Die Energiewende lässt sich nicht aufhalten. Sie ist ein strukturelles Thema – wie der demografische Wandel. Drei Dinge sind 2025 zentral, um die Energiewende voranzutreiben.
Von Stephanie Kelly, Leiterin des Redwheel Sustainability-Partner Greenwheel
Die letzten Jahre waren für Investoren in Sachen Klima ziemlich anstrengend. Grosse Zusagen wurden schnell und umfassend gemacht: Netto-Null-Verpflichtungen, Verpflichtungen zum Desinvestment, Zusagen für umweltfreundliche Lösungen. Aber in der realen Welt scheinen diese Veränderungen nicht die erhofften Effekte zu bringen. Wenn es um das Klima geht, ist der Weg zur Hölle womöglich mit guten Vorsätzen gepflastert. Hier sind drei Punkte, die nötig sind, wenn die Energiewende wirklich vorankommen und zugleich die damit verbundenen Investitionschancen genutzt werden sollen.
Weniger Vogelscheuchen, mehr Analysten
Nachhaltiges Investieren leidet oft an dem, was als Vogelscheuchen-Syndrom bezeichnet werden kann: viel Herz, nicht genug Gehirnleistung. Der Klimawandel ist eine der komplexesten intellektuellen Herausforderungen, die wir uns vorstellen können: Eine Weltwirtschaft, die von fossilen Brennstoffen angetrieben wird, steht vor der Zerstörung durch genau das, worauf sie aufgebaut ist. Wissenschaftler und Ökonomen, die ihr Leben lang an der Erforschung des Klimawandels arbeiten, sind sich nicht einig darüber, wie schnell oder langsam diese Zerstörung vor sich geht. Denn es bestehen grosse Unsicherheiten – in Bezug auf Kipp-Punkte, auf die Verlässlichkeit unvollkommener Modelle ohne Alternativen, auf ein sich wandelndes politisches Umfeld. Die Liste ist endlos.
Die Investoren sollten sich angesichts dessen in Zurückhaltung üben. Besonders kühl kalkulierende Anleger, die glauben, das Klima sei ein rührseliges Hippie-Zeug. Ich wünschte, dem wäre so! Es braucht viel mehr traditionelle Finanzanalysten und Investoren, die dieses Wissen nehmen und anwenden. Dies weil wir vielleicht endlich das Ausmass der Klimarisiken in den heutigen Portfolios verstehen und Wege finden, sie anzugehen. Mehr noch: Die Investoren, denen der Klimawandel am Herzen liegt, die sich aber nicht die Zeit nehmen, die Komplexität des Themas zu verstehen und die Tragweite ihrer Entscheidungen zu prüfen, müssen zurückhaltender sein. Nur weil sich etwas gut anfühlt, ist es nicht immer eine gute Investitionsentscheidung für ihren Kunden – oder für die Welt.
Investitionen in die Energiewende nicht mit Ethik-Investments gleichsetzen
Bei Klimainvestitionen gehen Anleger zum Teil davon aus, dass diese so aussehen und sich so anfühlen müssen wie gute, altmodische Ethik-Investments, nur weil es ihnen so richtig erscheint. Klimainvestitionen können und sollten jedoch nicht die Praktiken des ethischen Investierens imitieren. Bei Ethik-Investments geht es um die individuelle Entscheidung, ein Geschäft wie etwa den Handel mit Tabak oder Alkohol zu unterstützen oder nicht zu unterstützen. Alle Anleger haben dieses Recht. Investitionen in die Energiewende sind jedoch von Natur aus etwas anderes. Greenwheel-Untersuchungen zu Desinvestitionen haben gezeigt, dass sich trotz enormer Summen, die von grossen Vermögenseigentümern und -verwaltern abgezogen wurden, bei börsenkotierten Unternehmen kaum etwas bewegt hat. Ich glaube eher, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die verbleibenden Aktionäre, denen die Energiewende egal ist, mehr Einfluss auf die Unternehmensstrategie haben, wenn klimabewusste Investoren verkaufen.
Insofern müssen wir als Anlegergemeinschaft Wege finden, wie wir die Unternehmen mit hohen Emissionen zu einem effektiven Kurswechsel bewegen können. Ein strukturiertes Engagement und eine verantwortungsvolle Aktionärskoordination sind der erste Schritt. Dieser Weg ist schwieriger, er wird wahrscheinlich steinig sein und wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob er funktioniert. Aber wir wissen, dass Desinvestitionen bisher nicht funktioniert haben, und mitten in der Klimakrise haben wir keine Zeit für nutzlose Massnahmen zu verlieren.
Wir müssen auch aufhören, über Klimainvestitionen so zu sprechen, als ob es sich nur um Nischeninvestments handelt, die sich auf Technologie konzentrieren. Das A und O bei Investitionen in die Energiewende liegt in der Regel in den weniger auffälligen Dingen: dem Ausbau der Stromkapazität und -verteilung, um einen massiven Anstieg der Energienachfrage aus Rechenzentren zu decken; der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energien und den benötigten Ausgangsstoffen; und in Effizienzsteigerungen in der gesamten Wirtschaft, die es uns ermöglichen, mehr aus dem zu machen, was wir haben. Durch die Öffnung der Definition von Klimainvestitionen wird diese sowohl den Realitäten des Klimawandels gerechter als auch dem Spektrum der Anlagestile und -ansätze, mit denen in den Übergang investiert werden kann.
Anpassen oder kläglich scheitern
Wenn es etwas gibt, das uns 2024 gelehrt haben sollte, dann dass der Klimawandel da ist und seine Auswirkungen tödlich sind. 2024 war wahrscheinlich das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Das ganze Jahr über wurde in den Nachrichten über erschütternde klimabedingte Katastrophen auf der ganzen Welt berichtet, wobei kein Kontinent verschont blieb. Die zehn kostspieligsten dieser Katastrophen verursachten Schäden in Höhe von 229 Milliarden US-Dollar und forderten 2000 Menschenleben.
Wenn wir über Investitionen zur Anpassung an diese wärmere Welt sprechen, bedeutet das nicht, dass wir den Wandel aufgeben. Es bedeutet, dass wir anerkennen, wo wir bereits stehen und dass wir uns zwangsläufig anpassen müssen. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe für unsere Kunden und für unsere Gesellschaft. Auch wenn dies nicht auf alle Anpassungsinvestitionen zutrifft, ergab eine Greenwheel-Studie von 2024, dass viele Anpassungslösungen positive Nebeneffekte für die Eindämmung des Klimawandels haben können.
Aus der Sicht des Kapitalanlegers ist Anpassung ein strukturelles Thema – wie der Konsument von morgen oder der demografische Wandel. Die Volkswirtschaften in aller Welt werden sich an diese wärmere, chaotischere Welt anpassen müssen. Es werden Lösungen gefragt sein, die es den Volkswirtschaften ermöglichen, weiter zu funktionieren, die es den Menschen erlauben, weiterzuarbeiten, Kontakte zu pflegen und – offen gesagt – zu leben. Anleger, die darauf achten, können renditeträchtige Chancen identifizieren, die eine Diversifizierung gegenüber dem üblichen Klima-Investing ermöglichen und weniger auf eine theoretische Zukunftswelt angewiesen sind als viele Technologielösungen. (Redwheel/mc)