Energiedebatte: Denkfaul oder hyperaktiv
Japans Atomkatastrophe ist weder in seiner Entstehung verstanden, noch in seinen Auswirkungen bewältigt, da melden sich die AKW-Befürworter wie der CEO von Alpiq mit Kostenrechnungen für Strombezüger, die einen Ausstieg aus der Atomkraft zum Vorneherein völlig ausschliessen, während die Regierungsparteien in Deutschland unter Kanzlerin Angela Merkel mit ihren Ausstiegsforderungen sogar die Grünen überholen.
Von Helmuth Fuchs
Den Bürgern, die sich über die Zukunft ihres Energie-Verhaltens und –Bezuges ernsthaft Gedanken machen wollen, nützen beide Ansätze wenig. Der eine zeugt von einer unbelehrbaren Denkfaulheit (Atomstrom als einzige Alternative, weil bei den geringen Kosten mögliche Unfallszenarien wie Japan in keiner Rechnung auftauchen), der andere vom nackten politischen Machterhaltungstrieb (Überleben der nächsten Wahlrunde um jeden Preis).
Autonomie bei Wohnsiedlungen, Standortfrage bei Industriebetrieben
Angesagt wäre jedoch eine ernsthafte Diskussion darüber, welche Energie in welcher Menge in Zukunft zu welchem Preis zu Verfügung gestellt werden soll. Dabei gilt es, die Privatnutzung und den industriellen Bedarf getrennt zu betrachten. Standorte und Verteilungsmechanismen spielen eine entscheidende Rolle. Wohnquartiere müssen so angelegt werden, dass sie zu einem grösseren Anteil als autonome Einheiten mit Erdwärme, Sonnen- und Windenergie und lokalen Brennstoffen funktionieren. Verdichtete Bauweise und modernste Isolationstechniken können hier für einen niedrigeren Energiebedarf sorgen. Bei den industriellen Betrieben muss die Standortfrage kritisch betrachtet werden. Wo sind die grössten Energiebezüger (zum Beispiel Aluminium und Eisenwerke), welchen Preis bezahlen diese für die Energie und ist es sinnvoll auch unter Einbezug der Leitungskosten, solche Betriebe an den aktuellen Standorten aufrecht zu erhalten? Bei der Energiegewinnung müssen die aktuellen Energielieferanten optimiert und modernisiert werden können (Erhöhung von Staumauern, neue Windkraftanlagen, neue Genrationen von Solarzellen auf Dächern).
Überprüfung des Verbandsbeschwerderechtes
Eine Auslegeordnung von Energieerzeugung, Verteilung und Nutzung wird unweigerlich auch politische Fragen, wie diejenige des Verbandsbeschwerderechtes, beantworten müssen. Unabhängig von der Anzahl Mitglieder und ohne Volksmandat können heute Gruppierungen wie zum Beispiel Aqua Viva auch nach der Einigung zwischen relevanten Umweltschutzverbänden und Energieerzeugern ein Projekt auf Jahre hinaus verzögern. Partikularinteressen werden hier klar zum Schaden der Allgemeinheit übergewichtet. In einer breiten Diskussion muss jetzt eine Energie-Strategie definiert werden, die weder vom unglaublichen Leid in Japan noch von der politischen Agenda und den Partikularinteressen von Erzeugern und Verbänden getrieben wird, sondern der Schweiz eine Zukunft mit einem dominierenden Anteil an erneuerbaren und nachhaltigen Energiequellen ermöglicht bei gleichzeitig effizienter Nutzung und hoher Autonomie. Einfach? Nein. Machbar? Ja.
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