Eiertausch bei Zwitterfischen: Warum geben, wenn man auch nur nehmen kann?

Hamletbarsche bei der Paarung. (Foto: Carlos & Allison Estapé, carlosestape.photoshelter.com)

Basel – Das Sexualleben von zwittrigen Tieren ist durch eine fundamentale Frage bestimmt: Wer übernimmt die weibliche Rolle und gibt die kostspieligen Eizellen her? Hamletbarsche entgehen dem Dilemma durch einen gegenseitigen Eiertausch. Was es braucht, damit dieser komplexe Handel funktioniert, haben Wissenschaftler nun mithilfe mikroökonomischer Modelle analysiert. Die Ergebnisse liegen in «The American Naturalist» vor.

Die Hamletbarsche, die in Korallenriffen in der Karibik leben, sind Zwitter. Eine ihrer Strategien bei der Paarung ist es, sich gegenseitig Eier weiterzugeben. Die Rolle des Samenspenders ist eigentlich bevorzugt, kostet doch die Produktion von Eiern mehr Energie. Indem beide Tiere bei der Paarung mit demselben Partner nacheinander beide Rollen einnehmen, ist keines im Nachteil – ein fairer Handel.

Tausch, Spende, Betrug
Andere Populationen aus der Familie der Sägebarsche kennen hingegen keinen solchen Tausch. Stattdessen geben sie ihre Eier bedingungslos weiter, wenn sie auf einen paarungsfähigen Artgenossen treffen.

Der gegenseitige Eiertausch ist evolutionär gesehen vermutlich keine ursprüngliche Strategie, weil der Tausch ein komplexes reziprokes Verhalten voraussetzt. Welche Faktoren dafür verantwortlich sein können, dass er sich bei den Hamletbarschen – nicht aber bei anderen Sägebarschen – zu einer verbreiteten Strategie entwickelt hat, hat ein interdisziplinäres Forschungsteam nun untersucht.

Die Forscher entwickelten dafür ein Modell, welches auch eine dritte Verhaltensweise berücksichtigt, die den Erfolg der Eiertausch-Strategie unterminieren kann: die Betrügerstrategie. Dabei tut einer der beiden Fische nur so, als wolle er die Eierspende erwidern, zieht sich jedoch nach der Befruchtung der fremden Eier zurück.

Biologie und Spieltheorie
Professor Georg Nöldeke, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Basel, ist Experte für Spieltheorie. «Die Spieltheorie fragt danach, wie ein auf die Situation gut angepasstes Entscheidungsverhalten aussieht, wenn die Situation wesentlich durch das Entscheidungsverhalten anderer Individuen bestimmt wird», sagt er «Im Grunde spielt es dabei keine grosse Rolle, ob es um Tierverhalten oder das Verhalten von Menschen geht.»

Zusammen mit dem Meeresbiologen Oscar Puebla und dem Verhaltensökologen Jorge Peña sah sich der Mikroökonom Nöldeke so in der Lage, ein spieltheoretisches Modell des Paarungsverhaltens von Zwittern zu konzipieren, das sowohl die Entstehung des Eiertausches als auch die Durchsetzung dieser Strategie gegenüber anderen Möglichkeiten erklärt.

Vier notwendige Bedingungen
Die Resultate zeigen, dass der gegenseitige Handel nur unter restriktiven Bedingungen zustande kommt und auch erhalten bleibt. Erstens müssen Eier in der Produktion relativ kostspielig sein. Zweitens darf es nicht zu schwer sein, einen Partner zu finden. «Auf jemanden zu warten, mit dem ein fairer Tausch möglich ist, macht nur dann Sinn, wenn die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass ich so jemanden überhaupt treffe», veranschaulicht Nöldeke.

Drittens darf es aber auch nicht zu leicht sein, einen Partner zu finden, weil sonst die Möglichkeit des Betruges zu attraktiv ist. Zuletzt muss eine Chance bestehen, Betrüger vor der Befruchtung zu erkennen und sich darum nicht mit ihnen zu paaren. Nur so lohne es sich, überhaupt die Strategie des Tausches zu verfolgen.

«Anhand dieses Modells konnten wir erstmals theoretisch zeigen, welche Faktoren entscheidend sind, um den Eiertausch erklären zu können», beschreibt Nöldeke die Bedeutung der Forschungsergebnisse. «Wir hoffen nun, dass andere Biologinnen und Biologen die zur Prüfung unserer Theorie erforderlichen Daten sammeln und sind gespannt auf die Ergebnisse.» (Universität Basel/mc/ps)

Originalbeitrag
Jorge Peña, Georg Nöldeke, and Oscar Puebla
The evolution of egg trading in simultaneous hermaphrodites
The American Naturalist (2019), doi: 10.1086/707016
Prof. Dr. Georg Nöldeke

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