Aussenansicht House of Natural Resources. (Foto: ETH Zürich/Marco Carocari)
Zürich – Das House of Natural Resources ist ein Leuchtturmprojekt für das Bauen mit Laubholz. Das nun eingeweihte Bürogebäude auf dem Campus Hönggerberg dient der ETH Zürich auch als Forschungslabor für nachhaltiges Bauen. Deshalb wird es für die Forschenden jetzt erst richtig spannend.
Das House of Natural Resources (NoNR) erregt Aufsehen: Ein einfacher Skelettbau ermöglicht es, den Grundriss flexibel zu gestalten, bei dem die Innen- und Aussenwände beliebig angeordnet werden können. Transparente Fassaden und seine fugenlose Aussenhülle machen es zusätzlich zu einem angenehmen Arbeitsort. Doch das HoNR ist nicht nur ein innovatives Bürogebäude, sondern dient der ETH Zürich zugleich als Forschungslabor für nachhaltiges Bauen mit Laubholz.
Einheimischer Rohstoff nachhaltig und technisch raffiniert einsetzbar
Sechs Professorinnen und Professoren aus den Instituten für Baustatik und Konstruktion, für Baustoffe sowie für Technologie in der Architektur waren mit ihren Forschungsgruppen am Bau des Hauses beteiligt und haben ihre Forschungsprojekte direkt am Bau realisiert. Doch mit der Einweihung ist ihre Arbeit noch lange nicht abgeschlossen. Gemeinsam wollen sie nun die von ihnen entwickelten Technologien über einen längeren Zeitraum testen und so herausfinden, wo die Vorteile und Schwachstellen liegen. ETH-Präsident Lino Guzzella zum speziellen Neubau: «Das House of Natural Resources ist ein schönes Beispiel für gelebte Interdisziplinarität. Es zeigt, wie der einheimische Rohstoff Holz nachhaltig und technisch raffiniert eingesetzt werden kann.»
Solarmodule bewegen sich
Ein Versuchsfeld ist die Fassade des Gebäudes. An einem Teil der Gebäudehülle haben die Wissenschaftler eine adaptive Solarfassade montiert, die Strom gewinnt und hilft, den Energiebedarf für das Heizen und Kühlen des Gebäudes zu regulieren. Die Fassade besteht aus beweglichen Modulen aus Dünnschicht-Solarzellen, die sich mittels druckluftgesteuerten Antrieben bewegen lassen. Dank diesen Aktuatoren richten sich die Solarzellen am Sonnenstand aus, passen sich aber auch an den Wärme- und Lichtbedarf des Hauses und insbesondere dem Verhalten der Nutzer an.
Zusätzlich stellen die Wissenschaftler ein System vor, mit dem Solarmodule auf Dächern dem Sonnenstand nachgeführt werden können. Dieses Nachführungssystem wird mit speziellen zweiteiligen Holzlamellen angetrieben. Die Wissenschaftler nutzen dabei die Eigenschaft des Holzes, dass es bei Änderung der relativen Luftfeuchte quilt oder schwindet. Dazu werden zwei Holzschichten mit unterschiedlicher Faserorientierung aufeinander geklebt. Verändert sich die Luftfeuchte, verbiegen sich die Schichten entsprechend und es entsteht ein bewegliches Holzelement. Da die relative Luftfeuchte an sonnigen Tagen abnimmt und am späteren Nachmittag und nachts ansteigt, können die Holz-Doppelschichten als eine Art natürlicher Motor zur Solarmodulnachführung eingesetzt werden.
Weltneuheiten aus Schweizer Holz
Nicht nur die neuen Technologien, auch die Bauweise des HoNR ist einzigartig. So kam beim Bau eine Weltneuheit zum Einsatz: eine Holz-Beton-Verbunddecke mit Buchenholz aus Schweizer Wäldern. Eine rund vier Zentimeter starke Buchenholz-Furnierplatte dient sowohl als Schalungselement als auch als Armierung und ist gleichzeitig eine attraktive Oberfläche. Diese neue Verbunddecke hat ähnlich gute Trageigenschaften wie Stahlbetondecken, die meistverbauten Tragelemente in der Schweiz. Einzigartig ist auch die Dachkonstruktion mit einer Buchenholzdecke, bei der Holzlamellen kreuzweise angeordnet wurden. So werden die Lasten wie bei einer Betondecke in zwei Richtungen verteilt.
Auch die Rahmenkonstruktion im HoNR besteht aus Schweizer Holz. Die Stützen bestehen zu 100 Prozent aus Eschenholz, die Träger sind aus Esche und Fichte zusammengesetzt, um die Festigkeit zu erhöhen. Zudem sind alle Träger mit einem Kabel, das im Innern durch das Holz verläuft, vorgespannt. Die Träger zentrieren sich dadurch selber, und die gesamte Tragkonstruktion ist besonders verformbar, was sie deutlich erdbebensicherer macht.
Überwachen wie das Holz arbeitet
Die ETH-Wissenschaftler haben im HoNR ein umfangreiches Monitoringsystem installiert, mit dem sie erfassen, wie sich das Gebäude über die Jahre verändert: Sie messen regelmässig die Feuchtigkeit in der Holz-Rahmen-Konstruktion und zeichnen Verformungen mit mithilfe eines Tachymeters auf. Spezielle Sensoren messen die relative Verschiebung zwischen Holz und Beton in der Verbunddecke. Bereits während des Baus haben die Wissenschaftler mit einem dichten Sensornetzwerk überwacht, wie sich die Tragstruktur verhält. Mit 16 Kraftmessdosen haben sie zudem die Vorspannkraft in jedem einzelnen Spannkabel gemessen.
Wie sich die neuen Technologien bewähren, soll auch der Alltag zeigen. «Wir werden genau dokumentieren, wie die Nutzer mit dem Gebäude zufrieden sind», erklärt Projektleiter Andrea Frangi, Professor für Holzbau am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich. Er erhofft sich von den Erkenntnissen des Projekts auch Impulse für die Schweizer Holzverarbeitungsindustrie. Frangi sieht im Holzbau grosses Potenzial für die Schweiz. Der Anteil an Laubbäumen nimmt im Schweizer Wald als Folge der Klimaerwärmung zu. «Schweizer Holz hat viel Potenzial. Wir hoffen, dass Unternehmen dies erkennen und unsere Ansätze weiterverfolgen.» (ETH/mc/pg)