen.
Darüber hinaus hat das Team mithilfe von Flycodes die Eigenschaften und Daten für eine Reihe von 80 arzneimittelähnlichen synthetischen Biomolekülen – Sybodies genannt – effizient in einem einzigen Experiment analysiert. «Bei minimalem Ressouceneinsatz ermöglicht die Flycode-Technologie einen direkten Vergleich von Arzneimittelkandidaten unter identischen Versuchsbedingungen. Sie dürfte die präklinischen Forschungspipelines zukünftig viel effizienter voranbringen», sagt Markus Seeger. Sämtliche Daten dieser Studie stammen von nur 18 Mäusen. Im Prinzip lässt sich mit der neuen Methode die Anzahl der benötigten Tiere um bis zu 100-fach reduzieren. (Universität Zürich/mc/ps)
Literatur
Justin D. Walter et al. Flycodes enable simultaneous preclinical analysis for dozens of antibodies in single cassette–dosed mice. PNAS. March 15, 2025. DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2426481122
Universität Zürich