Empa-Mission im Weltraum
Kompakt und leicht: Das Flugzeitmassenspektrometer von «Rosetta» mit Empa-Ionenquellen (rechts) und -Reflektor (links) ist knapp ein Meter lang und wiegt rund 15 Kilogramm. (Foto: Empa)
Dübendorf – Im März 2004 startete der Orbiter «Rosetta» ins All, um Kern und Umgebung des Kometen «67P/Churyumov-Gerasimenko» zu analysieren und zu beobachten. Mit an Bord: hochkomplexe Metall-Keramik-Sensoren der Empa – integriert in zwei Massenspektrometer. Die Geräte wurden eigens für diese Mission entwickelt, um die Gasteilchen in der Umgebung des Kometen zu messen. Obwohl die Sonde erst im August auf den Kometen treffen wird, konnten bereits erste Messungen durchgeführt werden.
Kometen sind noch weitgehend unerforscht, bergen etliche Geheimnisse. Eine Theorie besagt etwa, dass Kometen Wasser (und somit möglicherweise sogar Leben) auf die Erde brachten. Raumsonden konnten zwar vereinzelt Untersuchungen durchführen, doch immer nur während sie an den Kometen vorbeiflogen. Bis jetzt zumindest. Die «European Space Agency» (ESA) entwickelte in Zusammenarbeit mit zahlreichen europäischen Institutionen die Raumsonde «Rosetta». Als erste Sonde soll sie nicht nur sozusagen «en passant» Messdaten sammeln, sondern den Kometen begleiten – und sogar auf ihm landen. Verschiedene Geräte an Bord messen, kartographieren und analysieren während zwei Jahren den Kometen und die Gase und Moleküle in dessen Umgebung. Selbst das Innere von «67P/Churyumov-Gerasimenko» bleibt nicht verschont. Ein eigens dazu konzipierter «Lander» wird – wie der Name sagt – auf der Oberfläche des Kometen landen und dessen Beschaffenheit und Kern untersuchen.
Wie entstand unser Sonnensystem?
Am Projekt sind zahlreiche Institute beteiligt, darunter die Universität Bern, die für die Entwicklung von ROSINA («Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis») verantwortlich war. Diese Instrumentengruppe besteht aus zwei Massenspektrometern und einem Drucksensor. Die Berner Forscher wiederum holten die Empa ins Boot, die die Entwicklung und Herstellung der ionen-optischen Sensoren für die beiden Spektrometer übernahm. Diese sollten nicht nur leicht sein, sondern auch den harschen Bedingungen im Weltraum standhalten. ROSINA soll nach dem kosmischen Rendez-vous mit dem Kometen Ionen und Neutralgasteilchen in der (extrem «dünnen») Atmosphäre und in der Ionensphäre von «67P/Churyumov-Gerasimenko» analysieren. Denn dies erlaubt Rückschlüsse auf die Entstehung unseres Sonnensystems.
Das Massenspektrometer DFMS («Double Focusing Mass Spectrometer») hat zwei unter-schiedliche Operationsmodi, einen Gasmodus zur Messung von Neutralgasteilchen und den Ionenmodus für die Analyse ionisierter Teilchen. Das Flugzeitmassenspektrometer RTOF («Reflectron Time of Flight») erweitert das DFMS, indem es die Sensitivität des gesamten Instrumentes erhöht. Die Massenanalyse erfolgt dabei mit der «Time-Of-Flight»-Technik. Sie ermöglicht die Kombination aus extrem hoher Massen- und Zeitauflösung. Dies ermöglicht Momentaufnahmen über den gesamten Massenbereich von 1 bis 1000 amu (Atomare Masseneinheit).
Erfolgreiche Prozessentwicklung
Entwickelt und hergestellt wurden die ionen-optischen Baugruppen für die beiden Massenspektrometer von einem Team um Empa-Ingenieur Hans Rudolf Elsener. Eine grosse Herausforderung war, die Vorstellungen und Anforderungen der Astrophysiker in ein multifunktionelles «weltraumtaugliches» Produkt umzusetzen, das allerhöchsten Ansprüchen genügt: Ultraleicht, mechanisch robust, hochspannungsfest und hochpräzise sollte es sein. Nebst Design-Anpassungen entwickelte Elsener verschiedene Prozesse, um auch «unübliche» Werkstoffe wie Metalle und Keramiken miteinander zu verbinden.
So wurden die Einzelteile nicht wie sonst üblich miteinander verschraubt, sondern im Vakuumofen gelötet. Dabei werden die Materialien mit Hilfe von Lotwerkstoffen chemisch miteinander verbunden. Dafür sind die unterschiedlichsten Beschichtungen nötig, die zuvor allesamt erprobt werden mussten. Die zu fügenden Teile liegen im festen Zustand vor – einzig der Lotwerkstoff wird aufgeschmolzen und reagiert entweder mit der Beschichtung oder dem Grundwerkstoff.
Die an der Empa entwickelten Methoden und Technologien waren derart erfolgreich, dass bald schon weitere Weltraum-Projekte folgten. Zurzeit entwickelt Elsener mit seinem Team für die russisch-indische Mondmission «LUNA» einen neuen ionen-optischen Sensor für ein noch kleineres und leichteres Massenspektrometer; und für die europäisch-japanische Merkur-Mission «BepiColombo» fertigten die Empa-Ingenieure kürzlich ebenfalls hochkomplexe Baugruppen und Sensoren.
Die Geräte laufen – Rosetta ist bereit
Obwohl die Sonde erst im August auf den Kometen treffen wird, konnten bereits erste Messungen durchgeführt werden. Während des Flugs zum Kometen analysierten die Massenspektrometer die Abgase von Rosetta und die Komponenten der Kalibriergase. Die kürzlich durchgeführten Gerätetests waren ebenfalls erfolgreich, der Begegnung mit «67P/Churyumov-Gerasimenko» steht nichts mehr im Weg. Das Anflugmanöver im Mai dürfte allerdings kritisch werden. Verfehlt die Sonde die Umlaufbahn des Kometen, driftet sie zu weit ab, um sich an ihn «anzuhängen» und ihn zu begleiten. Sobald sich Rosetta allerdings in dessen Umlaufbahn befindet, können die «echten» Messungen beginnen – und uns mehr über Kometen verraten. (Empa/mc/pg)