Einkauf bei Finanzdienstleistern macht Fortschritte

Urs Berger

Urs Berger, scheidender Mobiliar-CEO.

Zürich –  Die Managementberatung Arthur D. Little hat zusammen mit der Arbeitsgruppe «Finanzdienstleister» des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) die Einkaufsorganisationen von 23 namhaften Banken und Versicherungen in der Schweiz, Deutschland und Österreich einem Benchmark unterzogen.

Das sog. Purchasing Performance Excellence (PPE) Benchmarking für Finanzdienstleister beschäftigt sich mit folgenden Kernfragen: Was zeichnet einen innovativen Einkauf aus? Wann erbringt der Einkauf Spitzenleistungen? In welchen Bereichen sind noch Verbesserungen möglich, um einen substanziellen Einfluss auf das Unternehmensergebnis zu bewirken? Gesamtsieger über die sechs Performancefelder (1. Unternehmens- und Einkaufskenngrössen, 2. Einkaufsstrategie/-ziele, 3. Einkaufsprozesse, 4. Organisation und Qualifikation, 5. Lieferantenmanagement, 6. Technologie) ist die Einkaufsorganisation der WestLB aus Düsseldorf. Plätze zwei und drei gingen an die Schweizerische Mobiliar sowie an die Finanz Informatik.

Über 1’000 führende Unternehmen befragt

Der Benchmark der Finanzdienstleistungsunternehmen wurde im Rahmen der Purchasing-Performance-Excellence (PPE)-Studie durchgeführt, an der in den letzten Jahren mehr als 1.000 führende Unternehmen teilgenommen haben. Von 1.750 möglichen Punkten erreicht der Sieger der Finanzdienstleistungsbranche 1.169 Punkte. Der Durchschnitt über alle Finanzdienstleistungsunternehmen liegt bei 714 Punkten (Zum Vergleich: Der branchenübergreifende Durchschnitt beträgt 724 Punkten).

Schlanke Ressourcenausstattung
Die Einkaufsorganisationen der Finanzdienstleistungsbranche zeichnen sich durch eine relativ schlanke Ressourcenausstattung aus. Dies zeigt sich beispielsweise in den Kosten der Einkaufsorganisation im Verhältnis zum Einkaufsvolumen. Während der branchenübergreifende Durchschnitt bei 8,4% liegt, betragen die Kosten der Einkaufsorganisation bei den Finanzdienstleistern durchschnittlich nur 1,8% des Beschaffungsvolumens. Mit durchschnittlich 3.800 aktiven Lieferanten betreuen die Einkaufsorganisationen der Finanzdienstleister ein stark «atomisiertes» Lieferantenportfolio, auch wenn 80% des Einkaufsvolumens bei nur 3,2% der Lieferanten beschafft werden. Das durchschnittliche Einkaufsvolumen pro Lieferant liegt bei nur 70 TEUR (branchenübergreifend: 1,03 Mio. EUR). Die durchschnittliche Preisrate der Einkaufsorganisationen der Finanzdienstleistungsbranche ist mit minus 2,8% respektabel. Dies entspricht in etwa auch der erwarteten Preisrate für die nächsten Jahre (minus 3,5%).

Einkaufsorganisationen stark operativen orientiert
Im Bereich Einkaufsstrategie/-ziele zeigen sich Schwächen bzgl. konsistenter, crossfunktional abgestimmter und verabschiedeter Einkaufsstrategien und -zielen. Wesentliche strategische Stossrichtungen sind bis heute zumeist nur aus Einkaufssicht definiert. Ferner fehlt es an einer ausreichenden Implementierung bedingt durch mangelnde Instrumente zur Strategieumsetzung und Kontrolle. Die Schwerpunkte der Einkaufsorganisationen der Finanzdienstleistungsunternehmen liegen sehr stark auf operativen Aufgaben. Für strategische Aufgaben wird deutlich zu wenig Zeit reserviert. Auch wird die Rolle und Bedeutung der Einkaufsorganisationen aus Sicht der internen Kunden nur als gering bis mittel beurteilt. Dies geht einher mit einem noch deutlich ausbaubaren strategischen Vernetzungsgrad des Einkaufs mit den internen Bedarfsträgern (siehe oben).

