Vorbesprechung des EU-Gipfels am Mittwoch in in Paris. (© Présidence de la République – Pascal Segrette)
Brüssel – Mit ungewöhnlich schroffen Meinungsgegensätzen gehen die Staats- und Regierungschefs der EU heute Donnerstag in ihre Gipfelkonferenz zur Überwindung der Finanzkrise. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies am Mittwoch Kernpunkte des Grundlagenpapiers der EU-Spitze für den Gipfel zurück. Sie warf dem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy vor, «vorrangig der Vergemeinschaftung das Wort» zu reden. Am Mittwochabend suchte Merkel in Paris mit dem neuen Präsidenten François Hollande nach Kompromisswegen.
«Wir brauchen ein Europa, das funktioniert», sagte Merkel in Paris. Mehr Europa sei nötig. «Wir brauchen ein Europa, das sich gegenseitig hilft.» Sie nahm damit ausdrücklich Hollandes Forderungen nach einer Stärkung des Solidaritätsgedankens auf. Zuvor hatte Merkel in Berlin allerdings klargemacht, dass Haftung und Kontrolle der Finanzen in klarem Verhältnis stehen müssten. Die von Hollande und anderen langfristig befürworteten Eurobonds lehnt sie strikt ab.
«Merkel erklärt den Deutschen Europa nicht»
Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück warf Merkel «ständige Positionswechsel» in der Krise vor. Das verunsichere «die Märkte, die europäischen Partner und das eigene Publikum», sagte Steinbrück der «Passauer Neuen Presse» vom Donnerstag. Ausserdem erkläre Merkel den Deutschen Europa nicht. «Die Grundstimmung in Deutschland ist nicht zuletzt wegen des bisher gescheiterten Krisenmanagements ihrer Regierung europaskeptisch. Das entspricht nicht unseren nationalen Interessen und den europapolitischen Verpflichtungen.»
Nach einer Umfrage des Instituts YouGov sehen knapp zwei Drittel der Bundesbürger in der Euro-Krise die grösste Gefahr für Deutschland. Dabei zeigt sich eine erhebliche Euro-Skepsis. Bei einem Volksentscheid über eine EU-Mitgliedschaft würden 51 Prozent für und 28 Prozent gegen einen Verbleib stimmen. Für eine Beibehaltung des Euro plädierten aber lediglich 43 Prozent, während immerhin 41 Prozent die D-Mark wiederhaben wollten.
Van Rompuys Reformpläne zum Abendessen
Der zweitägige EU-Gipfel beginnt mit einer Debatte über die umstrittene Finanzplanung 2014 bis 2020. Zudem soll ein Wachstumspakt mit Ausgaben von 130 Milliarden Euro beschlossen werden, wie ihn Hollande ins Spiel gebracht hatte. Beim Abendessen wird über Van Rompuys Vorschläge zur Reform der Eurozone gesprochen. Dazu gehören eine zentralisierte Bankenaufsicht, eine strikte Kontrolle der nationalen Haushalte und eine Vergemeinschaftung der Schulden. Zur Sprache dürfte auch die «Zinskrise» kommen, weil Spanien und Italien hohe Risikoprämien auf ihre Anleihen zahlen müssen.
EU-Kreise rechneten mit einer Einigung über die Bankenunion mit europäischer Bankenaufsicht und mit kurzfristigen Massnahmen zur Absicherung der Eurozone. Barroso warnte aber insgesamt vor überzogenen Erwartungen. Die Märkte seien nicht über Nacht zu beruhigen. (awp/mc/ps)