Schwächen beim Einsatz von Best-Practice-Methoden
Die Ansiedelung der Einkaufsverantwortung bei Finanzdienstleistern hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. So ist die Einkaufsfunktion mittlerweile oftmals auf Hauptabteilungsleitungsebene angesiedelt. Auch das Ausbildungsniveau in den Beschaffungsorganisationen kann als hoch bezeichnet werden. So verfügen 23% der Mitarbeiter über Abitur und 17% haben die Ausbildung zum Diplomkaufmann absolviert. Dennoch zeigt der durchschnittliche Finanzdienstleister-Einkauf deutliche Schwächen beim Einsatz von Best-Practice-Einkaufsmethoden wie beispielsweise Materialsymposien oder Preis- und Kostenbenchmarking. Das Lieferantenmanagement der Finanzdienstleister ist ebenfalls noch deutlich ausbaubar. Hierzu gehören etwa die Steigerung der Lieferantenintegration, die Entwicklung von Lieferantenauswahl- und -bewertungsverfahren sowie die Etablierung einer systematischen Lieferantenentwicklung. Als ein zentrales Handlungsfeld wurde weiterhin das strategische Lieferantenportfolio-Management identifiziert.

Performancefeld «Technologie» leicht über Durchschnitt
Leicht über Durchschnitt schneiden die Einkaufsorganisationen der Finanzdienstleistungsunternehmen im Performancefeld «Technologie» ab. Der Grossteil nutzt Online-Anfragen und meldet Bedarfe papierlos über das Internet für einen Anteil von 60-80% des Einkaufsvolumens. IT-Systeme werden im Einkauf hauptsächlich für Vertragsmanagement und eProcurement eingesetzt. Hier bestehen bei Kunden-/ Lieferanten-Online-Verbindungen zum Austausch von Auftragsdaten sowie bei elektronischen Auktionen allerdings noch Optimierungspotentiale. Im Vergleich der Finanzdienstleistungsbranche mit den branchenübergreifenden Benchmarks ist die vor ca. 2 ½ Jahren identifizierte Performancelücke geringer geworden. So erreicht der Durchschnitt der Finanzdienstleistungs-Einkaufsorganisationen gemessen am branchenübergreifenden Durchschnitt einen Einkaufs-Performance-Index (EPI®-D) von 98,6. Deutlicher wird die Differenz jedoch bei der Betrachtung der jeweiligen Sieger. Die WestLB als Branchensieger erreichte einen EPI®-S von nur 76,2 gemessen am branchenübergreifenden Sieger der PPE-Studie (EPI®-S = 100).

Für die Zukunft versprechen drei Schwerpunktthemen die grössten Potentiale zur Schliessung dieser Performancelücke:

  1. Verstärkte strategische, organisatorische, technologische und soziale Vernetzung des Einkaufs mit internen Kunden
  2. Gezielte Lieferantenportfolio-Konsolidierung und externe Vernetzung mit Schlüssellieferanten
  3. Ausbau crossfunktional getragener  Beschaffungsstrategien und -ziele inklusive der dafür notwendigen Instrumente zur Strategieumsetzung

«Entscheidender Erfolgsfaktor»
Zur Realisierung obiger drei Schwerpunktthemen betont Carsten Vollrath, Global Head der Operations Management Practice von Arthur D. Little: «Die gezielte Qualifizierung der Einkaufsmannschaft hinsichtlich der drei Achsen Fachkompetenz, Vernetzungskompetenz und soziale Kompetenz wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor für die weitere Professionalisierung und Akzeptanzgewinnung der Einkaufsfunktion. Alle Beschaffungsrelevanten Disziplinen sind in diesen Qualifizierungsprozess aktiv einzubinden». Patrick Stöhr, Leiter Global Cost & Service Management der WestLB ergänzt: „Der Anspruch unser Branche ist es, Industrieniveau zu erreichen. Damit dies gelingt ist bei vielen Finanzdienstleistern ein Umdenken erforderlich und die kommerziellen Hebel noch stärker in die Unternehmensplanung einzuflechten. Hierzu können die Erkenntnisse aus dem PPE ganz wesentlich beitragen.“ Das Benchmarking ist offen für weitere Teilnehmer aus dem Finanzdienstleistungssektor. Als Ergebnis der Studie erhalten die teilnehmenden Banken und Versicherungen eine fundierte Bewertung der aktuellen eigenen Einkaufsperformance gespiegelt am Wettbewerb, namhaften branchenfremden Einkaufsorganisationen sowie brachen übergreifenden Best Practices. Daraus lassen sich wertvolle Hinweise für nachhaltige Leistungssteigerungen im eigenen Einkauf ableiten. (Arthur D. Little/mc/ps)

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